Nachwuchskräfte Welche Unternehmen Talente besonders fördern

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Illustration Manege Quelle: Illustration: Olaf Hajek

Nicht wenige Vorstände investieren deshalb schon heute bis zu 50 Prozent ihrer Zeit in die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften. Auch beim Mischkonzern Haniel sind Gespräche über Talente „ein Dauerbrenner“, sagt Personaldirektor Michael Prochaska. Das Unternehmen mit etwa 53.000 Mitarbeitern weltweit ist seit seiner Gründung im Jahr 1756 in Familienbesitz. Ebenso traditionell werden die meisten Chefposten intern besetzt. Um den Nachschub nicht abreißen zu lassen, diskutiert der Vorstand um den CEO Jürgen Kluge regelmäßig über Nachfolgepläne. Kernfrage: Haben wir genug Talente im Haus?

Um das beantworten zu können, sprechen die Vorgesetzten der einzelnen Abteilungen regelmäßig mit ihren Mitarbeitern über deren Erwartungen, Perspektiven und Ziele, notieren sich, welche Fähigkeiten der Kollege bereits hat und welche er womöglich noch braucht. Haniel hat dazu sieben relevante Kompetenzen definiert – beispielsweise Mitarbeiter führen zu können, überzeugend zu kommunizieren oder der Wille, Veränderungen anzustoßen. Die Kriterien sind sicher nicht taufrisch – aber die Transparenz und Konsequenz ist es, mit der der Mischkonzern diese seinem Nachwuchs vermittelt.

Dabei greift Haniel auf die konzerneigene Fortbildungsakademie zurück, in der 40 externe Trainer fast jeden Tag Hoffnungsträger unterrichten. Auch Jörg Mönig hat dort in den vergangenen Jahren sein Führungshandwerk gelernt. Der 34-Jährige ist Geschäftsführer des Versandhändlers Gaerner, einer Tochter von Takkt, die wiederum zu Haniel gehört. 30 Mitarbeiter unterstehen ihm derzeit. Und sein Beispiel zeigt, was gutes Talent Management bewirken kann.

Gleich nach dem BWL-Studium heuerte er in der Zentrale an. Schon nach wenigen Wochen arbeitete sein damaliger Chef mit ihm einen individuellen Entwicklungsplan aus. Nach nur einem Jahr begann Mönig eine Weiterbildung an der Haniel-Akademie. Zusammen mit etwa zehn Teilnehmern besuchte er verschiedene Seminare zum Thema Mitarbeiterführung, lernte den Umgang mit Konflikten oder wie man Mitarbeitergespräche führt.

Heikler Spagat

Nach dem Abschluss des Programms hätte er problemlos zu einem anderen Unternehmen wechseln können. Doch das tat er nicht. Stattdessen führte er ein langes Gespräch mit dem Finanzvorstand Klaus Trützschler über seine berufliche Zukunft – und wurde wenig später Abteilungsleiter bei Takkt in Stuttgart. Auch nachdem er Mitte 2008 die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklomm, wurde er kontinuierlich weiter gefördert. Erst vor Kurzem beendete Mönig erneut ein anderthalbjähriges Seminar für Führungskräfte auf höheren Ebenen. An einen Jobwechsel würde er nicht im Traum denken – er fühlt sich wohl, gewertschätzt und ist zufrieden, wie er sich seitdem persönlich weiterentwickelt hat.

Ein solch intensives Talent Management hat jedoch auch Tücken. Wer Nachwuchskräfte optimal fördern will, müsse „die Unterschiede zwischen den Mitarbeitern berücksichtigen“, sagt Kai Anderson, Partner der Talent-Management-Beratung Promerit. Ein heikler Spagat – wenn ein Mitarbeiter bemerkt, dass sein Kollege auf eine Führungslaufbahn vorbereitet wird, er selbst aber weiter unbemerkt vor sich hin rackert.

Andrea Werner hat einen Weg gefunden, diese Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen. Die 34-Jährige ist verantwortlich für die Personal- und Führungskräfteentwicklung von Bosch und Siemens Hausgeräte, kurz BSH. Weltweit beschäftigt das Unternehmen knapp 40.000 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr etwa 8,4 Milliarden Euro Umsatz machten.

Werner hat unter anderem dafür gesorgt, das Talent Management bei BSH auf drei Säulen umzustellen. Seit zwei Jahren bietet der Konzern Förderprogramme für drei verschiedene Zielgruppen an. Am höchsten angesiedelt ist das Senior Executive Program (SEP). Drei Jahre lang werden darin besonders talentierte Mitarbeiter auf einen Job in der Chefetage trainiert.

Gezielte Vorbereitung auf die Führungsverantwortung

Einer dieser Schützlinge ist Martin Knobloch. Der 37-Jährige leitet seit 2008 einen Teil des Nordamerikageschäfts von BSH. Sein Arbeitgeber bezahlt ihm seitdem regelmäßig einen Coach, der mit ihm an seinem Führungsstil arbeitet. Den Neid der Kollegen in der Münchner Zentrale muss Knobloch trotzdem nicht fürchten.

Für sie bleiben noch die beiden anderen Förderprogramme. Dem „Junior Executive Pool“ gehören etwa 500 Mitarbeiter an, die das Chef-Gen nicht schon im Blut haben, sondern ihre Zukunft eher als Fachkraft sehen oder als Projektmanager reüssieren wollen. Die Gruppe setzt sich aus Kollegen verschiedener Bereiche zusammen, etwa Controlling, Produktmarketing oder Entwicklung, die dann in Lehrgängen mit ihren Trainern weitere Karriereschritte besprechen oder woran sie noch arbeiten müssen. Davon erfährt auch ihr Vorgesetzter – damit der dafür sorgt, dass die Nachwuchstalente im beruflichen Alltag an diesen Zielen arbeiten.

Wer sich bewährt, kann wiederum für den „International Executive Pool“ vorgeschlagen werden. Er besteht aus maximal 80 Kandidaten, die ebenfalls in Kursen gezielt auf Auslandseinsätze mit Führungsverantwortung vorbereitet werden. „Potenzial muss bei uns aber nicht zwangsläufig mit einer Führungslaufbahn einhergehen“, sagt Entwicklungshelferin Andrea Werner.

Das sieht auch Tobias Becker so, der sich bei Audi seit rund zwei Jahren um den begehrten Ingenieurnachwuchs kümmert und Dutzende solcher Spezialisten in seiner Datenbank gesammelt hat. Sein Engagement hat sich wie die weiteren Talent-Management-Investitionen des Konzerns offenbar herumgesprochen und zeigt Wirkung: Audi ist inzwischen der beliebteste Arbeitgeber deutscher Studenten.

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