Gut jeder fünfte Vorstandsvorsitzende musste im vergangenen Jahr – unfreiwillig oder ungeplant – seinen Posten räumen. 22 Prozent der Unternehmenslenker wurden gefeuert, wie die Unternehmensberatung Strategy& (ehemals Booz & Company) bei einer Analyse von 300 börsennotierten Unternehmen im deutschsprachigen Raum errechnete.
Demnach musste jeder zehnte Vorstands-Kapitän seinen Hut nehmen, weil er gescheitert war. Hierzu zählen Fälle mit schwierigen wirtschaftlichen Situationen, wie beispielsweise im Falle Roland Kochs bei Bilfinger. Nach mehreren Gewinnwarnungen musste der ehemalige hessische Ministerpräsident zurücktreten.
Die erfolgreichsten CEOs börsennotierter Großunternehmen
Unternehmen mit mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz.
* die Zahl zeigt an, wie viel Prozent seiner Wettbewerber das Unternehmen 2013 geschlagen hat.
CEO: Bill McDermott & Jim Hageman Snabe
Unternehmen: SAP
Gesamtwertung*: 52%
Gewinnentwicklung*: 78%
Aktienkursentwicklung*: 31%
Umsatzentwicklung*: 49%
(Hageman Snabe bis 31.12.2013)
CEO: René Obermann
Unternehmen: Deutsche Telekom
Gesamtwertung*: 53%
Gewinnentwicklung*: 17%
Aktienkursentwicklung*: 79%
Umsatzentwicklung*: 63%
(CEO bis Mai 2014)
CEO: Georg Müller
Unternehmen: MVV Energie
Gesamtwertung*: 55%
Gewinnentwicklung*: 43%
Aktienkursentwicklung*: 58%
Umsatzentwicklung*: 63%
CEO: Frank Appel
Unternehmen: Deutsche Post
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 53%
Aktienkursentwicklung*: 84%
Umsatzentwicklung*: 33%
CEO: Elmar Degenhart
Unternehmen: Continental
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 40%
Aktienkursentwicklung*: 88%
Umsatzentwicklung*: 42%
CEO: Wolfgang Reitzle
Unternehmen: Linde
Gesamtwertung*: 57%
Gewinnentwicklung*: 65%
Aktienkursentwicklung*: 43%
Umsatzentwicklung*: 64%
(CEO bis 31.12.2013)
CEO: Bernd Scheifele
Unternehmen: HeidelbergCement
Gesamtwertung*: 58%
Gewinnentwicklung*: 67%
Aktienkursentwicklung*: 67%
Umsatzentwicklung*: 40%
CEO: Dietmar Meister
Unternehmen: Generali Deutschland
Gesamtwertung*: 58%
Gewinnentwicklung*: 63%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 36%
CEO: Eckard Heidloff
Unternehmen: Wincor Nixdorf
Gesamtwertung*: 62%
Gewinnentwicklung*: 59%
Aktienkursentwicklung*: 75%
Umsatzentwicklung*: 51%
CEO: Volker Kronseder
Unternehmen: Krones
Gesamtwertung*: 62%
Gewinnentwicklung*: 79%
Aktienkursentwicklung*: 48%
Umsatzentwicklung*: 60%
CEO: Marcelino Fernández Verdes
Unternehmen: Hochtief
Gesamtwertung*: 63%
Gewinnentwicklung*: 68%
Aktienkursentwicklung*: 74%
Umsatzentwicklung*: 47%
CEO: Ralf Dieter
Unternehmen: Dürr
Gesamtwertung*: 63%
Gewinnentwicklung*: 56%
Aktienkursentwicklung*: 89%
Umsatzentwicklung*: 45%
CEO: Thomas Olemotz
Unternehmen: Bechtle
Gesamtwertung*: 64%
Gewinnentwicklung*: 83%
Aktienkursentwicklung*: 65%
Umsatzentwicklung*: 44%
CEO: Jürg Oleas
Unternehmen: GEA
Gesamtwertung*: 64%
Gewinnentwicklung*: 73%
Aktienkursentwicklung*: 72%
Umsatzentwicklung*: 48%
CEO: Claus-Dietrich Lahrs
Unternehmen: Hugo Boss
Gesamtwertung*: 67%
Gewinnentwicklung*: 71%
Aktienkursentwicklung*: 75%
Umsatzentwicklung*: 54%
CEO: Gerold Linzbach
Unternehmen: Heidelberger Druck
Gesamtwertung*: 72%
Gewinnentwicklung*: 65%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 75%
CEO: Rüdiger Kapitza
Unternehmen: DMG Mori Seiki
Gesamtwertung*: 74%
Gewinnentwicklung*: 86%
Aktienkursentwicklung*: 76%
Umsatzentwicklung*: 62%
CEO: Thomas Ebeling
Unternehmen: ProSiebenSat.1
Gesamtwertung*: 75%
Gewinnentwicklung*: 57%
Aktienkursentwicklung*: 90%
Umsatzentwicklung*: 79%
CEO: Christoph Vilanek
Unternehmen: Freenet
Gesamtwertung*: 78%
Gewinnentwicklung*: 70%
Aktienkursentwicklung*: 80%
Umsatzentwicklung*: 83%
CEO: Ralph Dommermuth
Unternehmen: United Internet
Gesamtwertung*: 89%
Gewinnentwicklung*: 86%
Aktienkursentwicklung*: 91%
Umsatzentwicklung*: 89%
Quelle: Obermatt
In anderen Fällen traute das Unternehmen dem Vorstandschef den geplanten Kurswechsel nicht mehr zu. Auch wenn der Vorstandschef eine Strafanzeige wegen eines Vorfalls im Job oder einen Compliance-Fall am Hals hat, kann er oft nicht länger im Amt bleiben. In zwölf Prozent der Fälle müssen die Chefs gehen, weil ihr Unternehmen übernommen wurde oder fusioniert hatte.
Eine Übernahme ist kein geplanter Abschied
78 Prozent der Vorstandschefs verschwanden von der Bildfläche, weil sie entweder die Altersgrenze erreichten oder ihre Verträge ausliefen – das gilt in der Studie von Strategy& damit als geplanter Wechsel. Selbst wenn ein Top-Manager bei einer Fusion oder Übernahme eine Change-of-Control-Klausel – das ist eine Ausstiegsklausel mit einem Wahlrecht - nutzen kann wie René Obermann: Er war erst wenige Wochen beim niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo, als der US-Riese Liberty Global das Unternehmen übernahm. Der Ex-Telekom-Chef entschied sich, die vertraglich vereinbarte Abfindung zu wählen und war ruckzuck wieder draußen – aber eben nicht geplant.
Arbeitsrecht für Vorstände
Geldwerte Vorteile – wie Flüge im Firmenjet – immer vorab durch den Aufsichtsrat bestätigen lassen. Egal, wie niedrig die Summe ist. Ansonsten droht die Enthebung aus dem Vorstandsamt aus wichtigem Grund sowie die fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags.
Vorstände sind zu unbedingter Offenheit gegenüber ihrem Aufsichtsrat verpflichtet und sollten stets jeder ihrer Informations- und Mitteilungspflichten nachkommen.
Wer seinen Geschäftsbereich nicht genau definieren lässt, kann für Aufgaben herangezogen werden, die seiner Qualifikation nicht entsprechen. Folge: Das Scheitern wird provoziert. Ebenso wichtig ist, dass man innerhalb seiner eigenen Ressortzuständigkeit tätig bleibt und nicht in das Ressort von Vorstandskollegen eingreift oder dass man andere zuständige Gesellschaftsorgane einbindet. Sonst kann es zur fristlosen Kündigung kommen.
Wer die wechselseitige Überwachungspflicht auf die leichte Schulter nimmt, dem droht Haftung auch für die Fehler der Vorstandskollegen und die fristlose Kündigung. Regelmäßige Jour-fixe-Termine schaffen Überblick.
Will man Vorstände ohne hohe Abfindungszahlungen loswerden, gibt es nur einen Hebel, der auch in jedem dritten Fall funktioniert: Weil jene viel länger und häufiger reisen, rund um die Uhr im Job sind und nur noch wenig Freizeit haben, wird’s mit der Grenzziehung zwischen Privatem und Job oft schwierig. Top-Manager denken irgendwann, sie sind die Firma und entwickeln ein gefährliches Selbstverständnis. Beim geringsten Zweifel: Lieber die Rechnung privat zahlen, gar nicht erst eine Angriffsfläche bieten.
Weil die normale Berufsrechtsschutzversicherung nur den Arbeits-, nicht aber den Vorstandsvertrag abdeckt und in einem Rechtsstreit schnell mittlere fünfstellige Beträge zusammenkommen, bevor die Klage überhaupt zugestellt wird, sollten Vorstände eine Manager-Rechtschutzversicherung abschließen. Ebenfalls zu empfehlen: eine Vorstandsversicherung gegen Strafrechtsschäden.
Compliance-Regelungen machen immer ausgefeiltere Kontrollsysteme nötig, die regelmäßig weiterentwickelt und überwacht werden müssen. Sonst droht wegen einer Pflichtverletzung die außerordentliche Kündigung. Oder – wie im Falle des Ex-Siemens-Vorstands Neubürger – eine Millionen-Schadensersatzforderung, wenn kein Whistleblowing-System eingerichtet wird.
Scheinbar kleine Verstöße – etwa keine ausreichende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder geringfügige Handlungen außerhalb der Geschäftsordnung einzuholen – können schwere Konsequenzen haben: sofortige Abberufung des Vorstands und fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags.
Nur wer jederzeit die nötigen Unterlagen zur Hand hat, kann den Vorwurf von Pflichtverletzungen rasch entkräften.
Betriebsrat und Sprecherausschuss können langfristig wichtige Verbündete zur Absicherung der eigenen Position sein.
Jedoch: Wenn ein Unternehmen den Vertrag mit seinem Vorstandschef nicht verlängert, bedeutet das ja noch lange nicht, dass der Kandidat nicht tatsächlich gerne auf seinem Posten geblieben und eine Verlängerung freudig unterschrieben hätte. Hierfür spricht insbesondere ihr Alter: Die Vorstandschefs waren laut Strategy&-Studie beim Ausscheiden aus ihrem Amt im Schnitt erst 56 Jahre alt und damit relativ jung.
Also keine Rede davon, dass die meisten wegen einer Altersgrenze aussteigen würden. Hinzukommt, dass die Vertragslaufzeiten von Vorständen in der Tendenz immer weiter gesunken sind und meist nur noch drei Jahre betragen – früher lag diese noch bei fünf Jahren.
Im Schnitt ist ein Vorstandschef heute nur noch sechs Jahre auf seinem Posten, belegt die Strategy&-Studie. Eine Schätzung, wie viele von den relativ jungen Vorstandschefs, deren Verträge einfach ausliefen, lieber verlängert hätten, gibt die Strategy&-Studie leider nicht her.
Ein interessantes Randergebnis der Studie: Weltweit gibt es bei den 2500 größten börsennotierten Unternehmen nur fünf Prozent Vorstandschefinnen. „Eine ernüchternde Zahl“, wie Klaus-Peter Gushurst, Partner und Sprecher der Geschäftsführung bei Strategy& findet.
Obendrein verlieren Frauen auch öfter ihren CEO-Posten: sind es bei den Männern in den vergangenen elf Jahren 25 Prozent, so sind es bei den Frauen 32 Prozent – bei vergleichbaren Profilen.