Coaching-Branche Wie Manager ihren idealen Trainer finden

Einen Coach für jede Lebenslage zu haben gilt inzwischen eher als chic denn als peinlich. Doch viele Coaches taugen nichts, sagen Fachleute. Erfolgsautor Erik Lindner hat die Geheimnisse der Branche erforscht.

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Joachim Löw ist Deutschlands bekanntester Trainer. Für Manager ist es schwieriger, einen geeigneten Coach zu finden, der einem weiterhilft. Quelle: handelsblatt.com

Hilfe ist erwünscht. Kaum ein Bereich wächst dermaßen stark wie die Coaching-Branche. Wenn ein Manager heute erklärt, er habe einen Coach, dann hat er es geschafft. Früher sagte er besser nichts, denn es wäre ein Ausdruck von Schwäche gewesen. Doch was steckt hinter diesen Trainern? Was ist Geldverschwendung, was hilft wirklich?

Erik Lindner hat hinter die Kulissen der Branche geschaut und stellt in seinem Buch "Coaching-Wahn. Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen" die wichtigsten Fragen. Lindner ist Experte für Unternehmensgeschichte und hat mit "Die Herren der Container" und der Biografie über Wolfgang Grupp Bestseller geschrieben.

Multi-Millionen-Geschäft mit Perspektive Wie üblich zeichnet sich Linderns Schreibstil durch eine brutale Ehrlichkeit aus. Das wesentliche Problem vieler Coaches sei ihr "Glaube an die eigene Großartigkeit" und der "ausgeprägte Narzissmus". Womöglich rührt das schlicht daher, dass die Qualität ihrer Arbeit so schwer objektiv zu messen ist. Was hilft, sind Verweise von Unternehmen, die mit der Arbeit sehr zufrieden waren. Und gerade für Anfänger natürlich Zeugnisse. Aber das nützt alles nur bedingt, um aus dem Teich der ungefähr 30.000 bis 40.000 Coaches die besten Fische zu angeln. Diese Zahl ist eine grobe Schätzung. Eine umfangreiche Studie hat herausgefunden, dass von ihnen nur rund 8000 wirklich professionell arbeiten.

Klar ist aber die positive Tendenz: Die Branche wächst, auch wenn es im Krisenjahr 2009 eine kleine Delle gab. Inzwischen sollen sie Coaching-Ausgaben in Deutschland auf 280 Millionen Euro belaufen. Neue Trends gibt es reichlich: "Mit dem Coaching ist es wie am Nordssestrand, wo von der Flut ständig was Neues angeschwemmt wird", schreibt Lindner.

Von Promi-Trainern bis zum Coaching-Prekariat

Wer Coach werden will, muss laut Lindner rund 20.000 Euro in seine Ausbildung investieren. Über den Verdienst gibt es höchst unterschiedliche Angaben: Die besten Coaches würden Tagessätze von 2500 Euro bis hin zu 10.000 Euro erreichen. Aber das sind krasse Ausnahmen. Der durchschnittliche Tagessatz liegt laut Coaching-Branche bei 1000 bis 2000 Euro, laut Unternehmen bei 500 bis 1500 Euro. Lindern glaubt eher letzterem Wert.

Als Richtschnur gilt, dass ein Coach nur dann kostendeckend arbeiten kann, wenn er mehr als 150 Euro pro Stunde einnimmt, schreibt Lindner. Das schaffe längst nicht jeder: "Schon jetzt existiert ein großer Kreis unzureichend beschäftigter Coaches." Das führe auch zu dem wachsenden Problem der niedrigen Qualität. Lindner spricht von einem ausufernden Coaching-Prekariat".

Eine Lösung für das Problem sieht Lindner vorerst nicht. Zulassungsbeschränkungen seien unpraktikabel. Der Autor setzt darauf, dass der finanzielle Druck die Branchengröße regulieren wird. Das Metier werde "speziell und überbesetzt" bleiben.

Wie Sie Ihren perfekten Coach finden

Schwer zu sagen, was der Coach eigentlich macht Die Unternehmen, die Coaches für ihre Mitarbeiter anheuern, haben es laut Lindner nicht leicht, den Erfolg der Maßnahmen zu messen. Schließlich hängt der Erfolg auch sehr stark vom Klienten ab. Da fällt es schwer zu unterscheiden, wer Schuld hat, wenn der Coach scheinbar versagt, wobei selbst das nicht leicht zu ermitteln ist. Professionelle Coaches halten die Agenda und Ziele so präzise wie möglich schriftlich fest.

Klar sei für einen Angestellten: Wenn das Unternehmen dir einen Coach aufdrängt, gib besser Vollgas! Denn allzu oft sei die Maßnahme ein Vorbote der Freistellung oder zumindest ein Zeichen, dass die Zufriedenheit nicht besonders hoch ist.

Lieber zum Psychologen als zum "Life-Coach" Lindner ist nicht der Typ dafür, sich mit Wertungen zurückzuhalten. Besonders kritisch sieht er stark steigende Zahl von sogenannten Life-Coaches: "Wenn für Träume oder das, was man früher Selbstverwirklichung nannte, kein Platz mehr ist, schlägt die Stunde der Spirituellen oder Life Coaches." Ein großes Problem ist die vermeintliche Konkurrenz zu Psychologen. Wer auf einen Burnout zusteuert, sollte sich professionelle Hilfe holen und nicht auf einen Life-Coach setzen, empfiehlt Lindner gemeinsam mit mehreren zitierten Experten. Da schwingt reichlich Kritik an der Branche mit.

Der Ausblick auf die Branche ist gelungen, fällt aber auch ein wenig enttäuschend aus, weil ein eindeutiges Fazit nicht zu ziehen ist. Lindner skizziert Trends, aber ob die wirklich eintreten, vermag er nicht zu garantieren. Dennoch ist es ein sehr unterhaltsames Buch mit vielen Erkenntnissen über eine Branche, bei der eine Menge im Dunkeln liegt.

Wie Sie Ihren Coach finden

Das Gros der im deutschsprachigen Raum tätigen Coaches ist weiblich, nämlich rund 53 Prozent. Frauen stehen eben in dem Ruf, die besseren Zuhörer und empathischer zu sein. Typisch ist, das Coaches auch im hohen Alter noch aktiv sein können, auch jenseits der 70 Jahre.

Bibliografie:

Erik Lindner Coaching-Wahn. Wie wir uns hemmungslos optimieren lassenEcon Verlag, Berlin 2011238 Seiten, 18 Euro

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