Transfergesellschaft des TÜV Nord für Opel Weiterbildung verboten, kaum Jobs in Aussicht

Seit einem Jahr ist das Opel-Werk in Bochum Geschichte, die Ex-Mitarbeiter sitzen in der vom TÜV Nord geführten Transfergesellschaft. Der Vermittlungserfolg ist mau. Ein Betroffener erklärt die Gründe.

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Ein Jahr nach Aus für Opel in Bochum Quelle: dpa

Am 5. Dezember 2014 lief in Bochum der letzte Opel Zafira vom Band, am 12. Dezember schloss das Werk seine Pforten endgültig. 3300 Menschen waren zuletzt bei Opel beschäftigt, 2600 landeten in der Transfergesellschaft des TÜV Nord, der von Hause aus für Bildungs- und Weiterbildungsthemen bei Opel zuständig ist und auch vorherige Transfergesellschaften beim Autobauer verantwortete.

Die Bilanz des TÜV Nord nach einem Jahr war allerdings mau: Nur 260 Mitarbeiter haben über die vom Autobauer mitfinanzierte Transfergesellschaft einen festen neuen Job gefunden. Weitere 220 Beschäftigte wurden in Qualifizierungen oder Praktika vermittelt. Trotzdem sagte Hermann Oecking, Geschäftsführer von TÜV Nord Transfer, das erste Jahr sei "planmäßig verlaufen", die 50 Berater arbeiteten unter Hochdruck.

Dieter Welwei, Jahrgang 1962, arbeitete 36 Jahre bei Opel in Bochum. Jetzt ist der Wirtschaftsingenieur in der Transfergesellschaft des TÜV Nord. Quelle: Privat

Einer, der mit den Ergebnissen der Arbeit des TÜV Nord weniger zufrieden ist, ist Dieter Welwei. 36 Jahre lang arbeitete der Wirtschaftsingenieur bei Opel Bochum, jetzt gehört er zu denen, die der TÜV Nord schnellstmöglich wieder in einen Job vermitteln soll. "Als die Transfergesellschaft beschlossene Sache war, hieß es, die Vermittlungsquoten lägen bei 60 bis 80 Prozent und in der Region Rhein/Ruhr seien bis zu 15.000 Stellen frei, die für die Opel-Belegschaft geeignet wären", sagt er. Am Anfang seien er und seine Kollegen auch entsprechend euphorisch gewesen. Nun herrsche allerdings Ernüchterung.

Opel stellte pro Mitarbeiter 2000 Euro bereit

"Wir sollten geschult und weiterqualifiziert werden, dafür wurde auch viel Geld von Opel bereitgestellt. Pro Mitarbeiter standen durchschnittlich 2000 Euro zur Verfügung. Weitere sieben Millionen aus dem Europäischen Sozialfond wurden im Herbst 2015 zusätzlich freigegeben. Nur gebracht hat es bisher nicht viel."

Was ist eine Transfergesellschaft?

So geht es nicht nur den Ex-Opelanern: Schon 2006 zeigte ein Gutachten des Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), dass Transfergesellschaften zwar eine nette Geste des Arbeitgebers und der Arbeitsagentur sind, aber kaum zur Jobvermittlung taugen. Der ehemalige Direktor Arbeitsmarktpolitik beim IZA, Hilmar Schneider, nannte Transfergesellschaften in diesem Gutachten eine "Geldverschwendung".

Die Sache mit der Statistik

"Eine Transfergesellschaft kann grundsätzlich ein gutes und sinnvolles Arbeitsmarktinstrument sein und es gibt auch Beispiele, die gute Vermittlungserfolge haben", sagt Anja Schauenburg, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung "Die Personalumbauer". Die erfolgreichen Gesellschaften seien gut strukturiert und böten den Leuten individuelle Weiterbildungen und Qualifikationen an, die zielführend seien und ihnen auch tatsächlich etwas nutzen. "Aber es gibt eben auch sehr viele, die bloß Geldverschwendung sind und die Leute nur verwahren."

Ihrer Erfahrung nach gebe es auch viele Gesellschaften, die Mitarbeiter in die Vermittlungsquote einrechnen, die in Rente gegangen oder in einer Weiterbildungsmaßnahme untergebracht sind. "Das wird nicht extra ausgewiesen. Hier wäre eine ganz andere Transparenz vonnöten, indem klar die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt veröffentlicht werden würde." Sonst kommen die Traumquoten von 60 oder 80 Prozent zustande, von denen man auch Welwei und seinen Kollegen vorgeschwärmt hat. "Eine erfolgsabhängige Vergütung des Anbieters der Transfergesellschaft könnte daran vielleicht etwas ändern", sagt Schauenburg.

Junge, unerfahrene Berater

Doch die geschönten Quoten sind gar nicht das Schlimmste, zumindest nicht aus Welweis Sicht. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Ablauforganisation in der Transfergesellschaft professioneller gewesen wäre. Eine Clusterung nach Berufsgruppen mit der entsprechenden Beratungskompetenz wäre dabei wünschenswert gewesen." Denn bei den Treffen, bei denen auf einen Berater gut 50 Mitarbeiter kamen, seien sowohl Ingenieure, als auch Produktionsmitarbeiter und sonstige Fachkräfte gleich behandelt und beraten worden, obwohl die Bedürfnisse völlig unterschiedlich seien. "Es gab in der Beratung wenig Unterschiede nach Beruf oder Qualifizierung."

Außerdem seien die Berater, anders als die Belegschaft, sehr jung gewesen und hätten nur wenig Erfahrungen aus einem Industriebetrieb mitgebracht. "Wer einen Maschinenbauingenieur berät, muss zwar kein Maschinenbauingenieur sein, aber ein Berater sollte sich in den zu beratenden Berufsbildern einigermaßen auskennen", sagt Welwei. Außerdem wäre ihm mehr Professionalität wichtig gewesen: "Die Berater haben schon in der ersten Auftaktveranstaltung das "Du" angeboten und die Beratungen finden in ehemaligen Großraumbüros statt."

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