Whistleblower in Unternehmen Hier ist Petzen ausdrücklich erwünscht

Unternehmen bieten Mitarbeitern gezielt Möglichkeiten, Bestechung, falsche Abrechnungen oder Korruption anonym zu melden. Das spart nicht nur Millionen - sondern schützt das Top-Management vor Klagen.

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NSA speicherte mehr als 300 Berichte über Merkel
29. März 2014Der US-Geheimdienst NSA hat nach einem Medienbericht in einer Datenbank über 100 Staats- und Regierungschefs offiziell als Spionageziele erfasst, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Allein über Merkel seien mehr als 300 Berichte gespeichert, berichtet „Der Spiegel“ unter Berufung auf ein geheimes NSA-Dokument aus dem Archiv des Informanten Edward Snowden. Das Dokument belege, dass die National Security Agency (NSA) nachrichtendienstliche Erkenntnisse über die Kanzlerin gesammelt habe, und könnte damit ein wichtiges Beweisstück für die Bundesanwaltschaft sein, heißt es weiter. Diese wolle in Kürze entscheiden, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Spionage einleitet. Die Karlsruher Behörde beschäftigt sich mit zwei Vorwürfen. Einer betrifft das massenhafte Ausspähen der Bürger in Deutschland, der andere den konkreten Punkt, dass ein Mobiltelefon Merkels abgehört worden sein soll. Sollte tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, erwarten Experten neuen Ärger mit den USA. Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte Tausende Geheimdokumente an Journalisten übergeben und so den NSA-Skandal losgetreten. Das Dokument, das „Der Spiegel“ einsehen konnte, liste allem Anschein nach alphabetisch 122 Staats- und Regierungschefs auf, über die die NSA im Mai 2009 Informationen gesammelt habe, heißt es. Zwölf Namen seien exemplarisch aufgeführt, darunter Merkel. Die Liste beginne bei A wie Abdullah Badawi, dem damals gerade zurückgetretenen malaysischen Ministerpräsidenten. Nummer 122 sei - von der NSA mit Y geschrieben - Julia Timoschenko, 2009 noch ukrainische Premierministerin. Das Magazin berichtet auch über ein weiteres Dokument aus der NSA-Abteilung „Special Sources Operations“, die für den Zugang zu den großen Internettrassen zuständig sei. Daraus gehe hervor, dass das für NSA-Anträge zuständige US-Sondergericht den Geheimdienst am 7. März 2013 autorisiert habe, Deutschland zu überwachen. Welche Daten davon genau betroffen seien, lasse sich anhand des Dokumentes nicht sagen. „Der Spiegel“ beruft sich aber auf die Einschätzung der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Aclu. Diese geht demnach davon aus, dass der NSA damit der Zugriff auf die Kommunikation aller deutschen Staatsbürger erlaubt ist. Quelle: dpa
19. März 2014Die NSA kann einem Zeitungsbericht zufolge sämtliche Telefongespräche eines Landes aufnehmen und 30 Tage lang anhören. Das Programm mit dem Namen Mystic sei im Jahr 2009 gestartet worden und 2011 erstmals gegen einen Staat in vollem Umfang eingesetzt worden, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf Personen, die mit dem System vertraut sind, sowie auf Dokumente des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Auf Wunsch der Behörden hält das Blatt demnach Einzelheiten zurück, damit der betroffene Staat und potenzielle weitere Zielländer nicht identifiziert werden können. Ein Verantwortlicher verglich das Programm dem Bericht zufolge mit einer Zeitmaschine, weil jeder Anruf erneut abgespielt werden kann. Auf eine bestimmte Zielperson müsse man sich vorher nicht festlegen. Quelle: dpa
17. Januar 2014Die NSA kann laut einem neuen Zeitungsbericht fast 200 Millionen SMS-Nachrichten pro Tag abgreifen. Das gehe aus einem Dokument aus dem Jahr 2011 hervor, berichtete die britische Zeitung „Guardian“ am Donnerstagabend. Das Programm mit dem Namen „Dishfire“ sammele wahllos „so ziemlich alles, was es kann“, gehe aus Papieren des britischen NSA-Partnerdienstes GCHQ hervor. Die Geheimdienste fischten aus den Kurznachrichten Informationen etwa über Reisepläne, Adressbücher oder Finanz-Transaktionen, hieß es. Außerdem gäben zum Beispiel Benachrichtigungen über entgangene Anrufe Informationen über den Bekanntenkreis eines Nutzers. Jeden Tag sammele die NSA den Unterlagen zufolge mehr als fünf Millionen davon ein. Genauso wiesen 1,6 Millionen registrierte Roaming-Benachrichtigungen auf Grenzübertritte hin. Ebenso seien aus mehr als 76 000 Kurznachrichten Geodaten extrahiert worden. Der Präsentation von 2011 zufolge wurden an einem Beispieltag 194 Millionen SMS-Nachrichten eingesammelt, schrieb die Zeitung. Ein weiteres Dokument gebe einen Eindruck von der Auswertungskapazität des Systems: Die Geheimdienst-Analysten würden darin aufgefordert, nach nicht mehr als 1800 Telefonnummern gleichzeitig zu suchen. Die Dokumente stammten aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden und seien 2012 von einer Seite mit Anleitungen zum „Dishfire“-System für GCHQ-Mitarbeiter heruntergeladen worden. Das System sei zu diesem Zeitpunkt im Einsatz gewesen. Quelle: dpa
3. Januar 2014Der US-Geheimdienst NSA will einem US-Medienbericht zufolge einen Supercomputer entwickeln, der in der Lage sein soll, fast alle Verschlüsselungen weltweit zu knacken. Die "Washington Post" berichtete der Computer solle die Sicherheitsbarrieren so gut wie aller Einrichtungen weltweit überwinden können, von Regierungen über Banken bis hin zu geheimen Forschungseinrichtungen und etwa medizinischen Daten von Patienten. Quelle: AP
29. Dezember 2013Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen des „Spiegel“ zahlreiche kommerzielle IT-Produkte geknackt und Schwachstellen für Spionagezwecke ausgenutzt. Darunter seien auch Produkte großer amerikanischer Firmen wie Microsoft,Cisco oder Dell, außerdem solche der chinesischen Firma Huawei, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner neuen Ausgabe. Das gehe aus Dokumenten des Informanten Edward Snowden hervor, die der „Spiegel“ ausgewertet habe. Die Unterlagen legten nahe, dass dies ohne das Wissen oder die Unterstützung der betroffenen Unternehmen passiert sei. Über das weltweit kritisierte NSA-Spähprogramm NSA streitet die US-Justiz. Quelle: dpa
21. Dezember 2013Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zehn Millionen Dollar an die Internetsicherheitsfirma RSA gezahlt, damit ein von ihm entwickeltes Verschlüsselungssystem als Kern der RSA-Sicherheitssoftware Bsafe genutzt wird. Die RSA hatte bereits im September nach den Enthüllungen über Spähaktionen der NSA eine Warnung zu ihrer Software Bsafe veröffentlicht. Darin sei ein Werkzeug zur Generierung von Zufallszahlen enthalten, die auf einer von der NSA mitentwickelten schwachen Formel basiere, erklärte das Unternehmen. Möglicherweise hat sich die NSA mit dem von ihr entwickelten Zufallsgenerator eine Hintertür geschaffen, um verschlüsselte Verbindungen ausspähen zu können. Quelle: dpa
15. Dezember 2013Die NSA kann nach neuen Enthüllungen massenhaft Handy-Gespräche abhören. Dabei nutze der US-Geheimdienst aus, dass die rund 30 Jahre alte Verschlüsselung des Mobilfunk-Standards GSM geknackt sei, schrieb die „Washington Post“ unter Berufung auf Unterlagen des Informanten Edward Snowden. Mit dieser Fähigkeit dürften auch die Gespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden sein. Quelle: dpa

Dass er im Internet auf das Werbevideo stieß, war reiner Zufall. Misstrauisch wurde er sofort: Wurden in dem Spot doch Produkte angeboten, die dem Mitarbeiter des Automobilherstellers Daimler sehr bekannt vorkamen: Steuerungseinheiten für Lkw-Motoren, für rund 450 Euro pro Stück. Gut erkennbar waren in diesem Video nicht nur Form und Funktion der Produkte, sondern auch ihre Teilenummern. Woraus der Mann nicht nur schloss, dass sie aus der Daimler-eigenen Produktion stammen mussten. Sondern auch, dass exakt diese Geräte im Bestand seines Arbeitgebers fehlten.

Der Mann meldete seinen Verdacht unverzüglich – über ein Informationssystem, das Daimler eigens für solche Fälle installiert hatte. Und trug so entscheidend dazu bei, den Dieb zu überführen. Die Folge: Entlassung des klauenden Kollegen und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Millionenbuße gegen Briefumschlag-Hersteller
BriefumschlägeVerbraucher in Europa haben jahrelang zu viel für Briefumschläge gezahlt. Wegen unerlaubter Zusammenarbeit mit Konkurrenten müssen der Heilbronner Briefumschlag-Hersteller Mayer-Kuvert und vier weitere Firmen ein Bußgeld von insgesamt fast 19,5 Millionen Euro zahlen, entschied die Brüsseler EU-Kommission am 11. Dezember 2014. Auf Mayer-Kuvert entfallen dabei knapp 5 Millionen Euro. Ebenfalls an dem Kartell beteiligt waren die schwedische Firma Bong, der spanische Hersteller Tompla sowie GPV und Hamelin aus Frankreich. Mayer-Kuvert hat inzwischen GPV übernommen. Die Firmen haben sich nach Erkenntnissen der EU-Kommission von Oktober 2003 bis April 2008 abgesprochen - Hamelin stieß allerdings erst im November 2003 dazu. „Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedsstaaten vereinbart“, so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Das Kartell wurde von Top-Managern betrieben.“ Quelle: dpa
LebensmittelkonservenVerbraucher in ganz Europa haben mehr als ein Jahr lang zu viel für Pilzkonserven bezahlt. Die Hersteller Bonduelle, Prochamp und Lutèce haben ab September 2010 Preise abgesprochen und den Markt untereinander aufgeteilt. Die EU-Kommission verhängte deshalb im Juni 2014 gegen die französische Firma Bonduelle eine Geldstrafe in Höhe von 30,2 Millionen Euro, auf Prochamp aus den Niederlanden entfallen zwei Millionen Euro - das Unternehmen profitiert von einer Minderung der Strafe um 30 Prozent, weil es mit der EU-Kommission kooperierte. Lutèce aus den Niederlanden kommt ungeschoren davon, da es die Wettbewerbshüter auf die unerlaubte Zusammenarbeit aufmerksam machte. Betroffen waren Pilze in Dosen und Gläsern, die als Eigenmarken des Handels verkauft wurden. Quelle: Screenshot
BiermarktDas Kartellamt hat im April 2014 entschieden: 231,2 Millionen Euro Bußgeld müssen die Brauereien zahlen. Mitte Januar 2013 hatte das Bundeskartellamt bereits Bußgelder in Höhe von 106,5 Millionen Euro verhängt. Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagt, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich Brauereien nach diesem Verfahren noch einmal in Absprachen wagen würden. Es geht um Vorgänge aus den Jahren 2006 bis 2008. Betroffen sind unter anderem Bitburger, Krombacher, Veltins und Warsteiner. Die Branche soll Preiserhöhungen für Fass- und Flaschenbier abgesprochen haben. Bei Flaschenbier sei dabei der Preis für einen Kasten Bier 2008 um einen Euro gestiegen. Das Kartellverfahren geht auf Informationen des Beck's-Herstellers Anheuser-Busch InBev Germany zurück, der als Kronzeuge ohne Geldbuße bleibt. Mit dem neu verhängten Bußgeld addiert sich die Summe auf fast 340 Millionen Euro auf - eine der höchsten Strafe in der Geschichte des Kartellamtes. Die auf Ernährung spezialisierte Verbraucherschützerin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg bezifferte den Schaden allein durch die Absprachen über das Flaschenbier in einem Jahr - grob geschätzt - auf über 400 Millionen Euro. Quelle: dpa
KugellagerDie EU-Kommission hat im März 2014 gegen den Autozulieferer Schaeffler und mehrere andere Firmen wegen verbotener Preisabsprachen bei Kugellagern ein Bußgeld von insgesamt fast einer Milliarde Euro verhängt. Die höchste Strafe entfalle auf Schaeffler mit 370,5 Millionen Euro, teilten die Wettbewerbshüter mit. Der schwedische Konzern SKF müsse 315,1 Millionen Euro zahlen. Zudem seien mehrere japanische Firmen verdonnert worden. Das Kartell habe von 2004 bis 2011 Preise abgesprochen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei TapetenHeimwerker haben nach Ermittlungen des Bundeskartellamtes von Ende Februar 2014 jahrelang zu viel Geld für Tapeten bezahlt. Die Bonner Wettbewerbsbehörde verhängte gegen vier Hersteller und ihren Verband wegen unerlaubter Preisabsprachen Bußgelder in Höhe von 17 Millionen Euro. Zwischen 2005 und 2008 hätten die in Deutschland führenden Unternehmen zu Lasten ihrer Kunden auf Verbandstagungen Preiserhöhungen abgesprochen, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Auf den Marktführer A.S. Création Tapeten AG entfällt allein eine Summe von 10,5 Millionen Euro. In einer Pflichtmitteilung an die Börse kündigte das Gummersbacher Unternehmen an, beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Einspruch gegen den Bescheid des Kartellamtes einzulegen. Die Behörde habe die Argumente, die gegen kartellrechtliche Verstöße sprechen, nicht ausreichend gewürdigt. Außerdem sei die Höhe der Bußgelder unangemessen, hieß es zur Begründung. Die Tapetenfabrik Rasch, die den Fall als Kronzeuge ins Rollen gebracht hatte, kam in den Genuss der Bonusregelung und damit ohne Geldbuße davon. Neben A.S. Création wurden auch gegen die Marburger Tapetenfabrik Schaefer, Erismann (Breisach), Pickhardt + Siebert (Gummersbach) und den Verband Deutscher Tapetenfabriken Geldbußen verhängt. In dem Fall sei eine Funktion dazu missbraucht worden, die Absprache der Hersteller aktiv zu unterstützen, betonte Mundt. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei Haushalts- und Industriezucker Das Bundeskartellamt hat im Februar 2014 gegen drei große deutsche Zuckerhersteller wegen verbotener Absprachen Bußgelder in Höhe von rund 280 Millionen Euro verhängt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Unternehmen Pfeifer & Langen, Südzucker und Nordzucker vor, sich über viele Jahre hinweg über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen zu haben. Ziel sei es gewesen, möglichst hohe Preise für Haushalts- und Industriezucker zu erzielen. Teilweise sei es durch die Kartellrechtsverstöße nach Aussagen von Industriekunden zu erheblichen Preissteigerungen und sogar zu Versorgungsengpässen gekommen. Quelle: dpa
Preisabsprachen bei GummiteilenWegen jahrelanger Preisabsprachen bei Gummiteilen muss der Autozulieferer Bridgestone eine Strafe von 425 Millionen Dollar (311 Millionen Euro) zahlen. Das Justizministerium geht seit einiger Zeit scharf gegen Kartelle in der Autozulieferbranche vor. Insgesamt 26 Firmen haben sich schuldig bekannt oder angekündigt, dies zu tun. Die Strafen summieren sich mittlerweile auf mehr als zwei Milliarden Dollar. Bridgestone trifft es nun besonders hart, weil das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren schon einmal für Absprachen belangt wurde und damals mit 28 Millionen Dollar büßte. Bridgestone verdient sein Geld zwar weiterhin überwiegend mit Reifen, produziert jedoch unter anderem auch Fahrwerkskomponenten. Im Fall von Februar 2014 ging es um Gummiteile, die zur Schwingungsdämpfung im Auto eingesetzt werden. Die Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern haben nach Erkenntnissen der US-Justiz von Anfang 2001 bis Ende 2008 gedauert. Zu den Geschädigten gehörten demnach unter anderem die Autobauer Toyota und Nissan. Sie haben auch Werke in den USA. Bridgestone kündigte an, dass die beteiligten Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden. Zugleich versicherte das Unternehmen, dass das Management nichts gewusst habe. Führungskräfte würden auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, „um das aufrichtige Bedauern für diesen Vorfall zu unterstreichen“, wie Bridgestone erklärte. Quelle: dapd

Ob der Whistleblower die Telefonhotline des Autobauers nutzte, eine Mail direkt an die Compliance-Abteilung schickte, ein Internet-Formular ausfüllte oder die Frankfurter Rechtsanwältin Regina Michalke ansprach, die Daimler als neutrale externe Anlaufstelle für Mitarbeiter installiert hat, denen interne Vorgänge im Unternehmen verdächtig vorkommen, verrät Daimler nicht. Ebenso wenig wie die Höhe des Schadens oder gar den Namen des aufmerksamen Mitarbeiters, der den Schaden gemeldet hatte.

700 Hinweise in einem Jahr

„Genauso wichtig wie der Schutz der Betroffenen ist für uns auch der Schutz der Hinweisgeber“, sagt Wolfgang Herb, bei Daimler verantwortlicher Manager für Compliance – also dafür, dass gesetzliche und unternehmensinterne Vorschriften von allen Mitarbeitern eingehalten werden. „Nur so können die Mitarbeiter dem Hinweisgebersystem vertrauen und zur Aufklärung von Fehlverhalten beitragen.“

Die weltweite Daimler-Hotline ist aus 39 Ländern erreichbar, die Mitarbeiter können Verdächtiges in 24 verschiedenen Sprachen melden. Gut 700 Hinweise gingen in Herbs Abteilung im vergangenen Jahr ein, von denen die große Mehrheit zwar wegen Bedeutungslosigkeit nicht weiter verfolgt oder unkompliziert etwa über die Personalabteilung gelöst wurde. Immerhin 25 dieser Meldungen aber trugen entscheidend dazu bei, schwerwiegende juristische Verstöße aufzudecken, zu verfolgen und abzustellen – von verletzten Rechnungslegungsvorschriften über Kartellverstöße bis hin zu Bestechungsdelikten. „Unser Hinweisgebersystem wird von der Belegschaft zunehmend stärker akzeptiert“, sagt Herb, „auch durch die öffentliche Wirkung von Whistleblowern wie Edward Snowden.“

Viele kleine Snowdens

Ob Bestechung oder Bestechlichkeit, Diebstahl, Unterschlagung, Betrug oder Kartellvergehen: Unternehmen auch in Deutschland bauen auf die Wachsamkeit vieler kleiner Snowdens. Statt sie, wie es etwa Ex-Mahlo-Personalmanager Georg Wiesbeck erfahren musste, als Denunzianten zu diffamieren, bieten ihnen die meisten Unternehmen mittlerweile eine Vielzahl von Kanälen, um ihre Verdächtigungen zu offenbaren: vom profanen Briefkasten über Telefon-Hotlines und Web-Formulare bis hin zu Anwaltskanzleien, die sich als externe Anlaufstelle anbieten und mit ihrer anwaltlichen Schweigepflicht werben. Ausgefeilte technische Systeme machen es möglich, dass Tippgeber anonym bleiben, die Unternehmen aber trotzdem Rückfragen an die Informanten stellen können.

„Die großen Unternehmen haben alle Hinweisgebersysteme“, bestätigt Stefan Heissner, Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität in Unternehmen der internationalen Beratungsgesellschaft EY. Von einem 34-Mann-Team vor acht Jahren ist sie in Deutschland auf 130 Mitarbeiter angewachsen, in Europa kümmern sich insgesamt 400 Mitarbeiter darum, Kunden bei der Aufklärung interner krimineller Machenschaften zu unterstützen.

Haltungswechsel gegenüber Whistleblowern

Auch die Deutsche Bahn wirbt bei ihren Mitarbeitern für ihr Whistleblower-System. „Wir wollen Hinweise bekommen, wenn etwas schiefläuft, und diesen nachgehen“, sagt Werner Grebe, Chief Compliance Officer der Deutschen Bahn. „Denn so können wir Schlüsse für die Zukunft ziehen und unser Unternehmen vor Wirtschaftskriminalität schützen.“

Selbst der ADAC beauftragte die Kanzlei Freshfields mit der Installation eines Systems, über das künftig anonym auf Missstände hingewiesen werden kann – als vertrauensbildende Maßnahme und um erkennbar einen Strich unter die Skandale um die gefälschten Rankings zu ziehen.

Dass die Unternehmen ihre Haltung gegenüber einst so verhassten Whistleblowern ändern, hat verschiedene Gründe – der offensichtlichste: dass es am Ende einfach viel zu teuer wird, interne Hinweise auf kriminelle Machenschaften zu ignorieren. Wenn eine Durchsuchung die nächste jagt, das Image leidet, viele Millionen Euro für anschließende Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer, Anwälte und andere Berater fällig werden, ganze Managementebenen gehen müssen und viele Millionen Euro Bußgeld fällig sind. Nach einer Berechnung des Bundeskriminalamts erlitten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr durch kriminelle Machenschaften Schäden in Höhe von mehr als 3,8 Milliarden Euro.

Hinzu kommt: Zahlreiche Delikte kommen mithilfe von Tippgebern überhaupt erst oder zumindest sehr viel schneller ans Licht. Dasselbe gilt für Verstöße von Mitarbeitern und Führungskräften gegen interne Verhaltensregeln, die Verletzung von Reiserichtlinien bis hin zu Mobbing oder Diskriminierung.

Börsenaufsicht lockt mit Belohnungen

Internationale Konzerne sind dazu oft schon wegen gesetzlicher Vorschriften aus dem Land ihrer Muttergesellschaft verpflichtet. Und deutsche Unternehmen, die an der US-Börse gelistet sind, müssen die Whistleblower-Regularien der SEC umsetzen. Die US-Börsenaufsicht lockt seit einiger Zeit Tippgeber mit einem einfachen, aber wirksamen Mittel: Geld. Informanten, die mit ihrem Tipp entscheidend zur Aufklärung eines Betrugsfalls beitragen, können mit einer Belohnung rechnen, die bis zu 30 Prozent der von der SEC verhängten Strafe beträgt. Und das können schon mal hohe zweistellige Millionenbeträge sein.

Schließlich haben Top-Manager auch ihre eigene Sicherheit im Visier: Vorstände, die kein Compliance-System installieren, Hinweisgebersystem und regelmäßige Schulungen inklusive, gefährden mit ihrer Sorglosigkeit ihre Existenz. So wie bei Ex-Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, der im Zuge der Aufarbeitung des Schmiergeldskandals bei dem Industriekonzern wegen Organisationsverschulden zu 15 Millionen Euro Schadensersatz aus seinem Privatvermögen verurteilt wurde. Die wegweisende Begründung der Richter: „Die Einrichtung eines mangelhaften Compliance-Systems und auch dessen unzureichende Überwachung bedeutet eine Pflichtverletzung.“ Weder könne sich ein Vorstand damit verteidigen, dass die Straftat im Verantwortungsbereich eines anderen Vorstandskollegen – und nicht in seinem – passiert sei. Noch damit, dass er nichts gewusst habe oder er von seinen Vorstandskollegen überstimmt würde.

Die Folgen solcher Nachlässigkeit sind auch für das Unternehmen enorm: Landet doch in manchen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen mittlerweile in einem Korruptionsregister, wer wegen Betrug, Korruption oder unzulässiger Preisabsprachen verurteilt wurde. Auch ein bundesweites Korruptionsregister haben die Justizminister der Länder bereits beschlossen, es wird nicht nur künftige, sondern auch alle bereits heute bekannten Fälle auflisten.

Täter halten zu sehr zusammen

„Mitarbeiter, die Straftaten ausüben, können zum Überlebensrisiko für die gesamte Firma werden“, sagt Vergaberechtlerin Ute Jasper von der Kanzlei Heuking Kühn. „Denn diese Unternehmen können unter Umständen noch jahrelang von Wettbewerben um öffentliche Aufträge ausgeschlossen werden.“

Auch das Bundeskartellamt will es Tippgebern so leicht wie möglich machen und hat vor zwei Jahren ein elektronisches System für anonyme Hinweise auf Kartelle auf seiner Homepage installiert. Es garantiert den Whistleblowern Anonymität, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, den Tippgeber über einen geschützten elektronischen Briefkasten zu kontaktieren. Auf diesem Weg kam auch der jüngste große Fall ans Licht: das Wurstkartell, bei dem bis zu 21 Produzenten 338 Millionen Euro an Bußgeld zahlen sollen.

„Gerade bei Korruptionsdelikten kommt man ohne Angebote für Leute, die sich offenbaren und Schutz suchen, nicht weiter“, sagt EY-Korruptionsexperte Heissner. „Dafür halten die Täter zu sehr zusammen.“

Diese Erfahrung durfte etwa die Deutsche Bahn machen – mit 20 Milliarden Euro Einkaufsvolumen und 16.000 Geschäftspartnern eines der komplexesten Unternehmen Deutschlands. Einer dieser besagten Geschäftspartner hatte jahrelang den Auftrag, im Winter die Schienen von Eis und Schnee frei zu halten – an 2452 Einzelflächen an 801 Stationen in vier Bundesländern. Obwohl sich die Mitarbeiter im Räumdienst zu Einsatzbeginn via Handy und GPS bei der Datenbank der Bahn an- und abmelden müssen, passten die Stundennachweise nicht zu den Angaben in der Datenbank. 1,2 Millionen Euro hatte die Firma für ihre vielen Einsätze nachgefordert. Erst durch den Tipp eines Mitarbeiters dieses Auftragnehmers kam die Bahn ihrem Geschäftspartner auf die Schliche – der Dienstleister hatte oft mehr Mitarbeiter abgerechnet als eingesetzt, kassierte selbst an Tagen, an denen überhaupt kein Schnee lag. Die Bahn fordert jetzt 200.000 Euro zurück, der Fall ist vor Gericht.

Wie deutsche Unternehmen durch Wirtschaftskriminalität geschädigt wurden. Von 2006 bis 2013

Manch wertvoller Tipp kommt insbesondere über Tochtergesellschaften oder Joint Ventures im Ausland, die weit weg von der Unternehmenszentrale in Deutschland agieren und schwer aufzudecken sind: etwa wenn vor Ort ein krimineller Statthalter den Bau einer Straße zum Werksgelände in der Kalkulation versteckt – diese aber nie gebaut wird.

Hotlines für Mandarin

Wie wichtig es ist, dass die Hotlines auch Anrufer verstehen, die Mandarin, Polnisch, Tschechisch oder Italienisch sprechen, zeigt ein Fall der Deutschen Telekom: In der Konzernzentrale meldete sich eine Frau, die gerade von einer osteuropäischen Tochtergesellschaft des Telekommunikationskonzerns entlassen worden war. Anfangs verstand niemand ihre Sprache, dann aber entpuppte sich der Anruf als hochbrisant. Bekam die Hotline über die Frau doch wertvolle Hinweise auf die korrupten Machenschaften des gesamten dortigen Führungsteams. Die Frau – deren Namen aus Sicherheitsgründen nicht einmal die Compliance-Abteilung des Konzerns kennt und die deshalb auch nicht als Zeugin vor Gericht aussagen soll – wurde wieder eingestellt, die Manager vor Ort restrukturierten sie aus Rache sofort weg – vorgeblich betriebsbedingt. Tatsächlich war das nachfolgende Management noch mafiöser als das erste und von diesem zuvor bereits geschickt in Stellung gebracht worden. Das Top-Management wurde zum zweiten Mal ausgewechselt, der Compliance-Manager vor Ort hat bis heute alle Hände voll zu tun.

Hinweise müssen extrem vorsichtig behandelt werden

Nicht immer landen Compliance-Verantwortliche solche Volltreffer. Immer wieder finden sich unter den Hinweisgebern schlicht Miesepeter, die einfach mal über die Qualität des Kantinenessens meckern wollen. Um solche Berufsnörgler möglichst rasch auszusieben, müssen etwa die fünf Mitarbeiter der Whistleblower-Hotline bei der Deutschen Telekom immer die gleichen sechs Kontrollfragen stellen, bevor sie ernsthaft in die Vorwürfe einsteigen: Was geschah, wer war beteiligt, wo ist es geschehen, wann, wie und warum?

Erst wenn die Antworten auf diesen Fragenkatalog einen Anfangsverdacht rechtfertigen, wird ein Fall dem zuständigen Fachbereich zur Bewertung vorgelegt. Oder entschieden, ob er gar dem Vorstand gemeldet werden muss.

„Hinweise von Whistleblowern müssen extrem vorsichtig und professionell behandelt werden“, bestätigt Jörn Weber, Chef der Sicherheitsberatung Corma aus Mönchengladbach, der Unternehmen wie Hewlett-Packard oder Ergo betreut.

Der ehemalige Kriminalkommissar erzählt von einer Facility-Managerin, die über die Hotline ihres Arbeitgebers in Süddeutschland der Bestechlichkeit bezichtigt wurde. Die Hotline war nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für Geschäftspartner zugängig, der Tipp kam anonym. Die Frau wurde freigestellt, Weber mit der Aufklärung beauftragt. Nach zwei Wochen hatte er herausgefunden, dass nicht sie die Korrupte war, sondern ihr Vorgänger in diesem Job. Angeschwärzt hatte sie ein rachsüchtiger Lieferant, der von der Managerin gerade ausgelistet worden war, aber noch Zugang zum Firmen-Intranet hatte. Er hatte von den rechtswidrigen Vergabepraktiken des Vorgängers profitiert und sah sich nun abserviert.

Korruptes Umfeld beseitigen

Manche Unternehmen bekommen über ihre eigene Hotline gar einen Hinweis darauf, dass sie selbst Opfer von Kartellen sind. Die Deutsche Bahn erfuhr im vergangenen Jahr auf diesem Weg, dass 16 Personaldienstleister bei den Brandschutzsanierungen von fünf S-Bahnhöfen im Münchner Zentrum verbotene Wettbewerbsabsprachen getroffen hätten. Das Unternehmen meldete selbst den Verdacht der Staatsanwaltschaft, der Schaden soll sich auf einen siebenstelligen Euro-Betrag belaufen, das Verfahren läuft noch.

Wie auch immer dieses oder andere Verfahren ausgehen, die durch die Informationen eines Tippgebers ins Rollen gebracht wurden: Letztlich sollten diese Gerichtsurteile den Anstoß geben für einen ganz grundlegenden internen Reformprozess.

„Juristisch betrachtet müssen Straftäter belangt werden, der Richter kann ja keine Unternehmenskultur ins Gefängnis bringen“, sagt Guido Palazzo, Professor für Unternehmensethik an der Universität Lausanne . „Juristen und Unternehmensspitze müssen besser verstehen, weshalb Mitarbeiter Regeln brechen, Sie müssen fragen, wer ein solch korruptes Umfeld geschaffen hat. Denn letztlich sollte die Möglichkeit, Kollegen anonym zu verpfeifen, nur der Anfang eines tief greifenden Kulturwandels sein.“

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