Mode gilt als schnelllebige Branche – doch das stimmt nicht ganz. Manche Stilregeln gelten seit vielen Jahrzehnten. Das beweist „Das kleine Buch der Mode“ von Christian Dior. Der Modeschöpfer schrieb sein Stillexikon bereits im Jahr 1954 - jetzt gibt es eine neue Übersetzung.
A wie Alter: „Die Mode kennt nur zwei Altersklassen: junge Mädchen und erwachsene Frauen. Wenn Sie Kleider tragen, die zu Ihnen passen, dann passen Sie natürlich auch zu Ihrem Alter. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Sie Kleider tragen müssen, die Sie alt aussehen lassen. Ab einem gewissen Alter – beziehungsweise ab einer gewissen Kleidergröße – sollten Sie es jedoch nicht mehr drauf anlegen, jugendlich auszusehen.
Zu lange Haare und zu mädchenhafte Kleidung sind unangebracht, was aber nicht heißt, dass Sie nur noch Schwarz, Grau oder Braun tragen dürfen. Ich kenne zum Beispiel eine Menge sehr eleganter älterer Damen, die sich im Sommer oder abends in hübschen Pastellfarben wie Rosa, Hellblau oder Weiß kleiden. Neben allzu jugendlicher Kleidung sollten ab einem gewissen Alter außerdem „alte“ Farben wie Lila, „alt machende“ Stoffe wie Brokat sowie Kleidungsstücke aus schwarzer und grauer Spitze gemieden werden.“
So kleiden Sie sich richtig
Wie kleidet man sich ordentlich? Dabei geht es um mehr als die Frage, ob mit oder ohne Krawatte. Welche Aussagen lassen sich durch welche Kleidung transportieren? Das ist keineswegs Jacke wie Hose. Ein Crashkurs.
Im Englischen heißt es „it fits“, wenn etwas passt. Daher das Wort „Outfit“. Ihre Kleidung sollte in drei Kategorien passen: Dem Anlass entsprechend, dem Typ entsprechend und der individuellen Aussage entsprechend. Genau in der Schnittmenge liegt das für sie optimale Outfit.
Anzug oder Kostüm sollten Werte wie Vertrauen und Sicherheit widerspiegeln. Das gilt auch für Mitarbeiter im Back-Office. Ein Ziel ist Understatement. Die Kleidung sollte modern und nicht bieder wirken; dunkle Business-Farben wirken am besten.
Es gilt, einen Tick schicker zu sein als im klassischen Business. Hosen mit Pullover gehen maximal in der Werbebranche. Ansonsten eher kompletter Hosenanzug oder Blazer-Hose-Kombi für Damen, Anzüge und Kombinationen für Herren. Anspruchsvoll, gehobene Qualität und dunklere Farben.
Professioneller Look ist hier unabdingbar. Klassische Kostüme, Anzüge und Kombinationen in mittleren bis dunkleren Farbtönen. Farben dürfen nicht ins Auge springen, sollten aber modern sein.
In der Werbung oder bei den Medien darf es bunter und ausdrucksstark zugehen. Hier ist Nähe angesagt und schwarze Kleidung ist da sehr hinderlich.
Für besonders große Männer empfehlen sich farbliche Unterteilungen. Also zum Beispiel blaue Hose oder roter Pullover. Das unterbricht die Größe und lässt Sie weniger lang wirken. Männer mit langen Beinen tragen am besten längere Jacken und Ärmel.
Ist Ihr Körper insgesamt kurz, empfiehlt sich farblich Ton in Ton. Farbliche Unterteilungen würden die Kürze betonen. Haben Sie kurze Beine, sollten Sie von Hosenaufschlägen absehen – und auch davon, Ärmel aufzukrempeln.
Tiefsinnige und Kreative wollen sich ausdrücken. Die Erscheinung darf Außergewöhnliches bieten, also kreativer Kragen, Schmuck, extravagante Brille oder bunte Farben. Bodenständige Typen verwenden besser natürliche Materialien und Erdtöne. Dramatiker und Extrovertierte mögen vielleicht asymmetrisch geschnittene Kleidung – sie sollten dann aber darauf achten, dass sie niemals billig wirkt. Zu sportlichen Typen passen Blau und Grün.
Sollten Sie eine schlanke Frau sein und Kleidergröße 32 bis 34 tragen, sehen Röhrenjeans super aus. Ab Kleidergröße 40 sehen Sie mit ihnen dicker aus. Es liegt also stets an der Form ihres Körpers.
Sind Schulter, Taille und Hüfte gleich breit, empfiehlt sich eine gerade Hose oder ein gerader Rock.
Die Schulter ist schmaler als die Hüfte. Hier sollten Sie Hosen und Rücke in der sogenannten A-Linie mit kurzen Oberteilen kombinieren.
Die Schulter ist breiter als die Hüfte: Hier empfehlen sich Caprihosen, Röhrenhosen und enge Röcke. Die schmalen Hosen lassen sich gut in Stiefel stecken.
Die Figur ist wie eine 8 geformt. Sie ist eine sehr weibliche Figurform. Die Röcke sind konisch geschnitten, sie werden zum Knie hin schmaler. Passende Hosen sind Hosen in Bootcut-Schnitten.
D wie Dekolleté: „Kleider mit Dekolleté sind schon immer beliebt und unglaublich attraktiv. Egal ob groß oder klein: Das Dekolleté ist der Inbegriff der Weiblichkeit. Wenn Sie groß sind, steht Ihnen ein weiter Ausschnitt besonders gut. Für etwas fülligere Figuren ist ein tiefer Ausschnitt vorteilhafter. Aber welche Form ihr Ausschnitt auch hat, achten Sie immer darauf, dass ihr Schlüsselbein sichtbar ist. Pullover sind natürlich eine Ausnahme, sie können auch hochgeschlossen sein, wenn es Ihnen gefällt. Ich selbst widme mich intensiv dem Design immer neuer, weiblicher Dekolletés. Es gibt nichts Schmeichelhafteres, Weiblicheres und Attraktiveres als ein gelungenes Dekolleté.“
I wie Individualität: „Bis zu dem Tag, an dem wir uns alle in Roboter verwandeln – den wir hoffentlich nie erleben werden - kommt wahre Eleganz durch Individualität. Auch wenn Sie sich keine maßgeschneiderte Kleidung leisten können, wählen Sie nur Sachen, die zu Ihrer Persönlichkeit passen. In Zeiten der Massenproduktion finden Sie in dem riesigen Angebot immer etwas, das genau nach Ihnen aussieht. Entdecken Sie Ihre Persönlichkeit, aber denken Sie daran, dass „individuell“ nicht „exzentrisch“ bedeutet. Eine elegante Frau lässt sich nichts von der Mode diktieren. Wenn Sie mit einer neuen Moderichtung nichts anfangen könne, ignorieren Sie sie. Es gibt schließlich nicht nur eine Richtung, sondern viele, und es liegt an Ihnen, Ihren guten Geschmack zu festigen, indem Sie nur Kleider wählen, die zu Ihnen passen.“
K wie Kosmetik: „Kosmetik ist für das Geheimnis der Schönheit wesentlich, aber sie darf nicht auffallen, sondern muss dezent verwendet werden. Sie werden nicht wie eine Schauspielerin im Scheinwerferlicht auf der Bühne stehen, also müssen Sie sich auch nicht wie eine schminken. Natürliches, subtiles Make-up ist am besten – abgesehen vom Lippenstift, der auffallen darf. Bunter Nagellack ist in Ordnung, wenn Sie ihn mögen, aber ich persönlich bevorzuge natürliche Farben.“
P wie Pflege: „Das Geheimnis wahrer Eleganz ist Pflege. Sie können die schönsten Kleider tragen, sich mit den kostbarsten Juwelen schmücken und noch so wunderschön sein – wenn Sie sich selbst und Ihre Garderobe nicht pflegen, ist all dies nichts wert.“
P wie Polster: „Polster dienen dazu, einzelne Partien eines Kleidungsstücks zu betonen. Schulterpolster beispielsweise lagen über viele Jahre im Trend, aber inzwischen bevorzugt die Mode überwiegend eine natürliche Linie. Schulterpolster sind überflüssig, sofern nicht Ihre Schultern ein wenig abfallen. Polster sind ein gutes Mittel, kleine Makel der Figur auszugleichen, sollten aber geschickt eingesetzt werden. Und das überlässt man besser den Experten.“
R wie Röcke: „Es gibt nur wenige Frauen, die jeden Rock tragen können: jene, die eine schmale Taille und keine Hüften haben. Alle anderen müssen herausfinden, welcher Rock – eng anliegend oder weit geschnitten – ihnen am besten steht. Wenn Sie den passenden Schnitt für sich entdeckt haben, dann bleiben Sie ihm treu. Je schlichter der Rock ist, umso besser muss er sitzen. Ein enger Rock darf nie so eng sein, dass Sie sich nicht darin bewegen können. Das ist unbequem und sieht außerdem schnell lächerlich aus. Wie für alles in der Mode gilt auch für Röcke, dass sie angenehm zu tragen sein müssen. Rocklängen sind ein großes Thema, aber ich persönlich finde es albern, die Zentimeter vom Boden bis zum Saum zu messen. Diese Frage sollte jede Frau für sich selbst entscheiden. Es kommt auf ihren Geschmack und ihre Beine an. Wie lang ihr Rock sein sollte, hängt davon ab, wie groß Sie sind und welchen Stil Sie lieben. Die einzige Regel ist die des guten Geschmacks.“
"Stil beruht auf Schlichtheit"
S wie Schuhe: „Beim Schuhkauf können Sie niemals sorgfältig genug vorgehen. Schuhe gibt es in allen möglichen Ausführungen, aber das Wichtigste ist, dass sie zu dem Kleid passen, das Sie tragen. Pumps beispielsweise können Sie mit allem kombinieren. Überladene Schuhe kann ich nicht ausstehen und auch farbigen Schuhen kann ich, außer für den Abend, wenig abgewinnen. Die zwei wichtigsten Regeln für den Schuhkauf lauten: Sie müssen erstens aus hochwertigem Leder oder Wildleder gefertigt sein und zweitens ein klassisches, schlichtes Design haben. Über den Absatz müssen Sie sich ebenfalls Gedanken machen. Flache Absätze kommen nur für ländliche oder sportliche Outfits in Frage und zu hohe Absätze wirken vulgär. Was vor allem zählt, ist, dass sie bequem sind. In unbequemen Schuhen können Sie sich nicht graziös bewegen, wodurch auch das schönste Kleid seine Wirkung verliert. Wenn Sie große Füße haben, versuchen Sie nicht, sie zu verstecken: Finden Sie Schuhe, die ihre Füße schmal aussehen lassen. Schmale Füße sind immer schön.“
S wie Schwarz: „Die beliebteste, vielseitigste und eleganteste aller Farben. Ich bezeichne es absichtlich als eine Farbe, weil Schwarz genauso aufregend sein kann wie die bunteste aller Farben. Schwarz macht schlank und schmeichelt so gut wie jeder Frau – nur bei einem sehr blassen Teint sollten Sie es mit Vorsicht einsetzen. Schwarz können Sie zu jeder Tageszeit, zu jedem Anlass und in jedem Alter tragen. Das „kleine Schwarze“ darf in der Garderobe einer Frau natürlich nicht fehlen. Ich könnte ein ganzes Buch über Schwarz schreiben.“
W wie Wäsche: „Auch für Wäsche ist die wichtigste Regel: Nehmen Sie nur erstklassiges Material! Ihre Wäsche muss edel sein! Das heißt nicht, dass sie aufwendig bestickt oder aus Spitze gefertigt sein muss, aber sie muss gut geschnitten und von bester Qualität sein. Zu meiner Zeit haben unsere Mütter sehr viel Zeit und Geld in gute Wäsche investiert und damit hatten sie auch recht. Wahre Eleganz steckt in jedem Detail, besonders in den unsichtbaren. Außerdem hat gute Wäsche auch einen psychologischen Effekt: Selbst im luxuriösesten Abendkleid würden Sie sich niemals schön fühlen, wenn Ihre Unterwäsche nicht ebenso luxuriös ist. Ihre Kleider können außerdem nicht richtig sitzen, wenn Ihre Unterwäsche nicht wie angegossen passt. Wenn Sie sich stilvoll kleiden wollen, müssen Sie bei der Unterwäsche beginnen.“
Über Christian Dior: „Stil beruht auf Schlichtheit, gutem Geschmack und Pflege, und all das kostet kein Geld“.
Der französische Modemacher präsentierte seine erste Kollektion im Jahr 1947 und löste damit sofort einen weltweiten Trend aus: der „New Look“ zeichnete sich durch eine besonders schmale Taille und weitschwingende Röcke aus. Damit leitete Dior zumindest modisch das Ende der Nachkriegsjahre ein, die durch Materialknappheit und schlichte Schnitte gekennzeichnet waren. Für die üppigen Röcke und raffiniert geschnittenen Jacken des New Looks wurden Stoffe geradezu verschwenderisch eingesetzt und knüpften so an die Vorkriegsjahre an. Doch Christian Dior leitete damit auch einen emanzipatorischen Rückschritt ein. Das Frauenbild wandelte sich von der zupackenden und unabhängigen Nachkriegsfrau wieder hin zu einer Prinzessin, die vor allem durch ihre Weiblichkeit überzeugt. Christian Dior starb im Jahr 1957 unter ungeklärten Umständen. Heute setzt das Unternehmen rund 970 Millionen Euro um.
Über das Buch: Bereits im Jahr 1954 erschien „Das Kleine Buch der Mode“ von Christian Dior. In diesem Jahr wurde das Buch neu ins Deutsche übersetzt und erschien bei Eden Books.