Es sind zumeist junge Leute, die eifrig mit Hopfensorten und neuen Hefen experimentieren, aber auch in belgischer Tradition nicht davor zurückschrecken, Zutaten wie Koriander oder Banane mit zu vergären. So betreibt der Kölner Brauer Peter Esser in Köln-Ehrenfeld die Braustelle. 500 Hektoliter produziert er im Jahr, das meiste wird gleich vor Ort getrunken, denn, wie in Kölner Brauhäusern üblich, serviert Esser auch Essen. Die Craft-Bier-Welle hat nun auch ihn eingeholt. „Neulich rief ein Kunde an und fragte, ob er ein paar Flaschen bestellen könne, ich sei doch eine Craft-Brauerei“, sagt Esser mit mildem Amüsement. Er selber sehe sich immer noch als Hausbrauer.
So altmodisch seine eigene Berufsbezeichnung, so wild sein Marketing. Pink Panther heißt eine seiner erfolgreichsten Kreationen, in der er Hibiskusblüten mit vergären lässt, demnächst füllt er ein Schokoladenbier ab. Zur Kultur des Brauens im kleinen handwerklichen Stil gesellt sich der Bruch mit der Sprache der traditionellen Brauereien. Der schottische Betrieb Brewdog, der vielen hiesigen Brauern mit seinem Image als Punk-Brauerei als Vorbild dient, nennt seine Biere unter anderem Dead Pony Club, 5am Saint, Punk IPA oder Dogma. Die Berliner Brauerei von Thorsten Schoppe bezeichnet eine Sorte sprachwitzelnd als Roggen Roll, ein anderes Bier soll den Konsumenten gar warnen, dass es heftig werden könnte. Es heißt Holy Shit Ale.
Die Etiketten vieler dieser Brauereien wetteifern in der Gestaltung mit der Kreativität von Plattencovern. In der Summe wirken sie wie das Resultat eines Workshops von Damien Hurst oder Tracey Emin: je wilder, desto effektvoller. Die Insignien deutscher Braukunst, die mit Goldrand oder Wappen die Geschmäcker der Traditionalisten bedienen, werden ausgetauscht gegen ein möglichst buntes Wirrwarr, das den Betrachter schon schwindelig zurücklässt, bevor er eines der mit bis zu zehn Prozent Alkohol enthaltenden Biere leert.
Bier: "Tradition und Moderne verbinden"
Die Großen schnuppern
Jan Niewodniczanski ist Geschäftsführer Technik der Bitburger Braugruppe und behält trotz der aufregenden Entwicklung am Biermarkt kühlen Kopf. Zur Bitburger Braugruppe gehören neben dem namensgebenden Bier auch die Pilsmarken König, Licher, Königsbacher, Nette und Wernesgrüner sowie das Schwarzbier Köstritzer. Seit 1991 betreibt die Bitburger Brauerei eine Pilotbrauerei mit einer Sudgröße von maximal 2000 Litern. Hier experimentieren die Braumeister. Dieses Jahr nun erblickte das jüngste Kind der Braugruppe das Licht der Welt. 2012 noch als Weihnachtsabfüllung für Mitarbeiter gebraut, sind nun unter dem knackigen Namen Craftwerk drei Sorten per Versand erhältlich: Holy Cowl, Tangerine Dream und Hop Head IPA7– mit Typografien, die aussehen wie angegriffener Beton auf schwarzem Grund.