Die Adilette zum Beispiel genießt außerhalb der Landesgrenze keinesfalls den Ruf einer Unterschichten-Sandale. Und niemand käme in Singapur auf die Idee, Birkenstock als Ökolatsche zu bezeichnen. Zwar werden die Schlappen auch in diesem Sommer wieder in bayrischen Biergärten und norddeutschen Strandbädern zu sehen sein – aber viel häufiger noch am Strand von Rio de Janeiro und in den Straßen New York Citys. Wieso?
Eigentlich ist man von einem Volk, das mit dem Etikett made in Germany für sich wirbt und stolz ist auf seine diffizile Ingenieurkunst à la BMW oder Bosch, auf feinste Messer aus Solingen und zartes Porzellan aus Meißen etwas mehr Begeisterung gewöhnt. Doch die setzt scheinbar aus, wenn es um die Latsche geht – und sei sie ergonomisch noch so einwandfrei geformt.
„Bequem-Schuhe sind in Deutschland nur mäßig beliebt, weil sie zu sehr in der Gesundheits-, Öko- und Seniorenecke verhaftet sind“, sagt Markenexperte Karsten Kilian, Professor an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. „Marken helfen, uns selbst einer Gruppe zuzuordnen und abzugrenzen – Bequem-Schuh-Marken sind da eher nicht hilfreich.“
Bei Birkenstock zumindest liegt die Antwort vermutlich in der Historie verborgen. Seit 1774 gibt es das Unternehmen schon. Doch es sollte fast 200 Jahre dauern, bis Karl Birkenstock, ein Nachfahre des Gründers, eine Sandale mit zwei breiten Riemen erfand. Das Ziel seiner zahlreichen Tüfteleien: „Hochwertige Materialien und durchdachte Funktionalität, die den Fuß optimal unterstützen, durch den offenen Fersenbereich aber ein schnelles Heraus- und Hereinschlüpfen ermöglichte.“
Klingt kompliziert, trägt sich aber ausgezeichnet. Nur zehn Jahre nach der Geburtsstunde der Adilette gab es eine weitere Sternstunde der weltweiten Fußgesundheit: das Birkenstock-Modell Arizona. Leider zog die schlichte Sandale in den folgenden Jahren vor allem Ökos, Steinewerfer und Waldorflehrer an, was zu einem fast 40 Jahre andauernden Imageproblem führen sollte. Dann im vergangenen Sommer – endlich die Trendwende. Auf einmal zierten die „Birks“ auch die Füße von BWL-Studenten, Bankern und dem Rest der kapitalistischen Welt.
Im Ausland hingegen war es nie anders – dort genießen Birkenstocks schon seit jeher einen ausgezeichneten Ruf. Vor allem in Asien. Das Unternehmen unterhält etwa einen Shop auf Singapurs Luxusmeile Orchard Road. Auch preislich spielt der Schuh dort in einer anderen Liga. Kostet das Modell Arizona hier um die 45 Euro, muss man in Singapur fast das Doppelte berappen.
Unlängst wurde die Sandale vom britischen Design Museum in das Buch „50 Schuhmodelle, die die Welt veränderten“ aufgenommen.