Arbeitgeber in USA Genug Selbstvertrauen für Fehler

In den Vereinigten Staaten verteufeln Arbeitgeber Pannen im Job nicht. Im Gegensatz zu Deutschland - wo schnell mit dem Finger auf den Schuldigen gezeigt wird - hat sich in den USA eine positive Fehlerkultur entwickelt.

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Hauptsitz von Coca Cola in Atlanta.

LOS ANGELES. Die Navajo-Indianer in den USA weben traditionell Teppiche. Die Legende besagt, dass die Teppichkünstler jedes Mal mindestens einen Fehler in ihr Werk einbauen - ganz bewusst. Der Grund: Sie möchten die Götter nicht verärgern, indem sie es ihnen in ihrer Perfektion gleichtun. Die meisten amerikanischen Arbeitnehmer müssen sich über Fehler im Job heute keine großen Gedanken machen. Jeder macht sie, das gehört einfach dazu. Im Gegensatz zu Deutschland - wo schnell mit dem Finger auf den Schuldigen gezeigt wird - hat sich in den USA eine positive Fehlerkultur entwickelt. "Die Amerikaner haben es heute leichter, ihrem Chef gegenüber Fehler einzugestehen. Und nur das Zugeben von Fehlern kann dazu führen, dass die Unternehmen auch daraus lernen", betont Gerard Nierenberg, der ein Buch über die Fehlerkultur in den USA geschrieben hat. In "Do it Right the First Time" beschreibt er, warum Fehler im Berufsalltag als Chance immer häufiger genutzt werden. Prominente Beispiele gibt es zuhauf wie Coca-Cola: Die "New Coke" - eine umstrittene Idee der Marketingabteilung, die die Marke revolutionieren sollte - entwickelte sich zum Flop der Saison. "Für jedes andere Unternehmen eine riesige Pleite", urteilt Marktbeobachter Richard Farson. Doch nicht für Coca-Cola. "Statt die verantwortlichen Manager rauszuschmeißen, untersuchte die Firma die Fehler, die beim Marketing des neuen Produkts gemacht wurden", erzählt Farson, Autor des Bestsellers "Whoever Makes the Most Mistakes Wins". Aus dem Flop heraus entwickelte Coca-Cola das Prinzip des Brandings. Verlässlichkeit, detailliertes Planen und zu viel Lob sind laut Farson wahres Gift für das innovative Verhalten in einer Firma. Manager, die verlässlich sind, gingen meistens aus Angst vor Fehlern keine neuen Risiken ein. "Für ein Unternehmen eine absolute Katastrophe", meint Farson. Planung schnürt eine Firma zu sehr ein und lässt keine Kreativität zu. Kreativität allerdings birgt immer auch ein großes Fehlerpotenzial. Ein Fehlerpotenzial, aus dem sich "oft unglaublich gute Ideen entwickeln können". Zu viel Lob schließlich schaffe ein Umfeld in einer Firma, das ein Umkehrverhalten bei den Angestellten herbeiführen könne. "Wenn ein Chef zu viel lobt, dann wird ständig Lob erwartet. Fällt das Loben dann mal eine Zeit lang weg, ist der Gelobte schnell demotiviert", weiß Farson. Dasselbe gilt für zu viel Kritik. Nur wer Fehler macht, sie erkennt und zugibt "und dafür nicht gleich reglementiert wird, kann einen wertvollen Beitrag für die Firma leisten", weiß auch Warren Buffett. Der Multimilliardär lebt seit Jahren nach der Devise: Ich stelle lieber Manager ein, die genug Selbstvertrauen an den Tag legen, eigene Fehler zugeben zu können.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Fehlereingeständnisse in Serie bei "Forbes".

Wie sehr die Fehlerkultur in der US-Geschäftswelt akzeptiert ist, beweist eine Serie, die regelmäßig im "Forbes"-Magazin erscheint. Darin beschreiben Top-Manager fast schon ein bisschen stolz ihre größten Fehlentscheidungen. En détail berichtet Joe Sirianni, Vice-Präsident für das Merchandising bei der Firma Land's End, wie er Pullover im Wert von 1,5 Millionen Dollar vernichten musste, weil er eine falsche Anweisung gegeben hatte. Oder Tom Chappell, Präsident von Tom's of Maine, wie er Deodorant neu verpacken ließ und somit 400 000 Dollar verschwendete - ein Drittel des Gesamtumsatzes der Verpackungsfirma aus dem US-Bundesstaat Maine. Solche "Angebereien" und Fehlereingeständnisse wären in Deutschland wohl auch heute noch die große Ausnahme. Zu häufig lautet die Devise im Büroalltag zwischen Kiel und München: "Ich habe keine Schuld, der Meier hat's verbockt." Bloß keine Verantwortung übernehmen, bloß die Bürde auf andere Schultern legen. Ein großer Fehler, glaubt man den Ergebnissen einer Studie der Ohio State University. "Verantwortung übernehmen und ehrliche Entschuldigungen für die gemachten Fehler helfen Managern, Respekt und Anerkennung im Büro zu erlangen", betont Roy Lewicki, Co-Autor der Untersuchung. 45 Business-Studenten, die allesamt schon im mittleren Management gearbeitet hatten, wurden beauftragt, in mehr als 100 Unternehmen zu forschen, wie die jeweilige Firmenleitung mit Fehlern im Job umgeht und unter welchen Szenarien sie Fehler vom Boss verzeihen würden. Das Ergebnis war überwältigend: 90 Prozent der befragten Manager gaben zu, dass "das Anerkennen von einem Fehler und die Entschuldigung dafür mehr Respekt einbringen als das Abwiegeln und Herumsuchen nach anderen möglichen Schuldigen". Sicher, auch in den USA versuchen Bosse immer wieder gerne, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Unvergessen bleibt, wie der einstige Worldcom-Chef Bernard Ebbers sich vor dem Richter verteidigte. Seinen Anwalt ließ er argumentieren, dass der Vorstandschef "nicht wirklich verantwortlich ist für die Firma". Wirtschaftsprofessor Roy Lewicki hält dagegen: "Gerade die jüngsten Betrugsfälle in den Unternehmen haben in den USA heute mehr denn je ein Klima geschaffen, das Ehrlichkeit und somit auch Fehler in den Chefetagen endlich wieder zulässt."

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