Arbeitsrecht Wann die Beleidigung des Chefs nicht den Job kostet

Der Stress in den Unternehmen steigt. Im Eifer des Gefechts rutschen Mitarbeiter immer wieder Beleidigungen heraus. Wann die Strafen dafür drakonisch ausfallen - und wann Gerichte die Kündigung wieder kassieren.

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Ausdruck des Zorns: Am Arbeitsplatz unerwünscht. Quelle: ap

Nicht immer haben Mitarbeiter so viel Glück wie der Angestellte aus Rheinland Pfalz. Der Einzelhandelskaufmann titulierte seinen Vorgesetzten beim Streit um eine Krankmeldung als „Wichser“ – und erhielt dafür prompt die Kündigung. Trotzdem ging der Ausfall für den Angestellten glimpflich aus.

Denn das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz erklärte die Kündigung für nicht rechtens (Az: 2 Sa 232/11). Nach Meinung des Gerichts ist auch bei grober Beleidigung eines Vorgesetzten eine vorherige Abmahnung sinnvoll, wenn zu erwarten sei, dass sie ihre Wirkung auf den Mitarbeiter nicht verfehle und sich daher der Vorfall auch nicht wiederholen werde. Das gelte auch bei üblen Beschimpfungen wie: "Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an." Eine fristlose Kündigung sei trotzdem nicht rechtens.

Immer wieder gehen am Arbeitsplatz die Emotionen mit den Mitarbeitern durch. Trotz des auf den ersten Blick erstaunlichen Urteils kann harsche Kritik oder gar eine Beleidigung des Arbeitsgebers schwerwiegende Folgen haben. „Grundsätzlich kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, wenn ein Arbeitnehmer arbeitsvertragliche Pflichten in erheblichem Maße verletzt“, sagt Christoph Abeln, Inhaber der gleichnamigen Kanzlei für Arbeitsrecht in Berlin und Frankfurt.

Zu diesen Pflichten zähle auch die Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des Arbeitgebers. „Beleidigungen und Ehrverletzungen verstoßen gegen diese Treuepflicht und können daher je nach Schwere eine Abmahnung oder Kündigung nach sich ziehen“, sagt Abeln. Das gelte nicht nur bei Ausfällen gegenüber dem Vorgesetzten, sondern auch bei Beleidigungen von Kollegen oder Kunden.

Angestellte müssen trotzdem nicht immer klein beigeben. Der Chef muss sachlich begründete Kritik hinnehmen. Solche moderaten Widersprüche deckt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. „Schmähkritiken“ oder „Formalbeleidigungen“ sind allerdings nicht gedeckt. „Immer wenn eine Person verächtlich gemacht werden soll und es nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, müssen Mitarbeiter aufpassen.
Bei klaren Beleidigungen ist die Lage meist eindeutig: „Sie haben doch nur bumsen im Kopf“ (LAG Köln 4 Sa 930/97) oder „Du bist ein Arschloch“ (LAG Rheinland-Pfalz 9 Sa 967/00) können den Job kosten. Nicht jede Äußerung, die der Arbeitgeber als grobe Herabwürdigung seiner Person versteht, wird aber auch juristisch als solche gewertet.

Bei der Beurteilung einer Äußerung werden auch stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dazu zählen etwa der Bildungsgrad des Arbeitnehmers, dessen psychische Verfassung, die Gesprächssituation, etwaige Provokationen oder die betrieblichen Umgangsformen. So erachtet das LAG Köln die nach unberechtigter Denunziation wegen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Verabschiedung geäußerte Beleidigung „blöder Sack“ als keinen ausreichenden Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung, weil sie durch unangemessenes Verhalten der Arbeitgeberseite provoziert worden ist.


Wann Schadenersatz droht

Das ArbG Frankfurt entschied, dass ein „Hau ab und verpiss Dich!“ im Verhältnis einer türkischen Reinigungskraft zu ihrem Vorgesetzten ebenfalls keinen ausreichenden Kündigungsgrund darstellt, weil der allgemein herrschende grobe Umgangston der Reinigungsbrache lediglich eine Abmahnung erlaubt hätte.

Auch nach Feierabend müssen Mitarbeiter aufpassen. „Ob eine Beleidigung inner- oder außerhalb der Arbeitszeit oder abseits vom Arbeitsort geäußert wird, ist generell unerheblich“, sagt Abeln. Vertrauliche Äußerungen im Familienkreis oder engen Kollegen- und Freundeszirkeln wird in der Regel nicht als Beleidigung gewertet. In diesem Fall kann damit gerechnet werden, die Äußerung nicht nach Außen getragen wird.

Neben den arbeitsrechtlichen Folgen drohen bei Beleidigungen auch straf- oder zivilrechtliche Folgen. Nach Paragraph 185 Strafgesetzbuch können solche Delikte mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. „Zivilrechtlich steht dem Arbeitgeber grundsätzlich ein Anspruch auf Widerruf und Unterlassung der beleidigenden Äußerungen zu“, sagt Abeln. Arbeitnehmer können auch für Kosten für die Durchsetzung der Rechte des Chefs in Regress genommen werden und müssen etwa für den Anwalt oder den Prozess zahlen.

Bei einer Rufschädigung droht Schadenersatz. Das gilt aber nur bei schwerwiegender Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ob dies der Fall ist, hängt von der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Rufschädigung ab. Vor allem mit Diffamierungen in den Medien sollten sich Angestellte zurückhalten. Das gilt übrigens auch für Vorgesetzte. Einer Arbeitnehmerin wurden etwa vom Bundesarbeitsgericht 4.000 Euro Schadenersatz zugesprochen, weil ihr Arbeitgeber sie in der Hauszeitung als „faulste Mitarbeiterin Deutschlands“ bezeichnet hat (BAG 8 AZR 735/97).

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