Christian Bale "Wall Street ist dermaßen moralisch in Misskredit geraten"

Der Oscarpreisträger Christian Bale spielt die Hauptrolle im Finanzkrisendrama „The Big Short“. Ein Gespräch über Geld, Macht und Gier - und wer bei Familie Bale das Geld verwaltet.

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Christian Bale Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Mister Bale, die Protagonisten von „The Big Short“ spekulierten 2007 auf das Ende der Immobilienmarktblase und fuhren Rekordgewinne ein, während die Welt in die große Wirtschaftskrise taumelte. Trotzdem werden sie im Film wie Helden gezeichnet. Hatten Sie damit kein Problem?

Christian Bale: Doch, aber das ist bewusst so angelegt. Der Film schildert die Charaktere, um das Publikum zum Denken anzuregen. Aus ihrer subjektiven Perspektive heraus haben die Protagonisten richtig gehandelt ...

... sie sollten das Geld der Kunden vermehren, genau das haben sie getan. Zumindest haben sie niemandem etwas vorgemacht.
Der Hedgefondsmanager Michael Burry, den ich spiele, war einer der Ersten, der erkannte, was da am Markt passierte und wann es passieren würde. Die Kultur der Wall Street ist inzwischen dermaßen moralisch in Misskredit geraten, dass wir die Leute, die die Wahrheit sagen, als Helden betrachten.

Obwohl sie selbst von der Katastrophe der Gesamtwirtschaft profitieren.

Exakt. Es gibt ja auch Figuren im Film, die genau auf diese Schizophrenie hinweisen und den Protagonisten sagen: „Ihr seid scheinheilig.“ Genau das ist der Punkt. Und dieser Zwiespalt ist aus meiner Sicht eines der interessantesten Elemente des Films.

Wobei Michael Burry sich keinesfalls als Held betrachtet.

Nein. Er hat eine ganz andere Einstellung als viele Wall-Street-Banker, die ich kennengelernt habe. Er macht sich intensiv über die Entwicklung des Marktes und das Ungleichgewicht der Gesamtwirtschaft Gedanken. Nicht nur auf rationaler Ebene, das macht ihm auch emotional zu schaffen. Seine Informationen lösen regelrechte Empfindungen in ihm aus. Und er weiß, welche Auswirkungen das auf die einzelnen Bürger hat. Er belügt sich nicht, sondern sieht das ganz offen und ehrlich.

Die besten Streifen über Wirtschaft und Geld
"The Wolf of Wall Street"Auf den letzten Drücker bringt Martin Scorsese nach Weihnachten daher noch den Wall-Street-Thriller „The Wolf of Wall Street“ in die Kinos. Am 16. Januar läuft das dreistündige Epos über Betrug, Geiz und Exzesse an der Wall Street an. Leonardo DiCaprio spielt den US-Börsenmakler Jordan Belfort, der wegen illegaler Finanzgeschäfte in den 90er Jahren fast zwei Jahre hinter Gittern verbrachte. Der Film reiht sich ein in eine lange Historie von Filmen über Gier und Geld... Quelle: Screenshot
Trading Places (dt. Glücksritter, 1983)An der Börse in Chicago gehen zwei ultrareiche Broker eine Wette ein: Ein reicher Händler aus gutem Hause soll zu einem armen Obdachlosen verwandelt werden, und ein armer Obdachloser in einen reichen Händler. Der Wetteinsatz: ein Dollar. Die zwei Opfer rächen sich. Das reiche Opfer sagt Sätze wie: “Denke immer groß, denke positive, zeige nie ein Zeichen von Schwäche. Gehe immer an die Gurgel. Kauf billig, und verkaufe teuer. Angst? Das ist das Problem der Anderen!” Eddie Murphy, Dan Aykroyd und Jamie Lee Curtis machen diesen Streifen zu einem perfekten 80er-Jahre-Abend.
Die Oceans Trilogie (2001-2007)Kasinos ausrauben macht Spaß. Dabei auch noch eine gute Figur machen – das hat der Regisseur Steven Soderbergh mit seiner glänzenden Trilogie immer wieder aufs Neue inszeniert. Das Publikum bedankte sich artig bei ihm und füllte die Kinos und die Kasse von Soderbergh, der damit seine Independent-Filme drehte.
21 (2008)Etwas ernster geht es in diesem Film zu: Studenten vom Massachusetts Institute of Technology wenden mathematische Strategien an, mit denen sie mit Blackjack in Kasinos weltweit ganze Millionengewinne einheimsen. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Quelle: PR
Ri$iko - Der schnellste Weg zum Reichtum (2000)Ben Affleck spielt hier Jim Young, der direkt nach der Uni bei einem Börsenbroker anheuert. Gewissenhaft und schnell arbeitet sich Young ein. Bald beherrscht er die Kunst des Verkaufens so gut, dass er aufpassen muss, nicht auch seine Mutter zu verkaufen. Quelle: PR
Casino (1995)„Ein Kasino zu betreiben, ist wie ein Banküberfall, aber ohne das die Bullerei anrückt. Las Vegas wäscht mich von meinen Sünden frei. Es ist wie eine Moral-Waschanlage“ sagt Ace Rothstein (Robert de Niro). Er und Nicky Santoro (unvergesslich: Joe Pesci) sitzen am Ruder des Tangiers, ein fiktives Kasino in Las Vegas. Beide kommen aus der Mafia-Unterwelt, Rothstein macht Wetten, Santoro kümmert sich um das schmutzige Geschäft. Beide kennen sich in ihrem Metier wie keine Zweiten aus. Erzählt wird: Aufstieg und Fall einer skrupellosen Mafiatruppe, die in Las Vegas einfällt, um im Kasino-Geschäft Fuß zu fassen. Nur in wenigen Streifen kann man so gut verfolgen, was Geld bedeutet und was Geld mit den Menschen anstellt. Die Szenen in „Casino“ sind garniert mit Sätzen wie: „Es hätte alles perfekt sein können. Ace hatte mich, Nicky Santoro, der auf seinen Arsch aufgepasst hat. Er hielt Ginger, die Frau, die er liebte, in seinen Armen. Am Ende haben wir es alle verschissen.“ Es ist vielleicht der beste Film von Martin Scorsese. Viele kritisieren den Regisseur dafür, er hätte mit diesem Film gleich den Vorgänger „Goodfellas“ nochmal gedreht. Auch wenn der Vorwurf stimmen sollte: Es gibt nur wenige Filmemacher, denen solche eine Chuzpe gelingt. Quelle: Screenshot
Der große Crash - Margin Call (2011)Ein Risikomanager wird aus einer großen Bank gefeuert. Sein vermeintliches Vergehen: Er hat herausgefunden, dass die Aktienpapiere nichts wert sind und dass die Bank sofort Pleite gehen könnte, wenn es geringe Marktbewegungen geben könnte. In 24 Stunden muss die Bank gerettet werden. Ein sehr gut besetzter Film (Kevin Spacey, Demi Moore,..), der den Beginn der Finanzkrise am besten seziert. Quelle: PR

Sie klingen regelrecht begeistert von dem Mann.

Ich mag ihn sehr und bin enorm von ihm beeindruckt. Er ist ein einzigartiger Mensch, ein Genie. Ich saß acht, neun Stunden mit ihm zusammen, um ihm Fragen zu stellen, und die ganze Zeit stand keiner von uns von seinem Stuhl auf. Seine ganze Investment-
Philosophie ist auch sehr positiv. Er mag es nicht, gegen etwas zu wetten. Er glaubt an langfristiges Wachstum, und das möchte er auch unterstützen.

Was er in der Subprime-Krise, der Krise minderwertiger Immobilienkredite, nicht tat.

Der Zusammenbruch des Subprime-Marktes war für ihn offensichtlich, er versuchte sogar zu warnen, aber niemand wollte auf ihn hören. Zwangsläufig hat er dann sein Wissen für seine Klienten eingesetzt. Aber der ganze Stress machte ihm enorm zu schaffen. Das lag auch daran, weil seine Investoren die ganze Zeit wütend auf ihn waren – zuerst, als er gegen den Markt wettete, und selbst dann, als er für sie Hunderte von Millionen Dollar verdiente. Er war so desillusioniert, dass er am Schluss 2008 komplett ausstieg. Eigentlich ist er in der Seele ein echter Philanthrop.

Die Folgen der Immobilienkrisen ausgewählter Länder

Sie gelten als detailversessener Schauspieler. Haben Sie etwas mit ihm gemeinsam?

In Sachen Gehirnkapazität kann ich mich überhaupt nicht mit ihm vergleichen. Was ich mit ihm gemeinsam habe, das ist eine Obsession für meinen Beruf. Ich liebe ihn und ich hasse ihn. Und diese Leidenschaft ist so groß, dass ich diesen Job machen wollte, obwohl ich nie erwartete, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen – geschweige denn, viel Geld zu machen. Dass Letzteres passiert ist, ist ein phänomenaler Glücksfall. Eine ganz ähnliche Motivation habe ich bei Michael Burry erkannt.

Aber Investmentbanker machen ihre Arbeit nicht aus Liebe zur Kunst.

Natürlich gibt es das Klischee des Wall-Street-Typen, der süchtig ist nach Macht und Geld. Aber Mike kam zu diesem Beruf, weil er von Zahlen besessen ist. Er liest Zahlen so, wie Sie und ich Bücher lesen, und er versteht sie auf eine Weise, die ich nicht ansatzweise begreifen kann. Als Konsequenz hat er für sich und seine Kunden ein Vermögen verdient. Aber ich glaube nicht, dass das sein eigentliches Ziel war. Für ihn ist die reine Analyse das Ein und Alles und er wollte unbedingt ein Leben führen, das von Zahlen definiert wird. So funktioniert er nun mal.

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