Sein Arbeitstag beginnt morgens um 7.20 Uhr – mit einem Blick auf sein Smartphone. Mathias Grünewald fängt dann an, die gut zwei Dutzend E-Mails seiner Mitarbeiter aus Indien und China abzuarbeiten, die über Nacht aufgelaufen sind – während er im Zug nach Darmstadt sitzt, auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber, dem Chemiekonzern Merck. Grünewald leitet dort den weltweiten technischen Einkauf. Eine Aufgabe, die ihn nicht selten bis halb elf Uhr abends auf Trab hält. Oft schickt er dann von zu Hause im hessischen Groß-Umstadt die letzten elektronischen Kommentare und Anweisungen – an seine Mitarbeiter in den USA, bei denen es dann Nachmittag ist.
Mit seinen großen Fingern tippt Grünewald schnell auf die kleinen Tasten seines Blackberry. Sein Vorsatz: jede E-Mail spätestens innerhalb von zwölf Stunden beantworten. Um seinen Mitarbeitern „die nötige Wertschätzung auszudrücken“, wie der 48-Jährige es formuliert. „Tippfehler sehe ich da lockerer als früher.“
Steife virtuelle Meetings
Seit sein Arbeitgeber vor gut zwei Jahren den Einkaufsbereich global umstrukturiert hat, verantwortet Grünewald ein weltweites Netzwerk von rund 70 Einkäufern in Europa, den USA, Südamerika und Asien, mit denen er projektweise zusammenarbeitet und vor allem via E-Mail kommuniziert. In Deutschland, Frankreich und den USA ist er der direkte Vorgesetzte von 22 Mitarbeitern. Einmal im Monat trifft sich Grünewald mit diesem Team – per Videokonferenz. „Anfangs waren diese virtuellen Meetings steif“, erinnert sich Grünewald, „doch inzwischen hat das Team auch auf diesem Wege zusammengefunden.“
Kommunizieren via E-Mail, kooperieren über virtuelle Pinnwände, führen per Smartphone: Was vor zehn Jahren in Deutschland noch einer Handvoll Vorreitern aus der IT- Branche vorbehalten war, die die dafür nötigen Programme und Geräte im eigenen Unternehmen erprobten, hat sich inzwischen in vielen Branchen flächendeckend durchgesetzt. Nicht mehr nur IBM oder Microsoft kommunizieren per Chat, Skype oder Videokonferenz. Inzwischen setzen auch Banken, Modeunternehmen oder Maschinenbauer auf die Technik, die es ihren Mitarbeitern erlaubt, zusammenzuarbeiten, ohne am selben Ort zu sein.
Die neue Art des Arbeitens
Arbeit wird somit immer mobiler, flexibler, projektbezogener. Ob im Zug, im Flieger, zu Hause, ja im Café: Flächendeckend breitbandiges, oft drahtloses Internet und Mobilfunknetze machen es möglich, Projekte termingerecht komfortabel von fast jedem Ort der Welt zu erledigen. Arbeitnehmer empfangen unterwegs E-Mails auf ihren Mobiltelefonen, konferieren in angemieteten Co-Working-Centern über Videobeamer, Laptop- oder Handykameras, tauschen sich via Chat, Blog oder Wiki aus und bearbeiten gemeinsam Dokumente.
Wie verbreitet die neue Art des Arbeitens ist, zeigt auch eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter den rund 160 in Deutschland börsennotierten Unternehmen: Unabhängig von Größe und Branche geben die Befragten an, dass die virtuelle Zusammenarbeit für sie eine „wachsende Rolle“ (64 Prozent) oder bereits eine „bedeutende Rolle“ (36 Prozent) spielt.
Videokonferenz in 3-D
Ein Trend, den auch eine Studie des US-Immobiliendienstleisters Johnson Controls Global Workplace Solutions unter 1.700 Büroangestellten aus sieben Ländern bestätigt: Demnach steigt die Nutzung von Web-Konferenzen von heute 19 Prozent auf 57 Prozent im Jahr 2020. 44 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass in acht Jahren auch Videokonferenzen in 3-D häufig genutzt werden. Team-Arbeitsplätze mit fest installierten kollaborativen Technologien werden für jeden zweiten Büroarbeiter Usus, während traditionelle Besprechungsräume dann nur noch von jedem vierten genutzt werden. Auch der klassische Festnetzanschluss wird nur noch an jedem dritten Büroarbeitsplatz üblich sein.
Mobiles Arbeiten
Die Technologiesprünge der letzten zwei, drei Jahre haben „zur massiven Ausbreitung des mobilen Arbeitskonzepts beigetragen“, sagt Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart.
Technologie, die Voraussetzung und Treiber dieser Entwicklung zugleich ist. Hinzu kommen immer komplexere Produkte und zunehmend internationale Geschäfte, die eine Zusammenarbeit über Abteilungs- und Ländergrenzen hinweg erfordern: Wachstum findet zunehmend nicht mehr in Deutschland oder dem europäischen Umfeld statt, sondern in den Schwellenländern Asiens und Afrikas. Gleichzeitig steigt in diesen Ländern die Qualifikation der Mitarbeiter, die hierzulande aufgrund der demografischen Entwicklung immer rarer werden. So verlagern sich Produktion und Wertschöpfung aus den angestammten Unternehmenszentralen in diese Wachstumsmärkte.
Soziale Kompetenzen wichtiger denn je
Die Folge: immer komplexere Lieferketten, die rund um die Uhr überwacht werden müssen. Das erfordert lückenlose Kommunikation und permanente Entscheidungsfähigkeit, unabhängig davon, wo und in welchen Zeitzonen sich Mitarbeiter und ihre Vorgesetzten aufhalten.
Damit steigt nicht nur der Anspruch an die digitale, sondern auch an die soziale Kompetenz von Managern: Wer Mitarbeiter führt, ohne sie täglich zu sehen oder um sich zu haben, muss in der Lage sein, die lange Leine zu kontrollieren. Noch stärker als bisher auf unterschiedliche Arbeitskulturen und den individuellen Umgang mit Technik achten. „Führungskräfte müssen mehr erfahren über die Zeitkonzepte ihrer Mitarbeiter“, sagt Zeitforscher Karlheinz Geißler. „Wer ist wann besonders leistungsfähig? Wer hat welche Familiensituation? Diese Konstellationen gilt es zu koordinieren.“
Stiller wird es dagegen um die Chefs, die sich noch vor ein paar Jahren damit schmückten, kein Handy zu besitzen. Bettina Würth etwa, Beiratsvorsitzende des weltweit größten Handelsunternehmens für Befestigungs- und Montagetechnik im schwäbischen Künzelsau, bekennt sich immer noch dazu, nicht „IT-affin“ zu sein. In ihrem Büro hat die 50-Jährige keinen Computer, E-Mails lässt sie sich ausdrucken.
„Im Top-Management eines Familienunternehmens kann man sich solche Eigenheiten vielleicht noch leisten“, sagt Guido Hertel, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Münster. Alle anderen handelten sich mit „solchen Signalen“ Marktnachteile ein.
Die Generation Y
Und zwar nicht nur bei Kunden, sondern auch bei den jungen Talenten der sogenannten Generation Y, die mit dem Internet aufgewachsen sind, mobil und digital vernetzt arbeiten möchten. Und allen Arbeitnehmern, die ihre Arbeitsbedingungen der jeweiligen Lebensphase anpassen, zum Beispiel Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren wollen – etwa Mütter, die man verstärkt in Führungspositionen sehen will
Produktiver Arbeiten
Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen weiß: „Ohne die digitalen Möglichkeiten wäre ich nicht Ministerin geworden.“ Mit sieben Kindern war diese Flexibilität für die promovierte Ärztin und heutige Berufspolitikerin entscheidend. „Wie ich meine Arbeit mache, ist meine Sache“, so das Credo der Ministerin. „Hauptsache, ich mache sie gut.“ Die Kinder hat sie zwischen 17 und 20 Uhr ins Bett gebracht, als die noch klein waren, sich danach noch an den PC gesetzt.
Ob in Politik oder in der Wirtschaft: Unterm Strich kann sich kaum mehr jemand gegen die Verheißungen virtueller Teams sperren. Smartphones und Laptops, Internet und Datenwolken stellen die Arbeitswelt auf den Kopf, die neuen Technologien machen es einer über den Globus verteilten Heerschar von Mitarbeitern möglich, Projekte ununterbrochen voranzutreiben – als befänden sie sich Schreibtisch an Schreibtisch, Bürotür an Bürotür oder im selben Labor.
Auch in der Umfrage der WirtschaftsWoche preisen die Befragten die Vorteile der neuen smarten Welt der Arbeit, die es ermöglicht, „produktiver zu arbeiten“ (80 Prozent), „Mitarbeitern mehr Freiheit zu bieten“ (68 Prozent) und „Kosten zu senken“ (56 Prozent).
IT-Konzern Cisco zum Beispiel spart nach eigenen Angaben durch Video-Konferenzen 100 Millionen US-Dollar Reisekosten im Jahr. Pharmahersteller Merck spart dank virtueller Treffen Arbeitszeit und vermeidet Emissionen, die durch aufwendige Flugreisen entstünden. Auch Microsoft hat dank der eigenen Collaboration Tools nicht nur die Reisekosten um zehn Prozent gesenkt, sondern die Produktivität seiner Mitarbeiter um täglich 28 Minuten erhöht. Und IBM denkt angeblich darüber nach, im Rahmen des Programms „Liquid“ in Deutschland bis zu 8.000 der 20.000 festangestellten Mitarbeiter durch flexible freie Mitarbeiter zu ersetzen, die weltweit verteilt an Projekten für den IT-Riesen arbeiten sollen.
Von der Leine lassen
So weit gehen die Pläne bei Continental noch nicht. Aber auch Elmar Degenhart, Vorstandschef des Autozulieferers, will mehr Effizienz. Das jüngst aufgelegte Projekt „Connext“ zielt auf die weltweite Vernetzung der 164.000 Conti-Mitarbeiter. Die Anwendungen, die dabei firmenintern genutzt werden, ähneln denen der sozialen Netzwerke Facebook, Twitter oder Xing.
Verunsicherung durch neue Freiheiten
„Je mehr Synapsen, desto leistungsfähiger ein Hirn“, sagt Martina Girkens, die das Projekt leitet. Mitarbeiter sollen zum Beispiel Kollegen kontaktieren, deren Profil für sie interessant ist, Vorstandsmitglieder sollen per Blog statt per E-Mail informieren, die Belegschaft soll ihre Einträge kommentieren. Bei dieser Vorstellung ist nicht jeder Führungskraft wohl. Girkens spürt vielfach „Verunsicherung bei den Chefs, weil sie ihre Mitarbeiter mehr von der Leine lassen müssen“.
Manager reichen Informationen nicht mehr von oben herunter. Die Mitarbeiter besorgen sie sich auf einen Klick selbst. „Der Einzelne hat heute viel mehr Einblick in Projekte als früher“, sagt Organisationspsychologe Hertel.
Mehr Selbstständigkeit gewähren
Als „kooperativ“ oder „partizipativ“ bezeichnet die Management-Theorie den Führungsstil, den virtuelle Teams erfordern. Also das Gegenteil eines engen Führungsstils, der räumliche Nähe voraussetzt. Chefs müssen ihren Mitarbeitern mehr Selbstständigkeit gewähren und sie in Geschäftsprozesse einbeziehen. Der Arbeitsstil des Einzelnen ist Nebensache. Hauptsache, sein Beitrag zum Gesamtergebnis stimmt.
Bei IBM arbeiten Angestellte in Deutschland schon seit 1991, wo und wann sie wollen. Maria Gomez etwa sitzt heute an ihrem Schreibtisch zu Hause, in der Nähe von Düsseldorf. Bei den Chat-Funktionen ihres Laptops hat sie den Status „Do not disturb“ gewählt. Ihre Mitarbeiter sehen so, dass sie gerade nicht zu erreichen ist. „Wir chatten viel miteinander“, sagt die Direktorin für Collaboration Solutions – sie verantwortet die Entwicklung von Software, die die zeit- und grenzenlose Zusammenarbeit in virtuellen Teams unterstützt.
Kontrolle muss sein
Die 41-Jährige setzt auf die Intelligenz der Gruppe. Wenn sie auf der Computermesse Cebit im März ein neues Produkt vorstellen möchte, bilden ihre Mitarbeiter das nötige Marketingteam in Eigenregie. Ein Hauptverantwortlicher ist jeweils Ansprechpartner für Gomez. Daneben kann sie über ein internes Softwareprogramm den Projektverlauf genau verfolgen und Hinweise dazu veröffentlichen. „Kontrolle muss sein“, sagt Gomez, „das gehört zu den Aufgaben einer Führungskraft.“
Dieses mobile und flexible Arbeiten schafft Freiheit – verlangt aber gleichzeitig nach mehr Struktur und Standards als die traditionelle Zusammenarbeit unter vier, acht oder zwölf Augen. Besonders im loseren Projektverbund brauchen Mitarbeiter klare Vorgaben und regelmäßige Rückmeldung zu ihrer Leistung.
Wenn Eva Dewor über ihren Führungsalltag spricht, fallen vor allem Begriffe wie „Erwartungsgespräche“ und „Zielvereinbarungen“ – auch die 48-Jährige führt ihre Teams bei der IT-Unternehmensberatung Accenture weitgehend virtuell. Jeder der weltweit 240.000 Accenture-Mitarbeiter hat eine Basisschulung durchlaufen. Dieses standardisierte „Einmaleins der Methode“ ermöglicht es Dewor, mit jedem Mitarbeiter über „Projektphase eins, zwei oder drei“ sprechen. Und beide wissen sofort, welche Arbeitsschritte jeweils dazugehören.
Bewusster Kommunizieren
Wo der informelle Austausch auf dem Flur oder am Kaffeeautomaten wegfällt, müssen alle mehr und bewusster kommunizieren. Das Hernstein Institut für Management und Leadership hat Führungskräfte in deutschsprachigen Ländern dazu befragt, welche Kompetenzen sie für das Führen auf Distanz für wichtig halten. Mit 38 Prozent nennen die Chefs eine „klare (virtuelle) Kommunikation“ als eine der größten Herausforderungen. Nur eine halten sie mit 53 Prozent für noch wichtiger: nämlich den „Aufbau von Vertrauen“.
Beziehungsqualität pflegen
Und das läuft letztlich nur über den persönlichen Kontakt. Dies wies der amerikanische Sozialpsychologe Gregory Northcraft jüngst mit einem Experiment an der Universität von Illinois nach: Die Arbeitsergebnisse jenes Studenten-Teams, das sich lediglich über E-Mails und Videokonferenz austauschte, nahmen mit der Zeit ab. Die Motivation schwand, das gegenseitige Vertrauen bröckelte. Die Technik allein kann lediglich die Arbeitsabläufe beschleunigen, folgert Northcraft: „Wir gewinnen damit zwar Zeit, verlieren aber Beziehungsqualität.“
Auch deshalb legt Merck-Manager Grünewald viel Wert darauf, seine 22 direkten Mitarbeiter regelmäßig persönlich zu sehen. Einzelgespräche, die er mit ihnen jeweils direkt zu Jahresbeginn plant, gehören dazu genauso wie gemeinsame Kegel- oder Koch-Abende. Einmal im Jahr trifft Grünewald sein gesamtes Netzwerk aus Einkäufern auf Workshops in Südamerika, Asien und den USA. Dazu telefoniert er „täglich bis zu drei Stunden“ regelmäßig mit seinen Mitarbeitern.
Dass sich Zwischentöne im Gespräch besser transportieren lassen als per SMS oder E-Mail, weiß auch Michael Müller-Berg. Der 48-Jährige leitet das Geschäft mit den 400 umsatzstärksten Großkunden der Deutschen Telekom. Rund 200 E-Mails liest er am Tag. Wenn er den Eindruck hat, dass eine dieser elektronischen Nachrichten „mit falschen Emotionen“ abgeschickt wurde, greift er zum Hörer. „Ich bitte die Kollegen dann, die Sachlage persönlich zu klären.“ Umgekehrt steht unter jeder E-Mail von Müller-Berg seine Handynummer. „Außerhalb der Wochenenden kann mich jeder Mitarbeiter innerhalb von wenigen Stunden erreichen“, sagt er. „Allerdings erwarte ich, dass die Kollegen vorher abwägen, ob die Angelegenheit wirklich dringend ist.“
Grenzen verschwimmen
Dieser Grat zwischen gewünschtem Effekt und Übertreibung ist beim flexiblen Arbeiten schmal: Eine ständige Erreichbarkeit und Vernetzung lässt die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zunehmend verschwimmen. Laut einer Umfrage des High-Tech-Verbands Bitkom geben 88 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, auch außerhalb der Arbeitszeit per Handy oder E-Mail ansprechbar zu sein. Zwei Jahre zuvor waren es noch 73 Prozent.
Jederzeit erreichbar sein
Bei Microsoft Deutschland zum Beispiel gilt neben der Betriebsvereinbarung über die 40-Stunden-Woche die Vertrauensarbeitszeit – niemand zählt hier also die Arbeitsstunden. Andererseits aber kennt Personalchefin Brigitte Hirl-Höfer auch die „Verführung, jederzeit erreichbar zu sein“. Als Mutter kommt ihr das Arbeiten ohne starre Zeitvorgaben vor allem entgegen. Praktisch sieht das so aus: Das erste Telefonat führt die 45-Jährige morgens um acht Uhr im Auto auf dem Weg ins Büro nach Unterschleißheim im Norden Münchens, wenn sie den jüngeren Sohn in den Kindergarten gebracht hat. Um 17.30 Uhr telefoniert sie auf der Heimfahrt nach München mit ihren Mitarbeitern. Die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr gehören dem Abendessen mit der Familie. Um 20.30 Uhr fährt Hirl-Höfer ihren Rechner dann oft noch einmal hoch.
Risiken für die Gesundheit
Zu wenig Auszeit von der ununterbrochenen Unterbrechung kann krank machen. Telefonieren, E-Mails schreiben, chatten, konferieren – oder womöglich alles gleichzeitig: Das belastet Psyche und Gesundheit. Die „Technik ist unbegrenzt beschleunigbar. Der Mensch nicht“, sagt Zeitforscher Geißler. Ob Manager oder Teammitglied – auf beiden Seiten müsse es gelingen, die neu gewonnene Freiheit und Verantwortung zu organisieren.
Bundesarbeitsministerin von der Leyen, die jüngst immer wieder vor der „Entgrenzung des Arbeitslebens“ warnte, die „tief in das Privatleben hineingeht und Leute fertig machen kann“, hat ihren ganz eigenen Ansatz gefunden, um Privates und Berufliches zu trennen: Am Wochenende schottet sie sich von der Politik ab, hört kein Radio, liest keine Zeitung, sieht nicht fern. Nur der Pressesprecher darf im allergrößten Notfall anrufen. „Aber dann geht mein Puls gleich unter die Decke“, sagt von der Leyen. Sie hat zwar ein Mobiltelefon. „Aber es gibt nur zwei Quellen, die unter unbekannter Nummer anrufen. Das eine sind meine Kinder und das andere ist die Kanzlerin. Da geh ich immer ran.“
Keine E-Mails am Wochenende
Ein vernünftiges Maß beim Einsatz mobiler Geräte findet sich nicht von heute auf morgen. Arbeitsforscher Bauer vom Fraunhofer-Institut beobachtet „Experimentieren allerorten“. Der Betriebsrat des Volkswagen-Konzerns zum Beispiel setzte jüngst einen E-Mail-Stopp für Mitarbeiter mit Tarifvertrag außerhalb der Arbeitszeiten durch. Doch besser als eine „korsetthafte Verordnung“ wirken gute Vorbilder, ist Bauer überzeugt. „Chefs sollten sich überlegen, ob sie um 23 Uhr noch E-Mails an ihre Mitarbeiter schreiben und so den Erwartungsdruck schüren.“
Kasper Rorsted zum Beispiel fängt bei sich selbst an. Der Vorstandsvorsitzende vom Konsumgüterhersteller Henkel hat sich ein E-Mail-Verbot für die Wochenenden verordnet.
Eine schlichte Wahrheit kann beim Abschalten helfen: „Am schlimmsten“, sagt der Telekom-Manager Müller-Berg, „sind doch die Chefs, die meinen, dass der Laden ohne sie zusammenbricht.“