Ranking Vorsprung durch Image bei den beliebtesten Arbeitgebern 2008

Freimassagen, Frei-Tage, Freiräume — beim Kampf um Talente sind Kultur und Ruf wichtiger als die Höhe der Gehälter, wie das Ranking der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands zeigt. Die exklusiven Ranglisten für vier Fachrichtungen.

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Juliane Kollecker, 25, Ingenieurin im Werkzeugbau: Die Maschinenbauerin entwickelt Werkzeuge, die Blech in Karosserieteile umformen. Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Juliane Kollecker ist dort, wo viele Ingenieure hinwollen: in der Zukunftsabteilung von Audi. Sie weiß heute schon, welche Audi-Modelle in drei Jahren auf den deutschen Straßen unterwegs sein werden. Beim Ingolstädter Autobauer entwickelt sie Werkzeuge, die flache Blechstücke zu Seitenwänden der Karosserien der zukünftigen Autogeneration umformen. Was sich Designer und Konstrukteure wünschen, muss sie viele Jahre vor Serienstart umsetzen. „Da bin ich ganz vorne in der Entwicklung dabei.“

Seit einem Monat arbeitet die 25-Jährige für Audi. Und viele Studenten des Maschinenbaus und der Elektrotechnik beneiden sie dafür: Audi ist der beliebteste Arbeitgeber bei den Ingenieuren.

Zum siebten Mal präsentiert die WirtschaftsWoche exklusiv die beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands. Die Beratung Universum Communications befragte in Kooperation mit den Kölner Marktforschern von Access Studenten der Wirtschaftswissenschaften, der Ingenieursstudiengänge, der Informatik und der Naturwissenschaften, bei welchen Unternehmen sie am liebsten arbeiten würden. Was sie von Top-Arbeitgebern erwarten: einzigartige Entwicklungschancen, fehlerfreies Management und internationale Perspektiven. Mehr als 15.000 Nachwuchskräfte gaben von Januar bis April dieses Jahres ihr Votum ab.

Das Novum: Erstmalig in der Geschichte des Wettbewerbs bewerteten Studenten der Naturwissenschaften sowie der Informatik ihren jeweils eigenen Wunscharbeitgeber. Biologen, Physiker, Chemiker und Studenten angrenzender Fächer schätzen das weltweit einmalige Renommee der Max-Planck-Gesellschaft: Rang eins. Der IT-Nachwuchs begeistert sich für die exotische Einzigartigkeit des Suchmaschinenbetreibers Google. Ökonomen lieben die Dynamik bei Porsche. Damit gibt es dieses Jahr zusammen mit Audi das erste Mal vier Sieger.

Der Mythos BMW ist gebrochen. Seit Jahren dominierten die Bayern die Ranglisten mit großem Abstand — sowohl in der Gunst der Betriebs- und Volkswirte als auch der Technikstudenten. Schon im vergangenen Jahr wurde der Abstand jedoch kleiner, Porsche und Audi holten massiv auf. Dieses Jahr reicht es gerade noch für das Treppchen: Platz drei bei der wichtigen Gruppe der Ingenieure. Bei Wirtschaftswissenschaftlern schaffte es BMW auf Rang zwei.

Die Gründe für die verlorene Vormachtstellung sind hausgemacht: Um Kosten in den Griff zu bekommen, will BMW weltweit rund 8100 Stellen abbauen, die meisten davon in Deutschland. Seit der Ankündigung geistern Studien durch die Medien, laut denen gar 20 Prozent der Mitarbeiter verzichtbar seien. Alle Abteilungen im Haus sollen sparen. Neuestes Schreckensszenario: Der steigende Dollar-Kurs belastet den Konzern zusätzlich wegen fehlender Absicherung. Folge: Mit knapp sechs Prozent fährt BMW deutlich weniger Rendite ein als Wettbewerber wie Mercedes und Audi mit mehr als acht Prozent.

Schlechte Nachrichten bestraft der Nachwuchs sofort. „Auf angekündigten Stellenabbau reagieren Studenten immer heftig“, sagt Roger Manfredsson, Europa-Chef von Universum. Da helfen auch die 15,5 Gehälter nichts, die BMW-Mitarbeiter im Jahr ausgezahlt bekommen — so viel wie kaum anderswo. Hinzu kommt ein eher durchschnittlicher Bonus pro Mitarbeiter von 5600 Euro vergangenes Jahr. Auch solche Signale sprechen sich via Werkspraktikanten schnell auf dem Campus herum.

Bei der Attraktivität als Arbeitgeber zählt vor allem Konstanz. Je gleichmäßiger die guten Ergebnisse sind, desto gefragter das Unternehmen. Vor rund 20 Jahren hatte Audi noch „ein sehr konservatives Image“, sagt Personalvorstand Werner Widuckel. Inzwischen arbeiteten die Ingenieure „am Puls der Zeit“. Die Perspektive stimmt: Die Modellpalette werde in den kommenden Jahren von 25 auf 40 Autos hochgefahren. Junge Einsteiger könnten an „Innovationen mitarbeiten“, schnell Verantwortung übernehmen und in einem Konzern arbeiten, der flache Hierarchien bietet und eher „mittelständisch geprägt ist“. Kollegialität werde enorm geschätzt.

Das sehen auch Studenten so. Die Ergebnisse der Rankings zeigen auch, „wie es auf dem Werksgelände, in den Büroräumen und den Kantinen abgeht“, sagt Experte Manfredsson. Wenn Praktikanten, Doktoranden oder Werksstudenten die Unternehmen „von innen kennengelernt haben, geben sie ihre Erfahrungen sofort an Kommilitonen weiter“. Audi vergibt jährlich 700 Diplomarbeiten und 100 Promotionsthemen.

Manipulationen sind ausgeschlossen. Unternehmen haben „ihre Informationshoheit in puncto Image verloren“, sagt Wolfgang Jäger, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FH Wiesbaden. Dafür sorgt schon das Internet. Auf Web-Seiten wie Kununu.de, Jobvoting.de und Kelzen.com bewerten Mitarbeiter ihre Arbeitgeber — gnadenlos und anonym. Heute könne keine Firma mehr Teamwork, geregelte Arbeitszeiten und gute Entwicklungsmöglichkeiten versprechen, wenn es in der Realität davon abweiche. Es zähle „Authentizität“, sagt Jäger.

Bei Porsche — Sieger bei den Ökonomen — zählt dieses Prinzip seit Jahren zur obersten Managementaufgabe. Fairness und Wertschätzung von Mitarbeitern ist gelebte Führungsphilosophie. So werden beispielsweise Praktikanten als vollwertige Mitarbeiter eingesetzt.

Auch Jens Sulek profitierte davon. Der ehemalige Wirtschaftsstudent der Uni Münster arbeitete Anfang 2004 als Sechs-Monats-Praktikant in der Marketingabteilung von Porsche. Sein Vorzeige-Projekt: Er initiierte eine Kooperation mit dem Marketinginstitut seiner Hochschule, in dem er als studentische Hilfskraft arbeitete. Der von Porsche in Auftrag gegebene Neuaufbau der Internet-Seite www.porsche.de wurde wissenschaftlich begleitet und in Nutzerbefragungen empirisch getestet.

Lohn seiner Idee: Nach dem Praktikum genoss Sulek eine Extrabehandlung im Rahmen des Programms „Pole Position“. Rund 100 ehemalige Praktikanten werden regelmäßig zu Netzwerktreffen eingeladen: ins Entwicklungszentrum nach Weißloch, in die Herstellung nach Leipzig, nach Stuttgart zum Tennis-Grand-Prix in die Porsche-Arena. „Alle Veranstaltungen finden bei Porsche statt“, sagt Martin Meyer, Leiter Personalmarketing. So wolle Porsche „authentisch und nah an der Arbeitsatmosphäre bleiben“. Für die Stuttgarter ist das Programm ein wichtiger Talentepool. Auch Sulek wurde so geholt: Ein Dreivierteljahr vor seinem Abschluss im Jahr 2006 lockte ihn Porsche mit einem Arbeitsvertrag.

In Zeiten des Fachkräftemangels werden die Maßnahmen der Personalabteilungen aufgewertet. Die Rekrutierung der Besten wird zur strategischen Überlebensfrage im globalen Wettbewerb. Unternehmen müssen heute klar kommunizieren, welche Werte das Management vertritt und weshalb sie sich als Arbeitgeber besonders empfehlen.

Das Image spielt bei Jobentscheidungen eine immer größere Rolle. Zwar habe das Einstiegsgehalt mit 26 Prozent weiterhin den größten Einfluss darauf, ob ein Kandidat ein Jobangebot annimmt, so eine Studie der Fachhochschulen Mainz und Wiesbaden. Gleich danach folgen aber schon die Arbeitszeiten mit 16 Prozent sowie mit 15 Prozent das Image als Arbeitgeber. Eine positiv aufgeladene Arbeitgebermarke ist damit „bares Geld wert“, sagt Experte Jäger. Ein vergleichsweise schlechteres Image gegenüber Konkurrenten könne nur durch einen deutlichen Gehaltszuschlag ausgeglichen werden.

Der Internet-Gigant Google bräuchte das nicht. Er hat ein einzigartiges Image. Das Unternehmen spielt die gesamte Klaviatur des Personalmanagements und verdrängte den deutschen Vorzeigekonzern SAP bei den Informatikern mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Folge: Mitunter bewerben sich Top-Leute nur dort.

„Entweder Google oder Selbstständigkeit“, das war auch das Motto von Michael Forster. Der promovierte Informatiker kannte seinen Marktwert genau. Er setzte schon im Studium und während seiner Doktorarbeit seinen Schwerpunkt auf die Analyse und Visualisierung komplexer Daten wie Internet-Programmierung — ein Wachstumsbereich. Mehrere Monate lehrte er an der Universität Sydney und arbeitete später als freier Berater für Siemens. Im Frühjahr 2007 bewarb er sich bei Google, weil es sein „großer Wunsch“ war, dort zu arbeiten, und das Unternehmen „bei Kommilitonen schon immer als idealer Arbeitgeber galt“.

Michael Forster, 32, Softwareentwickler bei Google: Der promovierte Informatiker programmiert die SMS-Funktionen für Google weltweit. Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Google kleckert nicht, Google klotzt. Das Unternehmen versorgt seine rund 200 Mitarbeiter in der Vertriebszentrale Hamburg und dem Technikstandort München mit einem Rundum-Sorglos-Paket, das seinesgleichen sucht: zum Beispiel mit betrieblicher Altersvorsorge und Google-Aktien (beides ist Standard); kostenlosem Frühstück, Mittagessen und Zwischenmahlzeiten sowie Freigetränken aller Art (schon etwas Besonderes) und kostenlosen Massagen, Kletterwänden zum Entspannen und Ritualen wie dem „Thank God it’s Friday“-Freitag, an dem alle Mitarbeiter mit Snacks und Firmen-News versorgt werden (ein bisschen Exotik).

Leistung soll Spaß machen, lautet das Motto des Google-Imperiums. Jedes Jahr organisiert die Zentrale in den USA einen weltweiten Google-Tag. 2006 kamen alle Mitarbeiter am „World Pyjama Day“ im Schlafanzug ins Büro, vergangenes Jahr rollten am „Global Alternative Transportation Day“ Google-Mitarbeiter per Skateboard, Fahrrad oder Inline-Skates zur Arbeit, um ein Zeichen für die Umwelt zu setzen. Dazu erhielten alle Mitarbeiter ein Fahrrad im Wert von 400 Euro nach Wahl: Mountainbike, City-Rad oder Cruiser.

Mögen einzelne Aktionen verpuffen, so strahlen sie langfristig auf die Gesamtkultur ab: Jeder darf anders sein. Besser: Jeder muss anders sein! 20 Prozent der Arbeitszeit sollen Mitarbeiter für Projekte nutzen, die nichts mit Google zu tun haben. Ziel ist das Lösen eines Problems, egal, welcher Art. Nebenbei entstehen so Innovationen: Soziale Netzwerke wie Orkut in Brasilien und Indien (vergleichbar mit dem deutschen Portal Xing) sind über diese 20-Prozent-Projekte entstanden.

Nicht jeder kann zu Google, nicht jeder will zu Google. Die Wünsche der zukünftigen Leistungselite sind unterschiedlich. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) etwa hat in einer Studie die Motive der Studenten und Absolventen untersucht. Ergebnis: Sie fahren eine Absicherungsstrategie durch Vielseitigkeit. Zwar stehe der Beruf an erster Stelle; zwar werden Fort- und Weiterbildung grundsätzlich als Motor für eine berufliche Karriere gewertet, gleichzeitig aber werden Gegengewichte zum Erwerbsleben aufgebaut. Der Nachwuchs pflegt Freundschaften und Hobbys ebenso, wie er ein intaktes Familienleben schätzt. Work-Life-Balance hat „als Wert definitiv diejenigen erreicht, die in die oberen Führungsetagen nachrücken“, heißt es in der Studie.

Zahlreiche Unternehmen haben das nicht erkannt. Ein wesentlicher Grund, warum ein grundsätzlich interessantes Unternehmen nicht als idealer Arbeitgeber betrachtet wird, sind „mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten“, sagt Experte Manfredsson. Diese sind zwar bei vielen Unternehmen vorhanden, werden jedoch nicht von den Studenten in ausreichendem Maße wahrgenommen. In Kombination mit einer als unattraktiv wahrgenommenen Lage (etwa auf der grünen Wiese) stelle dies ein „K.o.-Kriterium für viele Arbeitgeber“ dar.

Die Anspruchshaltung der Bewerber hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert. Früher konnten Absolventen allein mit einem hohen Gehalt gelockt werden. Heute reicht das nicht. Vor allem Steuerberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben das verstanden. Sie wissen, dass ihre Dienstleistungen nicht gerade zu den Produkten mit dem höchstem Sexappeal gehören. Dafür bieten sie Berufseinsteigern eine ausgewogene Karriereperspektive.

Ihre Stärke: Sie strukturieren die Entwicklung ihres Nachwuchses. Bei Ernst & Young beispielsweise begleitet ein „Career Buddy“, also ein Mitarbeiter als Mentor, die Neueinsteiger durch die ersten Unwegsamkeiten. Es folgen jährliche Beurteilungen des Vorgesetzten und Bewertungen durch den Projektverantwortlichen. Diese Vorgaben geben Orientierung und sind offenbar genau das, was sich Jobeinsteiger wünschen: Ernst & Young verbesserte sein Image im Langzeitvergleich im Vergleich zu 2000 um 2,7 Prozent.

Ein weiterer Erfolgsfaktor der Buchprüfer: Sie bieten Sicherheit. Auch dieses Thema ist dem Nachwuchs wichtiger als früher. Drei von vier Jungmanagern haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, so die PwC-Studie. Seit Jahren aber fallen die Beratungen positiv durch hohe Weiterbildungsetats und Einstellungen auf. PwC etwa sucht selbst dieses und nächstes Jahr jeweils 1500 Leute; Ernst & Young ähnlich viele; KPMG rund 1000 und Deloitte jeweils rund 700.

Hinzu kommt die internationale Perspektive: Mehr als 25 Prozent der Nachwuchsmanager planen eine Karriere außerhalb Deutschlands. Unternehmen wie Ernst & Young locken mit gezielten Auslandseinsätzen: Drei bis zwölf Monate können Mitarbeiter in eins der zahlreichen Auslandsbüros wechseln.

Für herausragende Absolventen bieten sich nahezu perfekte Bedingungen. Die Anzahl offener Stellen steigt seit dem Jahr 2003 mit einer Ausnahme im Jahr 2004 kontinuierlich an. Der Stellenindex der Zeitarbeitsfirma Adecco listet im ersten Quartal dieses Jahres rund 65.000 Stellen für Akademiker — mehr als doppelt so viele wie 2003. Gesucht werden Betriebswirte (für Finanzen und Vertrieb), Informatiker (für Softwareentwicklung und IT-Organisation) sowie Ingenieure aller Art (für Konstruktion, Produktion und technischen Service).

Das Image seines Arbeitgebers im Ausland war auch Dennis Kappei wichtig. Der 25-Jährige studierte zwei Jahre Biochemie in Leipzig und wechselte anschließend an die École Normale Supérieure in Paris, um weitere zwei Jahre den Schwerpunkt auf Molekularbiologie und Genetik zu setzen. Nach dem Abschluss bekam er ein nahezu unschlagbares Angebot aus den USA. An der renommierten Rockefeller University in New York hätte er promovieren können. Doch Kappei lehnte ab.

Stattdessen bekam das Max-Planck-Institut für Zellbiologie und Genetik (MPI) in Dresden seinen Zuschlag: Zum einen dauere die Promotion beim MPI in der Regel nur drei Jahre und zehn Monate. „In den USA hätte ich dafür länger gebraucht“, sagt Kappei. Zum anderen konnte er mit seinem favorisierten Forschungsthema „sofort loslegen“. In New York hätte er Rotationen durch verschiedene Labore machen müssen und frühestens im zweiten Jahr mit seinem Promotionsthema beginnen können.

Manchmal zeigen sich die Deutschen eben doch pragmatischer.

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