WirtschaftsWoche: Mister Bale, die Protagonisten von „The Big Short“ spekulierten 2007 auf das Ende der Immobilienmarktblase und fuhren Rekordgewinne ein, während die Welt in die große Wirtschaftskrise taumelte. Trotzdem werden sie im Film wie Helden gezeichnet. Hatten Sie damit kein Problem?
Christian Bale: Doch, aber das ist bewusst so angelegt. Der Film schildert die Charaktere, um das Publikum zum Denken anzuregen. Aus ihrer subjektiven Perspektive heraus haben die Protagonisten richtig gehandelt ...
... sie sollten das Geld der Kunden vermehren, genau das haben sie getan. Zumindest haben sie niemandem etwas vorgemacht.
Der Hedgefondsmanager Michael Burry, den ich spiele, war einer der Ersten, der erkannte, was da am Markt passierte und wann es passieren würde. Die Kultur der Wall Street ist inzwischen dermaßen moralisch in Misskredit geraten, dass wir die Leute, die die Wahrheit sagen, als Helden betrachten.
Obwohl sie selbst von der Katastrophe der Gesamtwirtschaft profitieren.
Exakt. Es gibt ja auch Figuren im Film, die genau auf diese Schizophrenie hinweisen und den Protagonisten sagen: „Ihr seid scheinheilig.“ Genau das ist der Punkt. Und dieser Zwiespalt ist aus meiner Sicht eines der interessantesten Elemente des Films.
Wobei Michael Burry sich keinesfalls als Held betrachtet.
Nein. Er hat eine ganz andere Einstellung als viele Wall-Street-Banker, die ich kennengelernt habe. Er macht sich intensiv über die Entwicklung des Marktes und das Ungleichgewicht der Gesamtwirtschaft Gedanken. Nicht nur auf rationaler Ebene, das macht ihm auch emotional zu schaffen. Seine Informationen lösen regelrechte Empfindungen in ihm aus. Und er weiß, welche Auswirkungen das auf die einzelnen Bürger hat. Er belügt sich nicht, sondern sieht das ganz offen und ehrlich.
Sie klingen regelrecht begeistert von dem Mann.
Ich mag ihn sehr und bin enorm von ihm beeindruckt. Er ist ein einzigartiger Mensch, ein Genie. Ich saß acht, neun Stunden mit ihm zusammen, um ihm Fragen zu stellen, und die ganze Zeit stand keiner von uns von seinem Stuhl auf. Seine ganze Investment-
Philosophie ist auch sehr positiv. Er mag es nicht, gegen etwas zu wetten. Er glaubt an langfristiges Wachstum, und das möchte er auch unterstützen.
Was er in der Subprime-Krise, der Krise minderwertiger Immobilienkredite, nicht tat.
Der Zusammenbruch des Subprime-Marktes war für ihn offensichtlich, er versuchte sogar zu warnen, aber niemand wollte auf ihn hören. Zwangsläufig hat er dann sein Wissen für seine Klienten eingesetzt. Aber der ganze Stress machte ihm enorm zu schaffen. Das lag auch daran, weil seine Investoren die ganze Zeit wütend auf ihn waren – zuerst, als er gegen den Markt wettete, und selbst dann, als er für sie Hunderte von Millionen Dollar verdiente. Er war so desillusioniert, dass er am Schluss 2008 komplett ausstieg. Eigentlich ist er in der Seele ein echter Philanthrop.
Die Folgen der Immobilienkrisen ausgewählter Länder
Rückgang der Immobilienpreise: -21.5%
Hypothekenausfälle 2013: 1.3%
Faule Kredite: 30%
Quelle: CPB Netherland Bureau for Economic Policy Analysis
Stand: Juni 2014
Rückgang der Immobilienpreise: -20.1%
Hypothekenausfälle 2013: 0,3%
Faule Kredite: keine Angabe
Rückgang der Immobilienpreise: -48.9%
Hypothekenausfälle 2013: 12.3%
Faule Kredite: 52%
Rückgang der Immobilienpreise: -30.1%
Hypothekenausfälle 2013: 5,2%
Faule Kredite: 20%
Rückgang der Immobilienpreise: -13.5%
Hypothekenausfälle 2013: 1,3%
Faule Kredite: 1,6 bis 6,4%
Rückgang der Immobilienpreise: -18.1%
Hypothekenausfälle 2013: 9.3%
Faule Kredite: 13%
Sie gelten als detailversessener Schauspieler. Haben Sie etwas mit ihm gemeinsam?
In Sachen Gehirnkapazität kann ich mich überhaupt nicht mit ihm vergleichen. Was ich mit ihm gemeinsam habe, das ist eine Obsession für meinen Beruf. Ich liebe ihn und ich hasse ihn. Und diese Leidenschaft ist so groß, dass ich diesen Job machen wollte, obwohl ich nie erwartete, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen – geschweige denn, viel Geld zu machen. Dass Letzteres passiert ist, ist ein phänomenaler Glücksfall. Eine ganz ähnliche Motivation habe ich bei Michael Burry erkannt.
Aber Investmentbanker machen ihre Arbeit nicht aus Liebe zur Kunst.
Natürlich gibt es das Klischee des Wall-Street-Typen, der süchtig ist nach Macht und Geld. Aber Mike kam zu diesem Beruf, weil er von Zahlen besessen ist. Er liest Zahlen so, wie Sie und ich Bücher lesen, und er versteht sie auf eine Weise, die ich nicht ansatzweise begreifen kann. Als Konsequenz hat er für sich und seine Kunden ein Vermögen verdient. Aber ich glaube nicht, dass das sein eigentliches Ziel war. Für ihn ist die reine Analyse das Ein und Alles und er wollte unbedingt ein Leben führen, das von Zahlen definiert wird. So funktioniert er nun mal.