Ein Streit mit Kollegen oder dem Chef kann Beschäftigten schnell Kopf und Kragen kosten. Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz werden dann besonders brisant. Das gilt heutzutage umso mehr, sagt Wirtschaftspsychologe Tobias Nitzschke: „Früher wussten die Menschen: Die Firma braucht mich, ich bleibe hier mindestens zehn bis fünfzehn Jahr.“ Heute sind die Zeiten unsicherer und die Menschen somit auch verschlossener. „Wir verhalten und äußern uns beim Arbeiten nicht frei, damit die Kollegen und Führungskräfte kein falsches Bild von uns bekommen.“ So staut sich einiges auf. Hinzu kommt die Gefahr, nach einer Eskalation seinen Job zu verlieren. Daher ist um so wichtiger, bei einem Streit angemessen zu reagieren.
Die Lösung: Am besten im Voraus verhindern, dass die Diskussion in einen Streit ausartet, sagt Kommunikationsberater Werner Schienle: „Konfliktvorbeugung macht Zweidrittel bis Dreiviertel des Konfliktmanagements aus“, sagt der Geschäftsführer der Stuttgarter Agentur Creative Communications Consult. Dabei gilt: Je besser die Beziehungen der Kollegen untereinander sind, desto seltener kommt es zum Streit. Die permanente Arbeit an einer Beziehung verglich der 2012 verstorbene Bestseller-Autor von Ratgeber-Büchern, Stephen Covey, mit Ein- und Auszahlungen auf ein Konto. Eine Einzahlung auf das Beziehungskonto stärkt eine Beziehung, eine Abhebung belastet sie. Seine Empfehlung: Durch alltägliche Aufmerksamkeiten sollte man immer für ein Guthaben auf dem Konto sorgen.
„Wenn man eine Abhebung machen muss, ist es immer gut, ein Guthaben auf dem Konto zu haben und zu signalisieren, dass man an einer guten Beziehung interessiert ist“, sagt Werner Schienle. Das gilt auch für den Umgang mit den typischen Büro-Ekeln. Mit ihnen sind Streitereien schließlich am wahrscheinlichsten. Wenn es früher oder später doch zu einer Auseinandersetzung kommen sollte, empfiehlt Wirtschaftspsychologe Tobias Nitzschke die sogenannte „gewaltfreie Kommunikation." Dabei gilt es vor allem, sachlich zu bleiben: „Anstatt ,Du bist schlecht‘ sollte man lieber sagen ,Ich möchte‘ oder ,Ich wünsche mir‘“.
Trotz all der Vorarbeit auf der Beziehungsebene und der Mühe um eine gewaltfreie Kommunikation, ein Wort kann schnell das andere ergeben. Diese Eigendynamik erklärt Psychologe Nitzschke mit dem menschlichen Gehirn. „Menschen, die im Konflikt stehen, verhaften im Gehirn im limbischen System, unserem Emotionszentrum. Nur noch wenige Signale gehen dann an den Neocortex, der für unser rationales Denken verantwortlich ist.“
Einen Gang runter schalten
Um einen klaren Kopf zu behalten, hilft es schon, einfach nur die Geschwindigkeit aus dem Gespräch zu nehmen. Das schaffen Streithähne, indem sie sich sammeln, sagt Kommunikationsberater Werner Schienle. Dies geht über Sätze wie: „Ich bin gerade rausgekommen und suche den roten Faden. Was war noch mal der Kern unseres Problems?“ Oder: „Habe ich richtig verstanden, dass du folgende Punkte an dem Projekt kritisierst.“ Gerade letzterer Satz sorgt nicht nur für eine Pause, sondern signalisiert dem Gegenüber, dass seine Botschaft angekommen ist. Sich verstanden zu fühlen, entschärft die Lage nochmals.
Für das gegenseitige Verständnis hilft im Eifer des Gefechts außerdem, sich vor Augen zu führen, wie Botschaften ankommen und eigentlich gemeint sind. „Wenn jemand persönlich wird, nimmt das der Gegenüber immer intensiver auf, als es eigentlich gemeint war“, sagt Schienle. „Das müssen beide Seiten stets berücksichtigen.“ Das führt dazu, dass man sich selbst eher zurückhält und sich Angriffe auch weniger zu Herzen nimmt.
Wenn der Streit allerdings schon brodelt und die Streithähne in Schreierei übergangen sind, hilft nur noch eine Unterbrechung der Diskussion: „Dann sagen Sie am besten: Komm, wir gehen auseinander, wir können gerade eh nicht mehr sachlich miteinander reden“, sagt Tobias Nitzschke.
Da die Kollegen aber auch zukünftig weiter zusammen arbeiten müssen, kommen beide um ein zweites Gespräch nicht herum. Damit es dabei nicht wieder zum Streit kommt, sollte man sich davor sein Ziel festlegen: Will ich mich vertragen? Will ich den eigenen Fehler eingestehen? Oder glaube ich weiterhin, dass ich Recht habe? Nitzschke empfiehlt, mit der sogenannten WWW-Formel vorzugehen. Hinter der Abkürzung verbergen sich die Wörter Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch. Das heißt im Klartext: Immer das Gespräch mit seinem Kontrahenten suchen, ihm erläutern, wie man das Gespräch wahrgenommen hat, wie es auf einen selbst gewirkt hat und den Wunsch äußern, dass man in Zukunft wieder miteinander auskommen möchte, damit einer guten Zusammenarbeit nichts mehr im Wege steht.