Psychologie Das Geheimnis der Autorität

Seite 2/5

Ein Gemälde aus dem 19. Quelle: dpa/dpaweb

Das ist bei Pavianen nicht viel anders. "Am Anfang zählt für das junge Männchen, ob es muskulöser, gesünder, aggressiver als andere ist", sagt Sapolsky. Doch auch bei Affen reicht das auf Dauer nicht. Einmal an der Macht, muss jeder Pavianmacker sich wandeln. Nur mit Muskeln kann er Stellung und Autorität nicht festigen – auch im Tierreich droht Verschwörung. Der Leitaffe bedarf jener subtilen Mittel der Geheimdiplomatie, zu denen Intelligenz und Instinkt ihn befähigen.

Die Geschichte der Menschheit ist voller kleiner Führer (Napoleon) und schwer kranker Idole (Stephen W. Hawking). Große (Helmut Kohl) verlieren gegen Kleine (Gerhard Schröder). Unzählige Belege zeigen, dass körperliche Merkmale bei uns noch weniger als bei den Affen erklären können, wer Autorität erlangen wird.

Nicht immer übernimmt der Kraftprotz die Verantwortung

Neben die physische Dominanz treten Fähigkeiten wie soziale Intelligenz und psychologisches Geschick. Früh in unserer Evolution, vermutet der Gießener Biophilosoph Eckart Voland, bildete sich der Kern jener weitaus komplexeren Form von Autorität, die "auf Prestige gründet". Je diffiziler die Herausforderung – Hunger, Krankheit, Klimawandel –, desto mehr dämmerte unseren Ahnen, dass beileibe nicht immer der Kraftprotz die Verantwortung übernehmen sollte. Je nach Situation wählten sie jene Figuren, die sie für fähig hielten, das jeweilige Problem aus der Welt zu schaffen: Organisatoren, Tüftler oder Vordenker.

So habe der Mensch die Flexibilität entwickelt, "je nach Situation zum Anführer oder zum Geführten zu werden", sagt der niederländische Sozialpsychologe Mark van Vugt. Hier mit Pfiffigkeit den Leader zu geben, dort mit Einsicht den Supporter – das hält er für das Erfolgsrezept unserer Spezies. Als der Mensch am Ende der letzten Eiszeit die Landwirtschaft erfand, entstanden größere Gruppen. Der Zwang, vorauszuplanen, brachte "legitimierte Autoritäten" hervor. Heute ist unsere Welt voll solcher qua Amt oder Funktion befugter Figuren: Staatspräsidenten, Uni-Professoren, Ärzte, Manager.

Dabei gilt diese Art der Autorität – anders als bei früheren, absolutistischen Herrschern – heute meist nur noch innerhalb eines bestimmten Kontextes. "Der Vorstandsvorsitzende rutscht hierarchisch in eine andere Situation, wenn er zu Hause die Tasche ablegt oder sich im Sportklub das Trikot überstreift", sagt Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim. Außerdem gewinnt in der komplexen modernen Gesellschaft nur Autorität, wer verständliche, deutliche Signale sendet – beileibe nicht nur dominante.

"Auch mit Empathie und Wärme kann ich meine Autorität festigen", sagt Meyer-Lindenberg. Er nennt das "Expertise in interaktuellen Situationen". Je mehr einer davon an den Tag legen kann, desto mehr Autorität genießt er: Geballtes Fachwissen hilft immer; wer in der Krise Nerven und Ruhe behält, schafft Vertrauen; und auch Kreative genießen Autorität – und wenn es nur die Autorität ist, ein Fest zu organisieren.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%