Amerikaner bunkern Scheine und Münzen Bargeld ist noch lange kein Auslaufmodell

Trotz des Siegeszugs von Kreditkarte und elektronischer Überweisung: Derzeit kursiert eine Rekordsumme von 1300 Milliarden US-Dollar in bar. Die Frage ist nur: Wo steckt das Geld?

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US-Dollar Scheine mit Flagge der USA Quelle: dpa

Trotz des Siegeszugs von Überweisung, Kreditkarte und Online-Bezahldiensten wie PayPal oder Apple Pay – ohne Bargeld geht nach wie vor nichts. Das legen die regelmäßig von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vorgelegten Daten zur Geldmenge M1 nahe. Diese umfasst den Bargeldumlauf (Scheine und Münzen) sowie Sichteinlagen (Bankguthaben ohne Kündigungsfrist, wie Girokonto oder Tagesgeld).

Im März ist der Bargeldanteil an M1 in den USA auf den Rekordwert von 1300 Milliarden Dollar gestiegen. Fast 1000 Milliarden Dollar davon sind als 100-Dollar-Scheine im Umlauf. 300 Millionen Dollar kursieren in Banknoten mit Nennwert 500, 1000, 5000 und 10.000 Dollar. Die werden zwar seit Jahrzehnten nicht mehr gedruckt, bleiben aber im Umlauf. Der Rest (nahezu 300 Milliarden Dollar) ist Bargeld in Stückelungen von unter 100 Dollar, vor allem im gebräuchlichsten aller Scheine, der 20-Dollar-Note.

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Das Geld ist im Umlauf - nur wo?

Wo genau all das Cash ist, weiß niemand. Aber die Fed kann genau sagen, wo es nicht ist. Es ist nicht in der Staatskasse und nicht bei einer der regionalen Zentralbanken im Federal Reserve System, auch nicht in den Tresoren der US-Geschäftsbanken oder sonstiger Institute mit Einlagengeschäft. Es muss also in Umlauf sein.

Fakt ist auch: Die umlaufende Bargeldmenge ist zuletzt schneller gewachsen als das nicht inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt und auch wesentlich stärker als die US-Bevölkerung. Derzeit bunkert, rein rechnerisch, jeder US-Haushalt 11.000 Dollar in bar; 2008 waren es noch 7000 Dollar je Haushalt.

Nun verlassen wir das Reich der Fakten und begeben uns in das der Spekulation: Weil es extrem unwahrscheinlich ist, dass jeder Amerikaner wirklich derart viel Bargeld hortet und weil in den USA Kreditkarten und elektronische Überweisung das Bargeld als offizielles Zahlungsmittel im Alltag nahezu ausgerottet haben, müssen sich die hohen Barbestände in den Händen einiger Randgruppen befinden, außerhalb der in der von den Steuerbehörden nachvollziehbaren legalen Volkswirtschaft.

Dollar-Scheine sind der Liebling der Kriminellen

Zunächst – auch wenn illegale Transaktionen mit virtuellen Währungen wie Bitcoin einiges an medialen Staub aufwirbeln – bleibt der wahre Freund des Kriminellen der Greenback. Eine einfache Aktentasche fasst locker Hundert-Dollar-Scheine im Wert von einer Million Dollar.

Ironischerweise unternimmt die US-Bundesdruckerei große Anstrengungen, um Fälschern immer eine Nasenlänge voraus zu sein; Hundert-Dollar-Scheine etwa stattet sie mit immer raffinierteren Sicherheitsmerkmalen aus. So können Drogenbosse sicher sein, dass ihr Geld reiner ist als das Heroin, das sie verkaufen.

Auch im Ausland sind hohe Dollar-Summen im Umlauf. Neben dollarisierten Volkswirtschaften wie Argentinien, Kuba, Panama oder El Salvador, wo der US-Dollar (teils als offizielle) Zweitwährung fungiert, nutzen die Menschen in Ländern wie dem Irak, Libanon, Bermuda und Zimbabwe den Dollar als Handelswährung, weil die dortigen Regierungen die eigene Währung zerstört haben. Laut einer Fed-Studie von 2012 über Dollar-Bestände im Ausland steigt die Nachfrage nach US-Dollar bei Finanzmarktturbulenzen stets stark.

Unruhen auf den Märkten nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 führten in ganz Osteuropa zu einer Flucht in den US-Dollar, die erst nach der Jahrtausendwende abebbte. Nach der Finanzkrise von 2008 war der Greenback vor allem in den Schwellenländern die Fluchtwährung Nummer eins.

Ein Großteil des Bargelds aber hat die USA nie verlassen. Er kommt zwar nicht für kriminelle Zwecke zum Einsatz, fließt aber an den Steuerbehörden vorbei: Die US-Schattenwirtschaft wird in einer Studie des Urban Institute von 2011 auf bis zu zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Sie dürfte stark gewachsen sein: Erstens sind die Erwerbsunfähigkeitsrenten von Menschen unter 60 stark gestiegen; es ist nicht anzunehmen, dass alle US-Früh- und Teilzeitrentner gar nicht mehr arbeiten, nur werden sie es wahrscheinlich schwarz tun, sonst gefährdeten sie ihre Rentenzahlungen.

Dasselbe gilt für die stark gestiegene Zahl der Sozialhilfeempfänger. Von Sozialhilfe allein kann in den USA, zumindest in Großstädten, kaum jemand leben. Eine Unterstellung, gewiss.

Gesichert jedenfalls ist eine Erkenntnis: Ein Auslaufmodell ist Bargeld noch lange nicht, es wird uns noch einige Zeit begleiten. Es sei denn, die Politik versucht, es zu verbieten.

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