Wer zur Arbeit pendelt, häufig den Job wechselt oder wegen einer Anstellung umzieht, trägt ein erhöhtes Risiko psychisch krank zu werden. Das geht aus dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hervor. Insgesamt hat sich dem Bericht zufolge die Zahl der Fehltage aufgrund einer psychischen Diagnose in Deutschland 2011 erneut deutlich erhöht. Der TK-Gesundheitsreport analysiert jährlich die Krankschreibungen und Arzneimitteldaten von 3,7 Millionen Erwerbstätigen.
Fehlzeiten wegen psychischer Krankheiten steigen
"Mobilität und Flexibilität gehen auf die Nerven", sagte eine TK-Sprecherin bei der Vorstellung des Berichts. Berufspendler, zu denen etwa 45 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zählen, werden mit 12,7 Tagen im Jahr zwar geringfügig weniger krankgeschrieben als wohnortnah arbeitende Erwerbstätige mit 12,9 Tagen. Aber Pendler sind mit 2,2 Fehltagen pro Kopf häufiger und langwieriger von psychischen Diagnosen betroffen als andere Beschäftigte (1,9 Tage).
Die fünf Großstädte mit dem höchsten Anteil an Pendlern
Offenbach am Main
Ludwigshafen
Mülheim an der Ruhr
Wolfsburg
Frankfurt am Main
Auch Umzüge wirken sich psychisch negativ aus. Der Studie zufolge waren Arbeitnehmer, die zwischen 2009 und 2011 aus beruflichen Gründen in einen anderen Landkreis oder Stadt zogen, im Jahr 2011 mit 4,01 Fehltagen fast doppelt so lange wegen psychischer Störungen krankgeschrieben wie Menschen, die im Heimatkreis arbeiteten (2,11 Fehltage). Im Vergleich zu Berufstätigen, die nah am Wohnort arbeiteten (1,92 Tage), fehlten Pendler (2,18 Tage) aufgrund psychischer Störungen 0,26 Tage länger am Arbeitsplatz. Wer den Job häufiger wechselte, war laut TK ebenfalls öfter von seelischen Störungen betroffen: Ab drei Wechseln zwischen 2009 und 2011 erhöhte sich das Risiko für psychische Erkrankungen 2011 etwa auf das Doppelte.
Die fünf Branchen mit dem höchsten Anteil an Pendlern
Industrieller Anlagenbau
Verarbeitende Industrie
Chemie-, Pharma- und Bio-Industrie
Technikbranche
Agrarwirtschaft
Dem Bericht zufolge ist die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Diagnosen im Jahr 2011 insgesamt erneut deutlich angestiegen. Zwischen 2010 und 2011 nahm sie bei den Erwerbstätigen um 6,3 Prozent (0,12 Tage) zu. Laut TK setzt sich damit ein Trend der vergangenen fünf Jahre fort. Demnach sind die psychisch bedingten Fehlzeiten seit 2006 um 61 Prozent gestiegen. Gut zwei Tage im Jahr ist jeder Beschäftigte in Deutschland aufgrund einer psychischen Diagnose krankgeschrieben.
Besonders betroffen sind den Angaben zufolge Beschäftigte in Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg. Ein erhöhtes Risiko haben Arbeitnehmer in Dienstleistungsberufen wie Callcenter-Mitarbeiter, Pflegepersonal und Erzieher. Frauen fehlen den Angaben zufolge häufiger wegen psychischer Erkrankungen als Männer, was laut TK allerdings auch daran liegen dürfte, dass sie öfter in diesen Dienstleistungsberufen tätig sind.
Strategien für gesünderes Arbeiten gefordert
Besonders gefährdet sind nach der TK-Studie Beschäftigte zwischen Mitte 30 und Mitte 50 Jahren. "Sie befinden sich beruflich häufig in der Phase, in der entscheidende Weichen für die Karriere gestellt werden, sie kümmern sich um ihre Kinder und nicht selten inzwischen auch um die Pflege ihrer Eltern", sagte TK-Vorstand Norbert Klusen bei der Vorstellung der Studie.
Die TK forderte angesichts dieser Studien-Ergebnisse Maßnahmen zur gesünderen Arbeitsgestaltung. "Es geht darum, Strategien für ein gesünderes Arbeiten zu entwickeln", so Klusen. Dazu gehöre, die moderne Kommunikation so zu nutzen, dass sie die Gesundheit der Beschäftigten nicht nur belaste, sondern Arbeit auch gesünder gestalte, etwa durch Home-Office-Angebote, Telefon- und Videokonferenzen.
Bereits Anfang Juni hatte die Bundespsychotherapeuten-kammer auf die Zunahme der Fehlzeiten wegen Burnout-Diagnosen hingewiesen. Demnach ist die Zahl der Fehltage seit dem Jahr 2004 um fast 1400 Prozent gestiegen. Fragwürdig ist diese Zahl allerdings, weil es keine allgemein anerkannte Definition eines Burnouts gibt. Häufig genannte Symptome des „Burnouts“ oder des „Ausgebranntseins“ treten auch bei einer Reihe psychischer Erkrankungen auf: u. a. Antriebsschwäche, gedrückte Stimmung, Reizbarkeit, Erschöpfung.
Mit Material von dapd