Chinesische Formensprache Gestalten statt Klauen

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Kopieren ist schon lange kein Thema mehr

Markenlogos: Zurück in die Vergangenheit
Sirup Tri Top in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen Quelle: Presse
Rotbäckchen-Logo Quelle: Presse
Flaschen mit Maggi-Würze aus unterschiedlichen Jahren Quelle: dpa
Lego begeistert Kinder nach wie vor Quelle: dpa
Auch Marken ereilt im fortgeschrittenen Alter eine Midlife-Crisis: Wie manche Menschen, wünschen auch sie sich ihre jungen Tage zurück und präsentieren sich wieder wie früher. "Heritage" nennt es die Werbebranche, wenn Unternehmen sich so darstellen, wie in ihren Gründertagen. Dass Retro in ist, zeigen folgende Beispiele:Nivea Rückkehr zur alten Dose: Das neue Design der Marke Nivea, ist nichts anders als ihr altes Design. "Blue Agenda" nennt der Kosmetikhersteller Beiersdorf die neu Markenführung, die sich bewusst an der 1925 geschaffenen blauen Creme-Dose orientiert. 13.000 internationale Produkte haben seit Januar das neue einheitliche Logo erhalten: einen blauen Kreis mit weißem Schriftzug. Mit verantwortlich für die Neugestaltung ist der Schweizer Industrie-Designer Yves Béhar. Nivea zählt nach Angaben von Beiersdorf zu den bekanntesten Marken der Welt. Quelle: dapd
BärenmarkeManche Marken müssen sich gar nicht erst rückbesinnen, weil sie ihr Logo über Jahre hinweg kaum verändert haben. Ein Beispiel ist die Bärenmarke, die auf den Braunbären im Wappen des Schweizer Kantons Bern zurückgeht. Das Wappentier wurde zum Maskottchen der 1892 gegründeten „Berner Alpen Milchgesellschaft“. 1905 eröffnete sie ein deutsches Zweigwerk im Allgäu, das erstmals 1912 ungezuckerte, zehn Prozent Fett enthaltende Kondensmilch herstellte. 1951 entstand das heute bekannte Bärenmarken-Logo. Seitdem hat es zahlreiche Sortimentserweiterungen gegeben, das Logo ist jedoch gleich geblieben. Quelle: AP
Em-eukal1923 entwickelte die Nürnberger Firma Dr. C. Soldan das Lutschbonbon Em-eukal, 1972 folgte Kinder Em-eukal mit dem Design des gemalten Jungen auf der Verpackung. 2008 baute das Unternehmen seine Vermarktung um: Es erweiterte seinen Vertrieb auf den Einzelhandel, erweiterte sein Sortiment auf insgesamt 17 Bonbon-Typen und überarbeitete seinen Markenauftritt in Anlehnung in die klassischen Verpackungen. Quelle: Dr. C. Soldan

Design wird getrieben durch Innovationen in Fertigung und Material. Wer technologisch an der Spitze steht, bestimmt mittelfristig auch die Formen und Gewohnheiten der Technologien. Das war beim Computer so, mit Maus und Tastatur, beim Internet, mit Klammeräffchen, Blogs und Kurznachrichten, und schließlich auch beim Mobilfunkmarkt mit SMS und mobilen sozialen Netzwerken. Amerika hat die Welt der Kommunikation geprägt. Mitbewerber müssen sich, ob sie wollen oder nicht, an seinen Standards orientieren.

Viele Gestalter, die in Asien tätig sind, erkennen einen solchen Paradigmenwechsel. Bernd Eigenstetter von Designit Munich sieht in Korea längst Design als Wirtschaftsfaktor in Industrie und Bevölkerung fest verankert. "Koreanische Unternehmen haben es auf hervorragende Weise geschafft, sich vom europäischen Designdogma freizuschwimmen und einen eigenen Stil zu schaffen. Ich würde diesen Stil als poetisch feminin bezeichnen."

Erst wachsen, dann gestalten

Langfristig reichen selbst die fortschrittlichsten Technologien nicht, um an der Spitze zu bleiben. Gutes Design braucht auch eine offene Gesellschaft. Zec formuliert das diplomatischer: "Man muss frei denken, um zu Spitzenleistungen zu gelangen." In China gilt aber noch immer das Senioritätsprinzip: der Ältere hat das Sagen. Und die Partei. Hemmnisse auf dem Weg zum Designolymp. Wer sieht, wie radikal die Ulmer Hochschule für Gestaltung die Welt der Dinge und die Gesellschaft selbst infrage stellte und wie frei die Lehre dort ablief, wird verstehen, dass hier Grundlagen für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der alten Bundesrepublik gelegt wurden. Nicht nur die Marke Lufthansa profitiert noch heute von Otl Aichers Gestaltung.

Um an die Spitze zu gelangen, gibt es freilich noch einen anderen Weg: Wachstum. In Deutschland übernahm Lenovo vor zwei Jahren Medion für über 600 Millionen Euro, einen Discounter, der bislang kaum durch außergewöhnliches Design aufgefallen war. Marktanteile um jeden Preis auszubauen passt aber nicht unbedingt zur Strategie einer qualitativ hochwertigen Designmarke. Lenovo befindet sich an einer Weggabelung. Die Zukunft wird zeigen, ob Designchef Yao Yingjia genug Freiraum behält, die Firma im Premiumsegment weiterzuentwickeln. Das Potenzial ist da. Bernd Eigenstetter prognostiziert chinesischem Produktdesign "eine glänzende Zukunft. Kopieren ist schon lange kein Thema mehr. In den Schulen wird Innovation gepredigt." Klingt so, als liefe die Zeit amerikanisch-europäischer Designdominanz schneller ab, als manche hoffen.

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