„In den vergangenen zwei Jahren haben wir einen Trend gesehen, den wir ernst nehmen. Die Entwicklung betrachten wir gespannt und haben uns deshalb entschieden, früh mit dabei zu sein“, sagt Niewodniczanski. Im großen Stil den Markt zu überrollen sei dabei nicht das Ziel. Die Anlage, auf der gebraut wird, ist zu klein, um flächendeckend das Bier zu vertreiben, erhältlich ist es bisher lediglich im Online-Shop. Wichtiger seien zunächst die Erkenntnisse, die die Gruppe über Herstellung und Zielgruppe gewinnt.
Eines der drei Biere ist ein India Pale Ale – kurz IPA. Kaum eine handwerklich arbeitende Brauerei, die dieses aus den USA stammende, kräftige Bier nicht im Angebot hätte. Denn trotz des Innovationswillens vieler Craft-Brauereien setzen sich bestimmte Sorten durch. Ähnlich wie die wachsende Zahl an kleinen Kaffeeröstereien, die im Gleichtakt bestimmte Sorten wie Yirgacheffe oder Kopi Luwak führen, ist IPA das Kürzel, das Wiedererkennungswert und zugleich Individualität verspricht. Während die Kunden in der Gaststätte oder im Getränkemarkt vielleicht noch nach der Rebsorte des Weins fragen, erkundigt sich kaum jemand nach der Zusammensetzung der Biere. Craftwerk listet wie alle Craft-Brauer säuberlich die Malzsorten – vier – und Hopfenarten – zehn – auf, die mit Hefe und Wasser vergoren werden. Reinheitsgebot – das ist auch für Craftwerk weiterhin eine Leitlinie. „Wir wollen zeigen, dass auch damit Abwechslung möglich ist. Das ist technisch die größere Herausforderung. Ob man bei weiteren Spezialitäten später einmal davon abweicht, das werden wir sehen“, sagt Niewodniczanski. Der Brauriese sieht sich nicht als Konkurrent der kleineren Mitbewerber, die teils neidisch, teils neugierig die technischen Möglichkeiten der Pilotbrauerei beobachten. „Auf den Braufestivals wie in Berlin stößt man auf eine gewisse Offenheit für uns, auch weil einige denken, dass einer der Großen als Lokomotive dem Thema helfen kann.“
Skandalöse Namen
Vielleicht ist es aber auch genau andersrum. Denn kaum ein Genussmittel hat so große Probleme, junge Kunden zu gewinnen. Alcopops oder auch die alkoholfreien Getränke wie die Limonade Club-Mate stehen bei der Jugend und vielen sich für ewig jung haltenden Mittvierzigern nicht zuletzt wegen ihres frischeren Auftretens höher im Kurs. Marken wie Astra mit seinem Rotlicht oder Rothäuser mit seinem Tannenzäpfle sind Ausnahmen der Regel.
Niewodniczanski sieht den Charme der experimentierenden Craft-Brauer, die mit entstaubtem Marketing das Lebensgefühl der 20- bis 30-Jährigen genau treffen: „Craft-Biere helfen sicher, junge Konsumenten und Individualisten für das Thema Bier zurückzugewinnen.“
Und sei es nur durch einen vermeintlich skandalösen Namen. Eine in Berlin ansässige Vertriebsgesellschaft verkauft ein Bier, das der österreichischen Gemeinde Fucking gewidmet ist. Es ist ein typisches Helles, gebraut in Ostdeutschland. Einen Erfolg feierte die Marke beim europäischen Markenamt, das der Kombination aus Ortsnamen und Brauart seinen Segen gab: Fucking Hell.