Sie konnten es nicht verhindern. Als die Führungsetage von Goldman Sachs erfuhr, dass Dorothee Blessing die Investmentbank verlassen will, reagierte sie sofort. Berichten zufolge bot sie ihr mehr Geld und mehr Verantwortung. Nicht nur Deutschland-Chef Alexander Dibelius, auch der Vorstand in der New Yorker Zentrale soll versucht haben, sie umzustimmen. Vergeblich. Anfang März wurde bekannt, dass Blessing die Bank verlässt.
Das vorläufige Ende einer Karriere, in dessen Verlauf es die Ehefrau des Commerzbank-Chefs Martin Blessing fast bis ganz nach oben schaffte. Zuletzt war sie bei Goldman zuständig für das Investmentbanking in Deutschland und Österreich. Doch nun sagte sie dem hoch dotierten Job Lebewohl und ließ ausrichten, eine Auszeit nehmen zu wollen.
Durchatmen. Nachdenken. Und vielleicht auch umorientieren – was angesichts ihres Alters nicht überraschen würde. Dorothee Blessing ist derzeit 45 Jahre alt. Eine Phase, in der sich viele Menschen noch mal neu ausrichten. Die Folgen sind häufig dieselben: Die Laune verschlechtert sich, die Prioritäten verschieben sich, das Leben verändert sich. Alles Anzeichen der typischen „Midlife Crisis“.
Zurück geht der Ausdruck auf den kanadischen Psychoanalytiker Elliott Jaques. Er analysierte bereits 1965 die Lebensläufe von 310 berühmten Künstlern – Maler wie Albrecht Dürer, Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Schriftsteller wie William Shakespeare. Und dabei fiel ihm auf: Alle befanden sich zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr in einer Schaffenskrise. Jene seelischen Tiefs seien völlig normal und alltäglich, schrieb Jaques. Und ergänzte: „Ich nenne sie Midlife Crisis.“
So finden Sie den Spaß im Job wieder!
"Keinen Bock mehr?" lautet der Titel des Buches von Klaus Schuster. Der ehemalige Vorstand einer internationalen Bankengruppe gibt Tipps, wie Sie wieder mehr Spaß bei der Arbeit haben. Das Buch ist 2012 im Redline Verlag erschienen.
Sie müssen die gleiche Tätigkeit immer wieder erfüllen - ohne, dass sich ein Sinn ergibt: Sprechen Sie mit Ihrem Chef. Ist es zum Beispiel ein Statusbericht, greifen Sie auf den alten zurück und aktualisieren Sie lediglich die Daten. Wenn der Chef dahinterkommt, ist ein Gespräch immer noch möglich. Es ist die Entscheidung zwischen Kadavergehorsam und Emotional Leadership.
Ein langer Konflikt im Vorstand eines Unternehmens. Alle Beteiligten schreiben einen Brandbrief, der zur Klärung auffordert und mit Streik droht. Beteiligen Sie sich daran.
Wenn Arbeit keine Freude bereitet, dann liegt das oft daran, dass eine Entscheidung verschleppt wurde. Treffen Sie diese! Wenn Sie nicht zuständig sind, bringen Sie einen übergeordneten Entscheidungsträger auf Trab. Opfer haben wenig Spaß, Spaß haben die Gestalter.
Kennen Sie den Unterschied? In vielen Führungsjobs gibt es die Gefahr, dass man es mit dem Spaß übertreibt, einfach zu viel davon haben will. Es gibt Gründe, wieso einige Manager zerrüttete Familien haben, Ehefrauen sich scheiden lassen, die Gesundheit leidet und die Kinder verhaltensauffällig sind. Wieso? Weil man sich selbst verarscht. Spaß muss gemanagt werden - bevor man eine Überdosis davon schnupft. Sonst nutzt er nicht.
Es eröffnet sich für Sie eine Chance, eine potentielle Erfolgsgelegenheit - hadern Sie nicht lange: Treffen Sie die Entscheidung. Sonst zieht sie an Ihnen vorbei. Es gilt: Du bist Manager! Du willst Erfolg! Und für Erfolg schämt man sicht nicht! Diese Imperative sollte man konsequent im Alltag beherzigen und verfolgen. Das ist Emotional Leadership.
Wenn man Ihnen mit beruflichem Misstrauen begegnet, versuchen Sie die Gründe zu finden und reagieren Sie darauf. Sprechen Sie die Person darauf an. Vielleicht können Sie den Spieß sonst umdrehen. Seien Sie in jedem Fall so offen wie möglich - das schafft Vertrauen!
Niemand braucht einen Hammer. Aber viele einen Nagel in der Wand. So weit der Leitspruch. Das sollte man auch im Geschäftsalltag beherzigen. Wenn es um den Verkauf geht zum Beispiel. Eine Schuhverkäuferin sollte es nicht darum gehen, um jeden Preis ein Paar zu verkaufen. Sondern als Emotional Leader auch dem Kunden ein gutes Gefühl mitgeben. Dann kommt er wieder.
Je besser Sie sich selbst kennen, desto mehr Spaß haben Sie an Leben und Arbeit. Es gibt verschiedene Typen: Exra- und Introvertierte, Kopf- und Bauchmenschen, Praktiker und Visionäre, Ordnungsliebende und Spontane. Wenn Sie wissen, welcher Typ Sie selbst sind, können Sie Ihre eigenen Entscheidungen besser einschätzen und wissen, wie Sie damit umgehen sollten.
Es geht um Mohrrüben: Chefetagen halten sie Managern gerne vor die Nase. Sie wollen den Mitarbeitern Anreize geben. Das führt oft dazu, dass man sich zu Falschem verleiten lässt und über das Ziel hinaus schießt. Vermeiden Sie Pyrrhus-Siege, lassen Sie sich nicht aufs Kreuz legen - bleiben Sie Ihrer Erfolgsdefinition treu.
Sich die Zähne putzen - ob man dabei Spaß hat oder nicht, das Ergebnis ist das gleiche. Anders ist es im Job. Den großen Durchbruch, Quantensprünge im Job dagegen, das ist viel leichter, wenn wir Freude an unserer Arbeit haben.
Natürlich ist Freude eine Emotion, aber auch ein Tool. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie zu viel Spaß abgekommen, verhalten Sie sich wie ein Emotional Leader: Ziehen Sie sich selbst aus dem Verkehr und gehen Sie zum Beispiel für drei Tage in eine Therme. Sie sollten die Kontrolle über Ihren eigenen Spaß behalten.
Schenken Sie Ihren Mitarbeitern Vertrauen: Nicht den Dumpfbacken und Lemmingen, wohl aber den selbstständig denkenden und engagierten Kollegen. Setzen Sie mehr kontrolliertes Vertrauen in Ihre Leistungsträger. Als Lohn bekommen Sie Motivation, Engagement, Respekt, Loyalität und Leistung.
Zwei junge Leute kommen zu Reinhard, er ist im Vorstand einer Volksbank tätig. Als Bauchmensch will er ihnen eine Freude machen. Damit hilft er dem jungen Paar. Die sind so dankbar, dass sie bald darauf zu ihm kommen und ihr ganzes Geld mitbringen: Sie vertrauen ihm. Er soll alles anlegen. Die größte Freude ist das Vertrauen des Kundens. Es ist mehr wert als Preis, Qualität und Leistung. Deshalb versuchen Sie auch als Kopfmensch Ihr Baugefühl zu aktivieren.
Notieren Sie die Liste mit fünf Kundennamen. Was fällt Ihnen, wenn Sie die Namen durchgehen, bei den Einzelnen auf Anhieb ein. Dem Emotional Leader fällt sofort ein, was dem jeweiligen Geschäftspartner am meisten Spaß im Leben oder im Business bringt. Das ist das Sesam-öffne-dich jeder Verhandlung.
So geht es vielen Menschen um die 40. Sie wagen den Neustart – oder denken zumindest darüber nach. Die einen wollen sich noch mal neu beweisen, die anderen ganz von vorne anfangen. Egal, was sie bislang schon erreicht haben. Denn ab dem 40. Lebensjahr stehen sie an einer Art Wegkreuzung.
In dieser Phase blicken die Menschen zurück auf die Ziele ihrer Jugend und realisieren, welche Träume sich vermutlich nicht mehr erfüllen werden – oder welchen sie unbedingt noch nacheifern sollten. Sie realisieren, dass sie sich langsam dem Spätsommer des Lebens nähern und langsam für den Herbst planen müssen. Sie erkennen, welche Chancen und Gelegenheiten sie bislang verpasst haben. Zurück bleibt der Wunsch, jetzt irgendetwas anders machen zu wollen.
Am unzufriedensten zwischen 42 und 47
Mit diesem Phänomen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Psychologen auseinandergesetzt. Seitdem gilt es als erwiesen, dass die meisten Menschen im vierten Jahrzehnt ihres Lebens tatsächlich unzufriedener sind. Oder anders formuliert: Unser persönliches Wohlbefinden verläuft in Form einer U-Kurve.
Zu dieser Erkenntnis gelangten im Jahr 2008 zum Beispiel die beiden Forscher David Blanchflower (Dartmouth College) und Andrew Oswald (Universität von Stirling). Für eine Studie (.pdf) werteten sie verschiedene Umfragen aus. Darin hatten mehr als 500.000 Personen aus 72 Ländern über Jahrzehnte hinweg ihr seelisches Befinden kundgetan.
Und dabei entdeckten Blanchflower und Oswald: In der Jugend ging es den Menschen gut, doch dann fiel das Wohlbefinden plötzlich bis zur Mitte des Lebens. Den Tiefpunkt erreichte die persönliche Zufriedenheit etwa zwischen dem 42. und 47. Lebensjahr – und danach stieg sie wieder an.
Doch noch verblüffender war: Dieser vorübergehende Sinkflug und anschließende Anstieg war unabhängig davon, es sich um Männer oder Frauen handelte, Europäer oder Amerikaner, Reiche oder Arme, Ledige oder Verheiratete. Aber warum?
In acht Schritten zum Burn-Out
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.
Eine mögliche Erklärung liefert die sozioemotionale Selektivitätstheorie der US-Psychologin Laura Carstensen. Sie ging davon aus, dass Menschen ihr Handeln bewusst danach ausrichten, wie viel Zeit ihnen noch auf der Erde bleibt. In der Kindheit und der Jugend schmieden sie Pläne, träumen von einer schnellen Karriere, wollen ein Haus bauen, Länder besuchen und Bäume pflanzen.
Doch in der Lebensmitte realisieren sie, was sie bislang noch nicht erreicht haben – und vielleicht auch nie erreichen werden. Gleichzeitig steigt ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit, da die Uhr des Lebens langsam abläuft. Und dieser Zustand verursacht Stress.
Auch bei Affen. Das zumindest legte im vergangenen Jahr Alexander Weiss von der Universität Edinburg nahe. Für eine Untersuchung befragte er Pfleger und Wissenschaftler, die 155 Schimpansen und 172 Orang-Utans in Nordamerika, Asien und Australien betreuten. Die Experten gaben einerseits an, wie alt die Affen waren und andererseits, wie sie gelaunt waren, ob sie gerne mit Artgenossen spielten, wie gut sie gehorchten und wie glücklich sie ihnen vorkamen.
Kaum zu glauben: Auch bei den Affen entdeckte Weiss die U-Kurve. In jungen Jahren waren die Tiere glücklich und zufrieden, dann wurden sie bis zur Mitte des Lebens missmutiger, danach stieg ihre Laune wieder.
Offenbar liegt uns die Midlife-Crisis also teilweise in den Genen. Und ihre Auswirkungen sind mitunter ziemlich drastisch – zumindest auf der Leinwand. Das prominenteste Beispiel lieferte im Jahr 1999 der Film „American Beauty“. Kevin Spacey spielte darin die Rolle des Lester Burnham, der seinen gut bezahlten Job kündigte, in einem Imbiss anheuerte, plötzlich Drogen nahm, einen Sportwagen kaufte und sich in die beste Freundin seiner Tochter verliebte.
Nun muss die Midlife Crisis nicht immer so dramatisch verlaufen. Doch auch die harmlose Variante ist im Berufsleben spürbar – heute mehr denn je.
In der Midlife Crisis kommt alles auf den Prüfstand
Früher gab es in vielen Unternehmen noch eine Art ungeschriebenen Vertrag, dass Mitarbeiter bei entsprechendem Einsatz aufsteigen und nicht gekündigt werden. Doch dieser Vertrag existiert heute in vielen Branchen nicht mehr. Die einen Mitarbeiter fallen Umstrukturierungen und Kündigungswellen zum Opfer, sprich: Sie müssen sich neu orientieren. Die anderen wollen das freiwillig.
„In der Midlife Crisis realisieren Menschen vor allem, dass ihr Leben endlich ist“, sagt auch der Psychologe Roland Kopp-Wichmann. Was vorher eine verstandesmäßige Erkenntnis war, werde nun auch emotional begriffen. Hier stockt die Karriere, dort nähern sich gesundheitliche Probleme. Kurzum: Alles kommt auf den Prüfstand, auch der Job. Und die Prioritäten verschieben sich. Finanzielle Anreize allein befrieden nicht mehr, die Menschen stellen Fragen nach dem Sinn der Tätigkeit und auch der Nachhaltigkeit: „Findet der Mitarbeiter darauf keine gute Antwort, ist er heute eher bereit zu wechseln“, sagt Kopp-Wichmann.
Natürlich könnte man daran verzweifeln und sich darauf fokussieren, was man alles verpasst hat. Aber wirklich besser gehen würde es einem dadurch nicht. Deshalb lässt sich die Midlife Crisis auch als Chance begreifen. Damit ist nicht zwangsläufig die überstürzte Kündigung gemeint. Zuvor sollten sich die Betroffenen Fragen beantworten: Wollen Sie Ihre Stelle wirklich wechseln? Oder flüchten Sie womöglich vor vorübergehenden Problemen? Wer gut abwägt, verhindert eine allzu spontane Handlung, die er im Nachhinein womöglich bereut.
10 Orientierungsfragen: So kommen Sie aus der Midlife Crisis
Was will ich in meinem Leben (noch) erreichen?
Welche berufliche Erfahrung möchte ich unbedingt noch machen?
Was möchte ich noch lernen?
Was muss passieren, damit ich am Ende meines Lebens sagen kann: Das war gut!
Was kann ich gut?
Was fällt mir leicht?
Bei welchen Tätigkeiten bin ich „im Fluss“?
Welche Ziele motivieren mich?
Wann bin ich im Job am glücklichsten?
Wie kann ich mehr solcher Situationen erleben?
Außerdem sollten sie sich unbedingt mit Freunden, Kollegen oder auch Coaches beraten. Die können zum Beispiel dabei helfen, eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Was müsste man aufgeben? Was riskiert man? Und was kann man gewinnen?
Wichtig ist ebenfalls, seine Finanzen zu prüfen: Sind temporäre Einbußen drin? Kommt ein Umzug infrage? Oder sollte man den Sprung in die Selbstständigkeit wirklich wagen?
Wohlgemerkt: Nicht jeder muss beruflich wechseln, um im Job glücklicher zu sein. Vor diesem Trugschluss warnt zum Beispiel die Berliner Psychologin Birgit Permantier. Sie hat in den vergangenen Jahren viele Klienten gecoacht, die sich in der Midlife Crisis befanden. „Manchmal reichen auch kleine Veränderungen, die aber eine riesige Wirkung haben können“, sagt Permantier. Wer jeden Tag ins Büro pendeln muss, kann zum Beispiel das Fahrrad mitnehmen und wenigstens einen Teil des Weges radeln – um sich die vollen Züge zu ersparen. Außerdem kann es helfen, wichtige Fragen zu beantworten.
Aber unbedingt in aller Ruhe.
Doch egal wie schwer die Midlife Crisis auch sein mag, zumindest eine Erkenntnis ist tröstlich: Mit diesen Sorgen ist niemand allein.