Berit Brockhausen im Interview "Vorwürfe sind unerotisch"

Paartherapeutin Berit Brockhausen über die Sexualität von Karrierefrauen.

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Paartherapeutin Berit Brockhausen Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Welche Rolle spielt die Sexualität in Ihrer Paarberatung?

Brockhausen: 50 Prozent der Paare kommen in meine Praxis, weil sie Schwierigkeiten mit ihrer Sexualität haben. Erfolgsverwöhnte Leute haben häufig Probleme damit, wenn ihr Körper beim Sex nicht funktioniert. Gerade in Karrierejobs gehen viele körperlich über ihre eigenen Grenzen. Kein Wunder, dass es dann abends beim Sex nicht mehr klappt.

Was verstehen Frauen im Unterschied zu Männern unter erfüllter Sexualität?

Frauen achten häufiger als Männer auf den Aspekt der Befriedigung. Diese ist bei Frauen unabhängig vom Orgasmus. Leider nimmt jedoch der Funktionsdruck für Frauen zu, sodass Befriedigung ohne Orgasmus zunehmend – sowohl von den Frauen wie auch ihren Partnern – als unzureichend erlebt wird.

Und was verstehen Sie selbst unter wirklich gutem Sex?

Guter Sex hat viel mit Genuss zu tun und mit der Fähigkeit, zu spüren statt zu funktionieren, zu sich selbst zu stehen und dem anderen zu zeigen, was geht und was man möchte. Das ist für viele noch ein regelrechtes Tabu.

Hilft ein solches Selbstbewusstsein auch im Beruf weiter?

Wenn ich die Fähigkeit entwickelt habe, für mich selbst und meine sexuellen Bedürfnisse die Verantwortung zu übernehmen, macht mich das auch im Beruf erfolgreicher. Gerade in der Teamarbeit versetzt mich das in die Lage, Konflikte zu akzeptieren oder auszuhalten, dass ein Kollege andere Vorschläge hat, sowie nach Lösungen zu suchen, die möglichst vielen Beteiligten gerecht werden.

Bringt es Vorteile im Job, wenn ich einen besseren Zugang zu meiner Sexualität gefunden habe?

Nicht zwingend. Ich habe ein Paar beraten, bei dem der Mann – ein erfolgreicher Manager, der viel reisen muss – seine Karriere nun noch einmal überdenkt, weil er häufiger mit seiner Partnerin zusammen sein will. Guter Sex kann auch bewirken, dass ich im Job keinen Biss mehr habe, weil ich ständig an meinen Partner denke oder weniger auf Bestätigung durch meinen Beruf angewiesen bin.

Was passiert bei Paaren, wenn einer von beiden plötzlich weniger Erfolg hat?

Beides kommt vor: Mit dem Karriereknick kommt auch das Versagen im Bett. Bei anderen führt der Verlust der beruflichen und wirtschaftlichen Potenz dazu, dass der Betreffende das durch sexuelle Potenz auszugleichen versucht. Nicht zuletzt, um wenigstens auf diesem Gebiet Selbstbestätigung zu erhalten.

Haben erfolgreiche Frauen weniger Schwierigkeiten mit ihrem Sexleben?

Manche Frauen haben viel Selbstbewusstsein und strahlen das auch im Beruf und in der Liebe aus. Andere erklären mir, dass sie als Führungskraft tagtäglich schon so viele Anweisungen und Hinweise geben müssen, sodass sie dann keine Lust mehr haben, beim Sex zu sagen, was sie wollen. Wieder andere sind zu dominant nach dem Motto: Jetzt habe ich ihm doch schon dreimal gesagt, was ich möchte, und er macht es immer noch nicht.

Und was raten Sie diesen Frauen?

Sie sollten sich fragen, wie erfolgreich sie mit dieser Strategie sind. Vorwürfe sind normalerweise nicht sehr erotisch und motivierend für den anderen. Zudem sollten sie herausfinden, wie sie sich in ihrer Beziehung besser aufeinander einstimmen können und wie sie einander vermitteln können, was sie mögen und brauchen. Lust und Erotik kann schließlich nicht auf Knopfdruck abgefordert werden.

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