Altersstudie Die goldene Rentnergeneration

Die Angst vor der Altersarmut scheint eher ein Medienphänomen als tatsächlich empfundene Realität zu sein. Die Generali Altersstudie zeigt die deutschen Senioren materiell und körperlich in bester Verfassung.

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Generation Glück - Eine aktuelle Studie zeigt, dass Deutschlands Rentner trotz Medienphänomen Altersarmut ihr Leben genießen Quelle: dpa

Von zunehmender Altersarmut ist oft die Rede. Von den Freuden des Alters selten. Die stellt nun im Auftrag der Versicherung Generali das Allensbach-Institut in einer Umfrage unter 4.197 Deutschen über 65 Jahren heraus. Die ältere Generation ist mit ihrem Leben offenbar ausgesprochen zufrieden. Die 65- bis 85-Jährigen stufen ihre Lebenszufriedenheit demnach auf einer Skala von null (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (völlig zufrieden) mit einem durchschnittlichen Wert von 7,4 ein. Ein höheres Einkommen und Bildung beeinflussen dabei die Zufriedenheit positiv.
Grassierende Altersarmut scheint zumindest kein Mehrheitsphänomen zu sein. 63 Prozent bewerten die eigene wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut, nur jeder Hundertste nennt seine finanzielle Lage schlecht. Im Schnitt verfügen die 65- bis 85-Jährigen über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 2.200 Euro. Mehr als jeder Zweite wohnt der Studie zufolge in einer eigenen Immobilie. Nach Abzug laufender Kosten wie Miete, Kleidung und Nahrung haben sie im Durchschnitt mehr Geld zur freien Verfügung als die unter 65-Jährigen. Ein wichtiger Grund für den Alterswohlstand: Zwei Drittel der Rentner besitzen eine Immobilie.

Nicht nur nicht arm sind die deutschen Alten, sondern nicht einmal wirklich alt: Die ältere Generation fühlt sich im Durchschnitt zehn Jahre jünger, als es dem eigenen Lebensalter entspricht. Sie sind überraschend aktiv, mobil und engagiert, zudem außerordentlich zufrieden und materiell auf hohem Niveau abgesichert. Allerdings wurden pflegebedürftige, in Heimen lebende Menschen nicht befragt.

So glücklich sind die Deutschen
Die Deutschen sind genauso glücklich - oder unglücklich - wie noch vor drei Monaten. Der gefühlte Wohlstand hat sich seit der ersten Berechnung des Wohlstandsindex vor drei Monaten nicht verändert; er steht nach wie vor bei 42 von 100 möglichen Punkten. Für die Analyse wurden 2000 Menschen ab 14 Jahren befragt. Der Index, den der Zukunftsforscher Horst Opaschowski und das Marktforschungsinstitut Ipsos entwickelt haben, will neben dem ökonomischen Status auch die Zufriedenheit der Deutschen messen. „Durch Deutschland gehen Wohlstands-Risse“, sagte Opaschowski. Der Ipsos NAWI-D ist ein Barometer, das die für die Deutschen wichtigen aktuellen Grundvoraussetzungen für den Wohlstand erfasst und auf der Annahme beruht, dass Glück auf vier Säulen beruht: ökonomischer Wohlstadt (sicher und ohne Geldsorgen leben), Ökologischer Wohlstand (naturnah und nachhaltig leben), gesellschaftlicher Wohlstand (frei und in Frieden leben) und individueller Wohlstadt (gesund und ohne Zukunftsängste leben). Quelle: dpa
Frauen sind glücklicherMänner favorisieren und leben ganz andere Wohlstandswerte. Sie fühlen sich erst richtig wohl, wenn sie ein sicheres Einkommen haben, Eigentum (Haus, Wohnung, Auto) besitzen und sich materielle Wünsche erfüllen können. Männer denken mehr an die Sicherung ihres Lebensstandards, Frauen eher an die Erhaltung ihrer Lebensqualität. Lebenswichtig ist offensichtlich beides – mit einem wesentlichen Unterschied: Lebensqualität trägt mehr zur Lebenszufriedenheit bei. Auch ein Grund dafür, warum jede zweite Frau (51 Prozent) von sich sagen kann: „Ich bin glücklich“ (Männer: 47 Prozent).Methode: Der quantitativen Hauptstudie mit 4000 Befragten, bei der Wohlstandsverständnis und Wohlstandswirklichkeit abgefragt wurden, beruhte auf einer qualitativen, vorgeschalteten Repräsentativstudie unter 1000 Befragten. Quelle: obs
GeldsorgenFür den Großteil der Befragten (75 Prozent) bedeutet ökonomischer Wohlstand, frei von finanziellen Sorgen zu sein. Dass das auf sie zutrifft, sagen allerdings nur 37 Prozent. Noch ganz so deutlich ist der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim sicheren Einkommen: Das geben zweidrittel der Befragten als Maßstab für ökonomischen Wohlstand an, 46 Prozent - und damit nicht einmal jeder zweite Deutsche - sagen, dass das auf sie zutrifft. Nur 16 Prozent gaben an, dass für sie die Sicherheit des Arbeitsplatzes entscheidend ist - 34 Prozent immerhin halten den eigenen für sicher. Insgesamt fühlen sich demnach 42,2 Prozent im ökonomischen Wohlstand lebend. Aber: Zum Wohlstand heute gehört für mehr als die Hälfte der Bundesbürger im Alter bis zu bis 55 Jahren (53 Prozent), einen Beruf zu haben, „der Sinn macht“. Quelle: dapd
Umweltbewusst lebenÖkologischer Wohlstand ist den Befragten im Vergleich nicht so wichtig wie der ökonomische: Nur 18 Prozent gaben an, dass für sie das Verständnis von Wohlstand ist, in einer Welt zu leben, die gut mit der Natur umgeht, beziehungsweise selbst umweltbewusst (16 Prozent) zu leben. Ökologischen Wohlstand empfinden demnach 27,8 Prozent. Quelle: dpa
Meinungsfreiheit60 Prozent der Deutschen geben an, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Meinung frei geäußert werden kann, als Wohlstandsmaßstab gaben das allerdings nur 29 Prozent an. Gesellschaftlicher Wohlstand bemisst sich für die meisten darin, in Frieden mit ihren Mitmenschen zu leben (30 Prozent), 65 Prozent sagen immerhin, dass das ihrer Lebenswirklichkeit entspricht. Nur jeder Vierte hat für sich das Gefühl in einer toleranten Gesellschaft zu leben, für nur 19 Prozent ist das indes ein Wohlstandsindikator. Gesellschaftlichen Wohlstand sehen demnach 53,4 Prozent der Befragten in ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Quelle: dpa-dpaweb
Geld für die medizinische VersorgungIhren individuellen Wohlstand bemessen die Deutschen zum Großteil (52 Prozent) darin, sich eine gute medizinische Versorgung leisten zu können und keine Angst vor der Zukunft zu haben, auf 42 Prozent beziehungsweise 35 Prozent (Zukunftsangst) trifft dies laut der Studie zu. Für jeden zweiten Befragten war der Aspekt, sich gesund zu fühlen ausschlaggebend für den individuellen Wohlstand, auf 49 Prozent trifft diese Wunschvorstellung gar nach eigener Aussage zu. 41,9 Prozent sehen sich demnach in individuellem Wohlstand. Quelle: dpa-dpaweb
Ein Frau hält einen Geldbeutel in Händen Quelle: dpa

Aktiv und körperbewusst

Keiner Rentnergeneration der deutschen Geschichte ging es bislang so gut wie dieser - zumindest im Schnitt. Auch im Alter sind die sozialen Unterschiede zwischen den Schichten in den vergangenen Jahrzehnten erheblich größer geworden, wenn auch nicht in derart hohem Ausmaß wie bei den jüngeren Altersgruppen. Und es gibt durchaus auch Armut unter den 65- bis 85-Jährigen, wobei davon einen deutlich kleinere Anteil betroffen ist, als unter den Jüngeren.

"Sehr eindrucksvoll ist das starke Unabhängigkeitsstreben dieser Generation", sagt Allensbach-Chefin Renate Köcher. Im Schnitt sind ältere Menschen an fünf Tagen in der Woche außer Haus unterwegs. Zwei von drei Senioren besitzen und nutzen ein Auto. Vor allem ältere Frauen fahren heute häufiger selbst als die vorangegangene Rentnergeneration Mitte der achtziger Jahre. 37 Prozent der Senioren treiben regelmäßig Sport. Das Körperbewusstsein hat generell offenbar zugenommen. So verwendet jede zweite Frau von 65 bis 74 Jahren regelmäßig Lippenstift - vor rund 30 Jahren war es nur rund jede vierte. Damals interessierten sich Rentner kaum für Haut- und Körperpflege, heute sind sie darin kaum von jungen Menschen verschieden.

Interessiert, engagiert und kontaktfreudig

Neun von zehn Senioren informieren sich täglich über das Zeitgeschehen - aber nur sechs Prozent tun das im Internet. 45 Prozent engagieren sich ehrenamtlich. Elf Prozent sind ohnehin noch erwerbstätig. Nur jeder zweite Rentner sagt, dass er sich freut, nicht mehr arbeiten zu müssen. Auch Einsamkeit ist eher die Ausnahme: Nur vier Prozent aller 65- bis 85-Jährigen klagen darüber. Vier von fünf Senioren haben gute Freunde, die meisten halten engen Kontakt zu ihrer Familie, insbesondere zu den eigenen Kindern und Enkeln.

Die heutige Rentnergeneration dürfte nicht nur im Vergleich zu ihren Vorfahren einzigartig wohlhabend sein, sondern auch im Vergleich zu den Nachkommen. Die Allensbach-Studie zeigt, dass ein großer Teil der heute unter 65-Jährigen aller Voraussicht nach keine Rente erwarten kann, die über dem Existenzminimum liegt. Und vor allem: Das untere Drittel der Jüngeren hat kaum frei verfügbares Einkommen, das sie für das Alter ansparen könnte.

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