Vorstandschefs Jeder fünfte CEO wird vom Hof gejagt

Schleudersitz Chefsessel: Eine Studie belegt, dass mindestens 22 Prozent aller CEOs unfreiwillig ihren Posten räumen. Und die Ex-Vorstandschefs sind jung wie nie: Sie verlieren ihren Chefsessel im Schnitt mit 56 Jahren.

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Das sind Deutschlands mächtigste Aufsichtsräte
Platz 15 – Ekkehard SchulzAls der ehemalige Thyssen-Krupp-Chef als Aufseher beim Industriekonzern abtrat, schien sein Stern zu sinken. Doch Schulz, hier rechts im Bild mit dem verstorbenen Thyssen-Krupp-Patriarchen Berthold Beitz, ist in der neuen Studie der Universität Göttingen für das Handelsblatt wieder auf dem Vormarsch. Der Manager macht zwei Plätze gut und schafft es damit in die Top 15. Schulz sitzt bei Bayer, MAN und RWE im Aufsichtsrat. Er kommt auf 158 Punkte.Für die Studie haben Michael Wolff, Professor für Management und Controlling in Göttingen, und sein Team die Geschäftsberichte von 160 im Dax, MDax, SDax und TecDax notierten Konzerne ausgewertet. Analysiert wurden dabei 1022 Mandate der Kapitalseite.Jeder der 901 Aufsichtsräte wurde nach den drei Kriterien Reputation, Netzwerk und Status beurteilt. Maximal konnten jeweils 100 und insgesamt 300 Punkte erreicht werden. Die Studie berücksichtigt die Zahl der Mandate, die Bedeutung der Unternehmen, die Kontakte der Aufsichtsräte (Netzwerke) und ihren Status durch langjährige Tätigkeit oder intensive Ausschussarbeit. Quelle: Imago
Platz 14 – Michael DiekmannDer Allianz-Chef ist einer der Aufsteiger in der Rangliste der mächtigsten Aufsichtsräte. Diekmann ist Aufseher bei BASF, Linde und Siemens. Im Vergleich zum Vorjahr steigt der 60-Jährige um acht Plätze und kommt auf Platz 14. Mit 160 Punkten landet Diekmann zwei vor Schulz. Quelle: REUTERS
Platz 13 – Ann-Kristin AchleitnerVerbessert hat sich auch die einzige Frau in den Top 15: Ann-Kristin Achleitner rückt um zwei Plätze vor auf Rang 13. Die Frau von Deutschen-Bank-Chefaufseher Paul Achleitner sitzt bei Linde, Metro und Munich Re in den Aufsichtsgremien. In der Studie der Uni Göttingen sammelte sie 161 Punkte. Quelle: dpa
Platz 12 – Manfred SchneiderEinst war Manfred Schneider Vorsitzender von drei Dax-Aufsichtsräten. Doch mittlerweile zieht er sich altersbedingt zurück. Mit Posten als Aufseher bei Linde und RWE reicht es für den 76-Jährigen trotzdem noch für den zwölften Platz in der Rangliste mit 166 Punkten. Quelle: dpa
Platz 11 – Helmut PerletVersicherung, Bank und Anlagenbauer – Helmut Perlet ist quer durch verschiedene Branchen als Aufseher gefragt. Aktuell hat er ein Aufsichtsratsmandat bei der Allianz, bei der Commerzbank und bei Gea. Mit 167 Punkten in der Studie reicht das nicht mehr für die Top Ten, aber immerhin noch zu Rang elf. Quelle: REUTERS
Platz 10 – Klaus-Peter MüllerFür diesen Posten ist er bekannt: Klaus-Peter Müller (r.) als Commerzbank-Aufsichtsratschef mit Bankchef Martin Blessing. Weitere Mandate hat Müller bei Linde und Fresenius. Im Vergleich zum Vorjahr macht der Manager (174 Punkte ) sechs Plätze gut. Quelle: REUTERS
Platz 9 – Clemens BörsigAls Chefaufseher der Deutschen Bank ist Clemens Börsig abgetreten, doch mächtig ist er nach wie vor. 179 Punkte hat die Studie für den 65-Jährigen ermittelt, der bei Bayer, Daimler und Linde die Geschäfte beaufsichtigt. Das macht Rang neun. Quelle: REUTERS

Gut jeder fünfte Vorstandsvorsitzende musste im vergangenen Jahr – unfreiwillig oder ungeplant – seinen Posten räumen. 22 Prozent der Unternehmenslenker wurden gefeuert, wie die Unternehmensberatung Strategy& (ehemals Booz & Company) bei einer Analyse von 300 börsennotierten Unternehmen im deutschsprachigen Raum errechnete.

Demnach musste jeder zehnte Vorstands-Kapitän seinen Hut nehmen, weil er gescheitert war. Hierzu zählen Fälle mit schwierigen wirtschaftlichen Situationen, wie beispielsweise im Falle Roland Kochs bei Bilfinger. Nach mehreren Gewinnwarnungen musste der ehemalige hessische Ministerpräsident zurücktreten.

Die erfolgreichsten CEOs börsennotierter Großunternehmen

In anderen Fällen traute das Unternehmen dem Vorstandschef den geplanten Kurswechsel nicht mehr zu. Auch wenn der Vorstandschef eine Strafanzeige wegen eines Vorfalls im Job oder einen Compliance-Fall am Hals hat, kann er oft nicht länger im Amt bleiben. In zwölf Prozent der Fälle müssen die Chefs gehen, weil ihr Unternehmen übernommen wurde oder fusioniert hatte.

Eine Übernahme ist kein geplanter Abschied

78 Prozent der Vorstandschefs verschwanden von der Bildfläche, weil sie entweder die Altersgrenze erreichten oder ihre Verträge ausliefen – das gilt in der Studie von Strategy& damit als geplanter Wechsel. Selbst wenn ein Top-Manager bei einer Fusion oder Übernahme eine Change-of-Control-Klausel – das ist eine Ausstiegsklausel mit einem Wahlrecht - nutzen kann wie René Obermann: Er war erst wenige Wochen beim niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo, als der US-Riese Liberty Global das Unternehmen übernahm. Der Ex-Telekom-Chef entschied sich, die vertraglich vereinbarte Abfindung zu wählen und war ruckzuck wieder draußen – aber eben nicht geplant.

Arbeitsrecht für Vorstände

Jedoch: Wenn ein Unternehmen den Vertrag mit seinem Vorstandschef nicht verlängert, bedeutet das ja noch lange nicht, dass der Kandidat nicht tatsächlich gerne auf seinem Posten geblieben und eine Verlängerung freudig unterschrieben hätte. Hierfür spricht insbesondere ihr Alter: Die Vorstandschefs waren laut Strategy&-Studie beim Ausscheiden aus ihrem Amt im Schnitt erst 56 Jahre alt und damit relativ jung.

Also keine Rede davon, dass die meisten wegen einer Altersgrenze aussteigen würden. Hinzukommt, dass die Vertragslaufzeiten von Vorständen in der Tendenz immer weiter gesunken sind und meist nur noch drei Jahre betragen – früher lag diese noch bei fünf Jahren.

Im Schnitt ist ein Vorstandschef heute nur noch sechs Jahre auf seinem Posten, belegt die Strategy&-Studie. Eine Schätzung, wie viele von den relativ jungen Vorstandschefs, deren Verträge einfach ausliefen, lieber verlängert hätten, gibt die Strategy&-Studie leider nicht her.

Ein interessantes Randergebnis der Studie: Weltweit gibt es bei den 2500 größten börsennotierten Unternehmen nur fünf Prozent Vorstandschefinnen. „Eine ernüchternde Zahl“, wie Klaus-Peter Gushurst, Partner und Sprecher der Geschäftsführung bei Strategy& findet.

Obendrein verlieren Frauen auch öfter ihren CEO-Posten: sind es bei den Männern in den vergangenen elf Jahren 25 Prozent, so sind es bei den Frauen 32 Prozent – bei vergleichbaren Profilen.

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