Architekten der Arbeit So sieht die Berufswelt der Zukunft aus

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"Starre Hierarchien verlieren zunehmend an Bedeutung"

Michael Sommer war von 2002 bis 2014 Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Das SPD-Mitglied tritt für einen allgemein verbindlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ein.

Michael Sommer war von 2002 bis 2014 Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Quelle: dpa

„Das Durchschnittsalter der Beschäftigten in den Betrieben wird sich erhöhen, es werden weniger junge Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen. Wir brauchen deshalb mehr gute und gesunde Arbeit über das ganze Arbeitsleben hinweg, gerade auch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Doch die körperliche Belastung ist in vielen Berufen immer noch hoch; hinzu kommen die psychischen Gefährdungen, die in den letzten Jahren dramatisch zugenommen haben. Das bedeutet, dass aktiv bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden müssen. In einigen Bereichen haben Arbeitgeber, beispielsweise in der chemischen Industrie oder der Metallindustrie, diese Notwendigkeit erkannt. Doch viele andere sind noch nicht aufgewacht.“

Christian Lindner wurde 2013 zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Vor seiner politischen Karriere war der Politikwissenschaftler unter anderem Inhaber einer Werbeagentur.

Christian Lindner wurde 2013 zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Quelle: REUTERS

„Starre Hierarchien verlieren zunehmend an Bedeutung, teamorientierte Projektarbeit ist auf dem Vormarsch. Beschäftigte übernehmen in Projektteams Leitungsfunktionen aufgrund ihres Wissens und nicht aufgrund ihrer hierarchischen Stellung. Kooperation und Vernetzung im Job ist von herausragender Bedeutung. Den Weg in die Wissensgesellschaft und Kreativarbeit prägen Elemente wie Projektarbeit, Selbstständigkeit sowie Honorar- und Zeitverträge. Diese neuen Erwerbsformen werden zunehmend frei gewählt und sind somit nicht mehr ein Kennzeichen von wenigen Berufsfeldern oder gar von Arbeit zweiter Klasse.“

Richard Sennett lehrt Soziologie und Geschichte an der New York Universität und der London School of Economics and Political Science. Seine Hauptforschungsgebiete sind Städte, Arbeit und Kultursoziologie. Sennett hat mehrere Beststeller geschrieben.

„Ich glaube nicht, dass man ein permanentes Glück am Arbeitsplatz empfinden kann. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich das Gefühl einer grundlegenden Zufriedenheit einstellt, wenn man das Gefühl hat, seine Sache gut zu machen. Um das zu erreichen, müssen Menschen die Möglichkeit haben, über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahre hinweg gleiche oder sehr ähnliche Aufgaben zu bearbeiten. Das Flexibilitätspostulat im Personalmanagement der letzten Jahre steht dieser Erkenntnis diametral gegenüber: Die Leute werden permanent von einer Aufgabe zur anderen geschoben, um sie ständig auf einem Niveau der Einarbeitung und Unsicherheit zu halten. Damit wird letztlich das Gefühl der Genugtuung, das sich nach einer erfolgreich erledigten Aufgabe einstellt, zerstört.“

Günter Wallraff, Deutschlands wohl bekanntester Enthüllungsjournalist, sorgte zuletzt mit seiner RTL-Serie „Team Wallraff“ für Furore. Dort deckten die Reporter hygienische Mängel bei der Fastfood-Kette Burger King auf.

Günter Wallraff, Deutschlands wohl bekanntester Enthüllungsjournalist, sorgte zuletzt mit seiner RTL-Serie „Team Wallraff“ für Furore. Quelle: dpa

„Die Arbeit muss wieder humaner, erträglicher und sinnstiftender werden. Niedere Arbeit muss aufgewertet werden. Soziale Dienstleistungen müssen hoch angesiedelt werden in der gesellschaftlichen Rangordnung und entsprechend entgolten werden. In anderen Ländern wie der Schweiz wird z. B. eine Krankenpflegerin oder ein -pfleger im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen wesentlich besser bezahlt als bei uns. Wir sollten diskutieren, wie wir soziale Berufe attraktiver machen können. Dazu gehört der Mindestlohn. Es sollte aber auch Höchstlöhne geben, um der zunehmenden sozialen Ungleichheit Einhalt zu gebieten. Mindest-und Höchstlöhne könnten dann in eine Wechselbeziehung gebracht werden. Derjenige, der seinen Höchstlohn nach einem festgelegten Schlüssel von beispielsweise dem Zehn- oder meinetwegen auch bis zum Zwanzigfachen des Mindestlohns festlegt, der wird als Chef schon aus eigenem Interesse daran interessiert sein, dass der Mindestlohn seiner Mitarbeiter nicht zu gering ist und es dort eine Entwicklung nach oben gibt.“

Richard B. Freeman lehrt Wirtschaftswissenschaften in Harvard. Außerdem ist er als Berater tätig, unter anderem für die Weltbank und die Europäische Union.

„Wenn die Arbeit der Zukunft flexibler gestaltet wird und sich die Macht auf dem Arbeitsmarkt mehr und mehr zugunsten der Arbeitgeber verschiebt, wird die Industrie ihre Produktion nach China, Indien und Osteuropa verlagern, weil sie dort Niedriglohnarbeiter zur Genüge findet. Ich bin deshalb der Auffassung, dass es die einzige Lösung sein wird, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mehr Kapital auszustatten. Durch Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen gewinnen in Zeiten des Aufschwungs sowohl die Unternehmer als auch ihre Arbeitskräfte. Die Arbeitnehmer haben dann mehr als ihre reine Arbeitskraft, sie haben einen Anteil am Betrieb und somit einen gewissen Schutz.“

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