Widerspruch Schleimer gefährden den Unternehmenserfolg

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Das Problem mit der Gefolgschaft

Das klingt einleuchtend, ist aber im Unternehmensalltag selten. Vor ein paar Jahren haben die US-Wirtschaftswissenschaftler Chad Higgins und Timothy Judge in einer Studie mit 116 Studenten untersucht, welche Kandidaten im Vorstellungsgespräch die besten Aussichten auf einen Job haben. Das Ergebnis: Süßholzraspler wurden deutlich besser beurteilt als die Kandidaten, die nur von ihren eigenen Stärken schwärmten. Vor allem, wenn es um die Frage ging, ob der Kandidat in das Unternehmen passe, entschieden sich die Verantwortlichen deutlich häufiger für die Schleimer.

Klingt übel, ist aber menschlich.

Was passiert, wenn sich Jasagertum im Unternehmen ausbreitet, kann auch Roland Engehausen erzählen. Der 47-Jährige kam im Februar 2014 als einer von zwei gleichberechtigten Vorständen zur Krankenkasse IKK Südwest. Dort traf er auf Mitarbeiter, die ihm partout nicht widersprechen, geschweige denn den neuen Chef kritisieren wollten. Das Vermächtnis seines Vorgängers, der von seinen Mitarbeitern „persönliche Gefolgschaft“ verlangte. Mit der Folge, dass Engehausen Arbeitsaufträge gar nicht zu Ende formuliern konnte – schon fielen ihm seine Mitarbeiter ins Wort und versicherten ihm, dass sie es natürlich sofort erledigen. „Dies ging so nicht weiter“, sagt Engehausen. „Die Kollegen konnten ja noch gar nicht wissen, was ich genau von ihnen will.“

So fühlt sich Deutschlands Chefetage
hochgereckte Daumen Quelle: Fotolia
ein Manager schaut auf die Uhr Quelle: Fotolia
Dauernd erreichbar Quelle: Fotolia
Krank arbeiten Quelle: Fotolia
GesundheitsbewusstAn sich die Vorgesetzten jedoch gesundheitsbewusst. Die große Mehrheit, nämlich 86 Prozent, isst regelmäßig Obst, Gemüse und Fisch, 77 Prozent verzichten während der Woche auf Alkohol, 73 Prozent gehen regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen und 65 Prozent zu Rundum-Gesundheitschecks. Auch raucht die Mehrheit nicht (64 Prozent) und immerhin 58 Prozent treiben zwei Mal oder öfter pro Woche Sport. Nur 22 Prozent sagen, dass sie wenig Zeit für körperliche Betätigung haben. "Lifestyle ist zum Healthstyle geworden, auch bei unseren Kunden erkenne ich, dass eine gesunde Lebensweise gerade bei Menschen, die hochrangige Posten besetzen, immer bedeutsamer wird", fasst Stein zusammen. Quelle: Fotolia
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Glückliches Leben Quelle: Fotolia

Um diesen absurden Korpsgeist aufzubrechen, holte sich Engehausen Hilfe von außen und engagierte Markus Schmitt vom Eichenberg Institut. Der analysierte gemeinsam mit Engehausens Mitarbeitern dessen Führungsstil. Die Kritikpunkte wurden anonymisiert aufgeschrieben, das Ergebnis dem Chef präsentiert. Darin hieß es: „ungeduldig, schulmeisterlich, sprunghaft“, aber auch „sympathisch, entscheidungsfreudig, zielorientiert“. Anschließend äußerte sich Engehausen zu den Anmerkungen, vereinbarte mit seinen Mitarbeitern, wie sie zukünftig besser miteinander arbeiten könnten.

Dazu zählt auch, wie Widerspruch richtig funktioniert. „Ich will keine Abblocker“, sagt der IKK-Chef, „aber ich akzeptiere gut begründete Kritik und fördere die zunehmende Eigenverantwortung.“ Dass das neue System funktioniert, zeigte sich erst vor einigen Wochen, als es um das Motiv einer neuen Kampagne ging. Engehausen beharrte auf einer schützenden Hand als Visualisierung. Für die Marketingleiterin eine unpassende Idee, was sie gegenüber ihrem Chef auch deutlich aussprach. Nach leidenschaftlicher Diskussion überzeugte sie ihn, dass ein Herz-Motiv besser passt. Psychologe Flock findet: „Ziel ist es, dass auch kritisches Feedback zu geben irgendwann alltäglich wird.“ Und Experten wie er damit überflüssig werden. Oh nein, lieber Herr Flock, das wäre aber schade! Kleiner Scherz, hier wird nicht geschleimt.

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