Rhetorik Kecke Konter: Schlagfertigkeit erlernen

Bisher galt: Rhetorik kann man lernen, Schlagfertigkeit aber ist angeboren. Falsch! Beispiele zeigen, beides ist trainierbar. Zahlreiche neue Bücher und Seminare verraten wie.

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Die Kombo zeigt eine Neon-Installation mit unterschiedlichen Handbewegungen von Bruce Nauman in der Ausstellung "Mental Exercises" im NRW-Forum in Düsseldorf, dpa

Die britische Unterhaus-Abgeordnete Nancy Astor, eine Frauenrechtlerin, machte aus ihrer Abneigung von Winston Churchill keinen Hehl. „Winston, wenn ich deine Frau wäre, würde ich Gift in deinen Kaffee schütten“, fuhr sie den britischen Staatsmann einmal an. Der entgegnete ungerührt: „Nancy, wenn ich dein Mann wäre, würde ich es trinken.“ Churchill war nicht nur einer der durstigsten britischen Regierungschefs, er war auch einer der schlagfertigsten Menschen des vergangenen Jahrhunderts. Seien wir ehrlich: Den meisten von uns wäre eine solche Antwort, wenn überhaupt, erst Tage später eingefallen. Während Führungskräfte und Jungmanager schon seit Jahren allgemeine rhetorische Fähigkeiten pauken, galt Schlagfertigkeit lange als angeborene Begabung und nicht erlernbar. Pech für alle, denen sie nicht in die Wiege gelegt wurde. Nun aber haben zahlreiche Kommunikationsexperten die Verhaltensmuster schlagfertiger Menschen analysiert und sind überzeugt: Jeder kann kontern. Schlagfertigkeit ist eine Geisteshaltung, und die lässt sich lernen wie Grammatik. Bücher wie „NonPlusUltra der Schlagfertigkeit“, „Killerphrasen kunstvoll kontern“ oder „Die Magie der Schlagfertigkeit“ verkaufen sich prächtig. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht ein neuer Titel zum Thema in den Regalen der Buchläden landet. Jeder, der glaubt, etwas zu sagen zu haben, sitzt bei Schlagfertigkeits-Trainern in der Sprechstunde. Das kostet: Gruppentrainings einige Hundert, Einzeltrainings bis zu 5000 Euro am Tag. Der Duden definiert Schlagfertige so: Sie können schnell, mit treffenden und witzigen Worten auf etwas reagieren. Der US-Schriftsteller Elbert Hubbart schrieb, schlagfertig sei jede Antwort, die so klug ist, dass der Zuhörer wünscht, er hätte sie selbst gegeben. Und Rhetorikexperten wie Thomas Schirren von der Universität Tübingen sehen die Kunst als eine Art verbales Aikido: Die Kraft eines rhetorischen Angriffs wird geschickt auf den Gegner umgeleitet. Das unterscheidet Schlagfertige von aggressiven Dampfplauderern. Sie erschlagen ihr Gegenüber nicht mit Wortknüppeln, sondern spießen sie elegant und leichtfüßig mit dem Florett auf. So wecken sie beim Publikum Sympathien. Ihre Waffen sind lustige Bilder, treffende Vergleiche und Wortspiele. Oder sie überhöhen die Fakten so sehr, dass es komisch wird. Kurz: Schlagfertige Menschen sind hochkreativ. Trainieren lässt sich das, indem man beispielsweise auf dem Heimweg Assoziationsketten im Kopf bildet oder sich auf Wortspiele einlässt. Der Schweizer Maler und passionierte Zigarrenraucher Arnold Böcklin hatte etwa in seinem Garten eine Grube, in die er regelmäßig seine Zigarrenstummel warf. Ein Besucher, der ihn dabei beobachtete, bemerkte dazu lakonisch: „Was Sie da tun, ist unsinnig! Pflanzen Sie lieber richtige Tabakpflanzen an!“ Darauf Böcklin: „Dann wächst ja frischer Tabak, ich aber brauche rauchfertigen!“ Ein großer, aktiver Sprachschatz ist allerdings Voraussetzung. Ohne ihn gelingt allenfalls der Aufstieg zum Sprücheklopfer. Daher lautet die erste Regel aller Rhetoriktrainer: viel lesen, viel reden und üben, üben, üben. Auch Churchill las viel und feilte an seinen rhetorischen Fertigkeiten in Debattierclubs.

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