Begräbnisriten "Der Schmerz soll in Watte gepackt werden"

Seite 2/4

Die anonyme Bestattung

Noch einmal: Sie wollen sagen, die anonyme Bestattung, ohne Abschied durch die Angehörigen, sei kein Bruch mit der Tradition?

Ein Bruch ist sie insofern, als sie ein Novum darstellt in unserer Kultur, aber auch nur in Bezug auf die letzten 200 Jahre. Die Beerdigung Mozarts fand bekanntlich noch in einem Massengrab statt, vor den Toren Wiens. Das war damals gängige Praxis und entspricht, was die hygienischen Standards betrifft, in etwa dem Ausstreuen der Asche auf einem Feld. Im Übrigen gibt es auch bei der anonymen Bestattung Restformen des Rituellen: Nicht der Friedhofsgärtner verstreut die Asche, sondern der Friedhofsangestellte, und der trägt sicher einen schwarzen Anzug.

Die zehn skurrilsten Bestattungsriten
Die Bestattung in einem normalen Holzsarg ist keineswegs die einzige Möglichkeit, seine letzte Ruhe zu finden. Weltweit existieren viele verschiedene Bestattungsarten, die stark vom kulturellen Kontext abhängen. Das Informationsportal Bestattungen.de hat die zehn außergewöhnlichsten Bestattungsriten zusammengestellt.Platz 10: Weltraumbestattung (USA) Wenn schon nicht zu Lebzeiten, dann soll es wenigstens danach mit der Reise in den Weltraum klappen: In den USA bietet das Unternehmen Celestis „Memorial Spaceflights“ an – Kostenpunkt: zwischen 8000 und 25.000 Euro. Dabei wird nach der Feuerbestattung die Asche der Verstorbenen in kleine Kapseln gefüllt, die per Rakete ins Weltall befördert werden. Celestis hat schon knapp 1000 Menschen auf diese Weise bestattet. Auch Prominente wie „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry und „Scotty“-Darsteller James Doohan führte ihre letzte Reise ins All. Quelle: NASA
Platz 9: Fußballbestattung (England)Einige hartgesottene Fußballfans wollen auch über ihren Tod hinaus mit ihrem Lieblingsverein verbunden bleiben. Weltweit werden 2013 knapp 25.000 Fanbestattungen erwartet. Namhafte Vereine wie Manchester United bieten unterschiedliche Möglichkeiten für die Fanbestattung an. Anders als in Deutschland kann in England die Asche des Verstorbenen auch auf dem „Heiligen Rasen“ im Stadion verstreut oder hinter der Torlinie beigesetzt werden. BVB-Fans beispielsweise bleibt immerhin eine Bestattung im schwarz-gelben Sarg mit Vereinslogo. Quelle: André Zahn/Creative Commons
Platz 8: Traditionelle Totenwache (Japan)In Japan sind die Beerdigungsriten hauptsächlich von buddhistischen Traditionen geprägt. Sie besitzen jedoch auch konfuzianische, christliche und Shinto-Elemente. Bei der traditionellen Totenwache wird der Verstorbene in einen weißen Kimono gekleidet und mit weißen Tüchern bedeckt. Es gibt einen Altar, an dem von den Besuchern Geldgeschenke zur Finanzierung der Beisetzung gemacht werden. Diese sind auch nötig, denn eine durchschnittliche Beerdigung kostet in Japan umgerechnet rund 17.000 Euro. Quelle: katorisi/Wikimedia Commons
Platz 7: Klassische Bestattung der Dani (Papua-Neuguinea)Das indigene Dani-Volk in Papua-Neuguinea hat eine grausame Begräbnistradition: Verwandten Frauen und Kindern des Verstorbenen werden Finger amputiert. Der abgetrennte Finger soll die Geister besänftigen und der physische Schmerz dient als Ausdruck des Leidens. Heute ist diese kulturelle Praxis weitgehend verboten. Quelle: Dian Karlina
Platz 6: Bestattung in hängenden Särgen (China)Nicht unter der Erde, sondern in der Luft hängend sind die Verstorbenen im Südwesten der chinesischen Provinz Sichuan einst beerdigt worden. Das Volk der Bo, das um 1600 unter mysteriösen Umständen verschwand, hat seine Toten an Felswänden aufgehängt. Die Särge wurden jeweils aus einem einzigen Baumstamm angefertigt und mit Seilen an den Klippen befestigt. Es wird angenommen, dass dieses Ritual den Weg ins Jenseits erleichtern sollte. Quelle: Matt Ferrin
Platz 5: Famadihana-Umbettung (Madagaskar)Das eigentlich wichtige Ereignis im Rahmen des madagaskarschen Ahnenkults ist nicht das Begräbnis selbst, sondern die Aushebung der Leichen, die Jahre nach der Bestattung zelebriert wird. Die komplette Dorfgemeinde tanzt bei der sogenannten Famadihana mit den Toten, um die Verbindung zu den Vorfahren zu stärken und ihnen Respekt zu zollen. Dabei werden die alten Leichentücher durch neue Seidentücher ersetzt. Für die Familienclans ist die Famadihana ein Tag der Freude, der mit Livemusik und Festessen gefeiert wird. Quelle: Saveoursmile (Hery Zo Rakotondramanana)/Wikimedia Commons
Platz 4: Hinduistische Feuerbestattung (Indien)Die traditionelle hinduistische Feuerbestattung findet schon seit Jahrtausenden in speziell dafür genutzten Kremationsstätten statt. In Varanasi wurden zahllose Scheiterhaufen direkt am Ufer des heiligen Flusses Ganges errichtet. Jedes Jahr wird die Asche von rund 100.000 Menschen im Ganges beigesetzt. Der heute enorm verschmutzte Fluss verheißt hinduistischen Glaubensvorstellungen zufolge die Absolution und damit ein Entkommen aus dem beschwerlichen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Frauen dürfen die Kremationsstätten nicht betreten. Quelle: Eric Parker/Creative Commons

Riten, so heißt es, vermitteln Trost, geben Halt im Haltlosen. Wie funktionieren sie, was ist ihr Betriebsgeheimnis?

Ich denke, man tut gut daran, zwischen Riten und Symbolhandlungen zu unterscheiden. Riten funktionieren immer durch Routinen. Ohne Routinen würden wir unseren Alltag nicht bestehen. Wenn ich jeden Morgen in den selben Bus steige, dann kann ich in der Regel sicher sein, dass er mich an mein Ziel führt, ich muss nicht jeden Morgen neu darüber nachdenken. Und wenn er es nicht tut, ist das ein Verstoß, dann bin ich sauer. Religiöse Riten funktionieren auf die gleiche Weise: Sie sind auf Wiederholbarkeit angelegt, auf Routinen. Ich muss nicht darüber nachdenken, wie ich mitten in meinem Schmerz den lieben Freund, den lieben Verwandten begrabe. Das heißt: Religiöse Riten entlasten uns, sie zeigen, wie die Routinen des Alltags, dass die Welt in Ordnung ist.

Trotz des Chaos, in das ich geraten bin.

Genau. Der Ritus zeigt, dass es eine gute Ordnung des Lebens gibt. Inwieweit ich als Trauernder in der Lage bin, in diese Ordnung zurückzufinden, ist individuell natürlich sehr verschieden. Ich komme ja von der Beerdigung nicht mit dem Gefühl zurück, dass meine Welt in Ordnung ist. Im Gegenteil, sie ist in Unordnung geraten. Aber der Ritus zeigt mir: Es gibt diese Ordnung. Und ich soll in sie zurückkehren.

Was in keinem Testament fehlen darf
HandschriftWer sein Testament selber erstellen will, muss das handschriftlich machen. Denn ein maschinell geschriebenes Exemplar ist nicht gültig und wird von den Gerichten nicht anerkannt. Der Verfasser muss anhand der Handschrift identifizierbar sein. Viele machen den Fehler, und benutzen einfach maschinelle Vordrucke aus dem Internet. Alternativ kann einem ein Notar das Testament als Urkunde erstellen. Auch die muss aber handschriftlich unterschrieben werden. Außerdem sollte das Testament mit einer eindeutigen Überschrift versehen werden, damit es nicht verwechselt wird. Die genaue Bezeichnung ist aber frei wählbar, beispielsweise "Testament" oder "Mein letzter Wille". Quelle: dpa
UnterschriftEgal ob Sie das Testament allein anfertigen oder mit Hilfe des Notars - vergessen Sie nie die Unterschrift. Ohne die ist das Schreiben nicht gültig. Sie sollte immer am Ende des Dokuments stehen. So verdeutlicht sie, dass der letzte Wille hier zu Ende ist. Sobald das Testament mehrere Seiten lang ist, sollte jedes Blatt einzeln unterschrieben sein. Auch wenn das Dokument zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wird, ist wieder eine Unterschrift nötig, damit der Zusatz auch gültig ist. Im Idealfall sollte der Verfasser des Testaments mit seinem Vor- und Nachnamen unterschreiben. Wurde anders unterschrieben, beispielsweise mit "Euer Vater", ist das Testament trotzdem gültig, wenn der Verfasser sicher ausfindig gemacht werden kann. Quelle: AP
Datum und Unterschrift Quelle: dpa
Nicht verlieren! Ist das Testament fertig erstellt, sollte es nicht zu Hause zwischen den heimischen Papier- und Aktenbergen verschwinden. Auch der Nachtschrank oder Schreibtisch ist kein guter Aufbewahrungsort. Die Gefahr, dass keiner der Hinterbliebenen das Testament findet, ist zu groß. Sicherer ist es, den letzten Willen gleich beim Nachlassgericht zu hinterlegen. Dort wird das Testament dann auch eröffnet. Anfang 2012 wurde zudem das Zentrale Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer in Berlin eingeführt. Dort werden Testamente registriert und ihr Verwahrungsort hinterlegt. Im Todesfall kann die Kammer so überprüfen, ob ein Testament vorliegt und gegebenenfalls das zuständige Nachlassgericht informieren. Quelle: Fotolia
Pflichtteil beachten! Auch mit einem Testament muss die gesetzlich vorgeschriebene Erbfolge eingehalten werden. Das gilt insbesondere für den Pflichtteil. Wird der vom Verfasser nicht beachtet, können die Betroffenen ihn einklagen. Einen Anspruch auf ihren Pflichtteil haben die in der Erbfolge nächsten Angehörigen – die Kinder und Enkel des Verstorbenen, der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner sowie die Eltern. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Quelle: Fotolia
Alles verteilen!Legen Sie in Ihrem Testament möglichst genau fest, wer am Ende was bekommt - nur so lassen sich nervige Streitereien vermeiden. Schreiben Sie also detailliert, wer Schmuck, Ferienhaus, Wertpapierdepot oder Auto erben soll. Nennen Sie dabei möglichst den vollständigen Namen des jeweiligen Erben, keine Spitznamen. Je detaillierter und genauer das Testament geschrieben ist, desto leichter haben es die Erben und der Notar. Quelle: dpa
Berliner TestamentOft wird auch ein sogenanntes Berliner Testament abgeschlossen. So nennt die Fachwelt ein gemeinsames Testament von zwei Verheirateten oder Lebenspartnern. Beide Unterzeichner setzen sich für den Fall des Todes gegenseitig als Erben ein. So erbt der Hinterbliebene zunächst alles, während bei einem normalen Testament auch die Kinder ihren Anteil bekämen. Beim Berliner Testament sind die Kinder Schlusserben, sie bekommen das Vermögen erst, wenn beide Elternteile gestorben sind. Wer sich für ein solches gemeinsames Testament entscheidet, muss allerdings bedenken, dass es auch nur gemeinsam wieder geändert werden kann. Wenn einer der Partner bereits verstorben ist, kann der Hinterbliebene das Testament nur ändern, wenn es eine entsprechende Freistellungsklausel enthält. Quelle: dpa

Der Ritus soll stabilisieren.

Und das tut er, indem er mich entlastet, indem nicht ich den Vollzug der Handlung steuere, sondern umgekehrt der Ritus die Form der Handlung bestimmt. Nicht ich muss entscheiden, ob und an welcher Stelle der Sarg abgesenkt wird, sondern das entscheidet die Form „an sich“, der ich mich anvertraue. Klar, wenn ich zum ersten Mal an einer Beerdigung teilnehme, ist das für mich alles andere als routiniert. Aber für die Gemeinschaft, in diesem Fall die Kirche, die ihre Toten seit 2000 Jahren begräbt, für die ist das eine Routine.

Man delegiert beim kirchlichen Begräbnis also die Form, in der man endgültig vom Verstorbenen Abschied nimmt. Wären nicht auch neue, zeitgemäße Riten vorstellbar?

Man kann heute alles ritualisieren, das behauptet jedenfalls der Ratgebermarkt: Die Trennung vom Ehepartner, die Forderung um Gehaltserhöhung, den Eintritt ins Pensionsalter. Für alles Mögliche gibt es inzwischen Riten von Ritendesignern. Ich meine allerdings, dass der Begriff Ritus sinnvoll nur dann verwendet werden kann, wenn er auf eine Alltagsroutine verweist. Ich bezweifle auch, dass man Riten ernsthaft erfinden kann. Man muss sie „finden“, kann sie aber nicht „erfinden“. Wenn man die christlichen Riten betrachtet, dann fällt doch auf, dass sie sämtlich auf anthropologischen Grundmustern beruhen, auf Grundvollzügen des menschlichen Alltags: Die Taufe auf dem Waschen, die Firm-Salbung auf der Körperpflege, die Eucharistie auf Essen und Trinken. Die neueren Gestaltungselemente, das Aufsteigen-Lassen von Luftballons am Grab, das Anmalen des Sargs, das Schreiben von Abschiedsbriefen – das sind Symbolhandlungen. Die setzen aufs Individuelle, Persönliche, Unverwechselbare...

...auf das Unikat

...und sind deshalb das Gegenteil eines Ritus. 

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%