Vertical Villages Betreutes Wohnen für Top-Manager

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Für wen die Vertical Villages geeignet sind


Mit einer der Gründe, warum viele Menschen den Vororten den Rücken kehren, ist, dass sie keine Tagesreise benötigen wollen, um zum Hausarzt und zum Bäcker zu kommen. In der Stadt sind die Wege da schon deutlich kürzer. In den Vertical Villages trennen Supermarkt, Büro, Bett und Supermarkt nur noch wenige Etagen. Doch: Kollegen und Chef nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Treppenhaus, beim Einkaufen, in der Kneipe oder der Sauna zu treffen, ist nicht jedermanns Vorstellung von Work-Life-Balance.

So zufrieden sind die Deutschen mit ihrer Work-Life-Balance

So sagt Beyerle: „Der Mensch will kurze Wege haben, aber in der Regel legen wir Wert auf eine räumliche Trennung von Leben und Arbeiten, Ausnahmen sind da vielleicht Ärzte oder Architekten, die über ihrer Praxis beziehungsweise ihrem Büro wohnen.“ Deshalb ist er nicht davon überzeugt, dass solche Wohntürme massenkompatibel sind. „Es mag natürlich sein, dass die junge Generation Y das anders sieht, aber grundsätzlich ist das kein dauerhaftes Modell für den Homo sapiens sapiens.“

Denn auch in der Architekturpsychologie gilt der Grundsatz, dass Übergangsbereiche vom öffentlichen zum privaten Territorium wichtig sind, damit Menschen sich wohl fühlen. Ist das eigene Unternehmen auf der gleichen Etage eine Tür weiter, fehlt diese Trennung.

Städte setzen auf Mietpreisbremse statt Wohnkonzepte

„Vertical Villages sind eigentlich Wohncenter, vergleichbar mit den Shoppingcentern: Es sind Plattformen, die aus einer Hand geplant, finanziert, gebaut und gemanagt werden und beide gehen dorthin, wo die Nachfrage ist“, erklärt Wolfgang Christ, Architekt, Stadtplaner und ehemaliger Professor an der Bauhaus-Universität Weimar. Der Trend sei also zunächst eine Immobilienentwicklung: „Hier reagiert der Markt und die Urbanität ist der Markttreiber“, sagt er.

Was ihn störe, sei die Lage der Vertical Villages: „Dass diese Objekte in den Innenstädten errichtet werden, ist nicht logisch“, sagt er. „Sie könnten genauso gut vor der Städten liegen und so den Druck aus den Innenstädten nehmen, aber dafür gibt es in Deutschland gar keine Strategie. Hier reagiert man lieber mit der Mietpreisbremse.“

Wie Vermieter die Mietpreisbremse umgehen können

Dabei verkaufen die Macher der Hochhäuser in den sogenannten besten Lagen gar kein Großstadtgefühl, wie der Stadtplaner weiß. „Diese Vertical Villages werben mit etwas, wofür immer die Vorstadt oder das Landleben standen: Sicherheit, Luft, Licht und Sonne, ein homogenes Quartier. Sie verkaufen sich mit ihrem 360 Grad Panoramablick als ein sicheres Dorf in der Stadt mit homogenen Strukturen.“

Statt Trubel, Schmutz und Menschen aus allen Herren Ländern und allen sozialen Schichten wird hier die sterile Wissensgesellschaft nebst exquisiter Amüsiermeile in einem Gebäude geboten. „Der Bedarf einer bestimmten Klientel spiegelt sich in den Vertical Villages wieder: Das ist betreutes Wohnen, bei dem die suburbane Lebensqualität in die Innenstadt transferiert werden soll.“

Er ist überzeugt, dass die Mieter beziehungsweise Käufer von Appartements in solchen Gebäuden ein reines Service-Verständnis von Städten haben: Sie liefern ihre Arbeits- und Kaufkraft und bekommen dafür Sauberkeit, Dienstleistungen, Geborgenheit, Sicherheit. Genauso, wie sich die Expats in Fernost vor der Integration in eine fremde Kultur drücken, drücke man sich hierzulande mit der Auseinandersetzung mit der Stadt, in der zwar jeder leben möchte, die aber eigentlich vielen zu laut, zu dreckig, zu unsicher ist. „Manche können nur so in einer Stadt leben, weil sie einfach Angst haben vor dem Fremden, dem Schmutz, dem Lärm“, ist Christ überzeugt.

Für ihn handelt es sich bei den Vertical Villages nicht um die Stadt der Zukunft oder die Lösung für die Wohnraumproblematik, sondern schlicht um das bunte Bild einer Konsumlandschaft für diejenigen, denen die Realität vor der Haustür nicht gefällt. „Es sind Häuser für Durchreisende, in denen sich die Stadt ein- und ausblenden lässt“, sagt er.

Wer eine Stadt jedoch mit all ihren Vor- und Nachteilen kennenlernen will, wer Kontakt zu ihren Einwohnern sucht und neue Erfahrungen sammeln will, der tut gut daran, sich nicht abzukapseln.

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