Whistleblower in Unternehmen Hier ist Petzen ausdrücklich erwünscht

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Haltungswechsel gegenüber Whistleblowern

Auch die Deutsche Bahn wirbt bei ihren Mitarbeitern für ihr Whistleblower-System. „Wir wollen Hinweise bekommen, wenn etwas schiefläuft, und diesen nachgehen“, sagt Werner Grebe, Chief Compliance Officer der Deutschen Bahn. „Denn so können wir Schlüsse für die Zukunft ziehen und unser Unternehmen vor Wirtschaftskriminalität schützen.“

Selbst der ADAC beauftragte die Kanzlei Freshfields mit der Installation eines Systems, über das künftig anonym auf Missstände hingewiesen werden kann – als vertrauensbildende Maßnahme und um erkennbar einen Strich unter die Skandale um die gefälschten Rankings zu ziehen.

Dass die Unternehmen ihre Haltung gegenüber einst so verhassten Whistleblowern ändern, hat verschiedene Gründe – der offensichtlichste: dass es am Ende einfach viel zu teuer wird, interne Hinweise auf kriminelle Machenschaften zu ignorieren. Wenn eine Durchsuchung die nächste jagt, das Image leidet, viele Millionen Euro für anschließende Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer, Anwälte und andere Berater fällig werden, ganze Managementebenen gehen müssen und viele Millionen Euro Bußgeld fällig sind. Nach einer Berechnung des Bundeskriminalamts erlitten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr durch kriminelle Machenschaften Schäden in Höhe von mehr als 3,8 Milliarden Euro.

Hinzu kommt: Zahlreiche Delikte kommen mithilfe von Tippgebern überhaupt erst oder zumindest sehr viel schneller ans Licht. Dasselbe gilt für Verstöße von Mitarbeitern und Führungskräften gegen interne Verhaltensregeln, die Verletzung von Reiserichtlinien bis hin zu Mobbing oder Diskriminierung.

Börsenaufsicht lockt mit Belohnungen

Internationale Konzerne sind dazu oft schon wegen gesetzlicher Vorschriften aus dem Land ihrer Muttergesellschaft verpflichtet. Und deutsche Unternehmen, die an der US-Börse gelistet sind, müssen die Whistleblower-Regularien der SEC umsetzen. Die US-Börsenaufsicht lockt seit einiger Zeit Tippgeber mit einem einfachen, aber wirksamen Mittel: Geld. Informanten, die mit ihrem Tipp entscheidend zur Aufklärung eines Betrugsfalls beitragen, können mit einer Belohnung rechnen, die bis zu 30 Prozent der von der SEC verhängten Strafe beträgt. Und das können schon mal hohe zweistellige Millionenbeträge sein.

Schließlich haben Top-Manager auch ihre eigene Sicherheit im Visier: Vorstände, die kein Compliance-System installieren, Hinweisgebersystem und regelmäßige Schulungen inklusive, gefährden mit ihrer Sorglosigkeit ihre Existenz. So wie bei Ex-Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, der im Zuge der Aufarbeitung des Schmiergeldskandals bei dem Industriekonzern wegen Organisationsverschulden zu 15 Millionen Euro Schadensersatz aus seinem Privatvermögen verurteilt wurde. Die wegweisende Begründung der Richter: „Die Einrichtung eines mangelhaften Compliance-Systems und auch dessen unzureichende Überwachung bedeutet eine Pflichtverletzung.“ Weder könne sich ein Vorstand damit verteidigen, dass die Straftat im Verantwortungsbereich eines anderen Vorstandskollegen – und nicht in seinem – passiert sei. Noch damit, dass er nichts gewusst habe oder er von seinen Vorstandskollegen überstimmt würde.

Die Folgen solcher Nachlässigkeit sind auch für das Unternehmen enorm: Landet doch in manchen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen mittlerweile in einem Korruptionsregister, wer wegen Betrug, Korruption oder unzulässiger Preisabsprachen verurteilt wurde. Auch ein bundesweites Korruptionsregister haben die Justizminister der Länder bereits beschlossen, es wird nicht nur künftige, sondern auch alle bereits heute bekannten Fälle auflisten.

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