Depression Raus aus der psychischen Krise

Wie Betroffene, Vorgesetzte, Kollegen und Angehörige mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen umgehen sollten und wer dabei helfen kann.

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Ratschläge für Betroffene

Etwa vier Millionen Menschen Quelle: dpa

Frühwarnsignale beachten: Wenn Sie gelegentlich depressive Phasen erleben, in denen sie sich lustlos und unwohl fühlen, besonders angespannt oder leicht reizbar sind, nehmen sie diese Signale ernst. Vertrauen Sie sich gegebenenfalls ihrem Partner oder einem guten Freund an und überlegen Sie, wie sie am besten mit reagieren können.

Erkennen: Vielen Betroffenen fällt es schwer, ihre psychische Erkrankung zu erkennen – auch wenn die Symptome offensichtlich sind. Checklisten helfen ihnen dabei, sich über ihre Erkrankung klar zu werden. Wer etwa mehr als zwei Wochen am Stück niedergeschlagen und antriebslos ist oder an Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Angstgefühlen leidet, leidet wahrscheinlich an einer Depression und sollte einen Arzt ansprechen. Bei Selbstmordgedanken ist ein Gespräch mit einem Therapeuten umso dringender!

Therapie machen: Berichten Sie dem Arzt möglichst offen, was Sie bedrückt; äußern Sie Zweifel, Ängste, Probleme. Lassen Sie sich auf eine Behandlung ein. Dazu gehören meist eine Psychotherapie und eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Lassen Sie sich über die Nebenwirkungen aufklären.

Geduldig bleiben: Warten Sie ab, bis die Wirkung eintritt. Das kann einige Wochen dauern. Sprechen Sie bei Nebenwirkungen mit Ihren Arzt. Setzen Sie Medikamente nicht ohne seine Zustimmung ab. Sobald es Ihnen besser geht sollten Sie mit Ihrem Arzt einen Notfallplan aufstellen, um Rückfälle zu vermeiden.

Alltag meistern: Planen Sie abends den nächsten Tag, setzen Sie sich kleine, erreichbare Ziele. In einem Stimmungstagebuch können Sie Ihre Gefühle notieren. Treiben Sie Sport – das wirkt der Depression entgegen.

Ratschläge für Führungskräfte

Informieren: „Führungskräfte können nur erkennen, was sie kennen“, sagt Experte Werner Kissling von der TU München. Machen Sie sich also über psychische Erkrankungen schlau und geben Sie Ihr Wissen weiter. Tragen Sie dazu bei, das Thema in Ihrem Betrieb zu enttabuisieren und nehmen Sie Betroffenen die Angst.

Respektieren: Akzeptieren Sie, dass es sich bei Depressionen und ähnlichen Belastungen um Störungen handelt. Deuten Sie sie nicht als Charakterschwäche, Einbildung oder Geisteskrankheit.

Erkennen: Wenn Sie beobachten, dass ein Mitarbeiter sich kaum noch konzentrieren kann, häufiger Fehler macht und weniger leistet als gewöhnlich, kann das auf eine psychische Erkrankung hindeuten. Auch wer oft zu spät kommt, ungepflegt aussieht und sich sozial abkapselt, könnte betroffen sein. Allerdings gibt es auch andere mögliche Gründe – deswegen sollten Sie keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Ansprechen: Wenn Sie den Eindruck haben, ein Kollege könnte an einer psychischen Störung leiden, sprechen Sie ihn in einem vertraulichen Gespräch an, ohne dabei vorwurfsvoll zu werden. Bedenken Sie, dass psychisch Kranke sich ihrer Krankheit oft nicht bewusst sind. Schildern Sie dem Betroffenen Ihre Eindrücke in Ich-Botschaften, ohne selbst zu diagnostizieren – dafür sind Fachleute zuständig.

Nicht therapieren: Bauen Sie dem Betroffenen Brücken zu Therapeuten und nehmen Sie ihm die Furcht vor der Behandlung. Binden Sie gegebenenfalls Experten ein – etwa den Betriebsarzt. Überlassen Sie die Therapie immer Ärzten und Kliniken.

Reintegrieren: Passen Sie Arbeitsplatz und Anforderungen an die Belastbarkeit des Mitarbeiters an, wenn er aus der Behandlung zurückkehrt. „Überfordern und unterfordern Sie ihn nicht“, rät Experte Kissling. Überlassen sie ihm, ob er die Kollegen informiert oder nicht.

Ratschläge für Angehörige und Freunde

Unterstützen: Helfen Sie dem Betroffenen bei der Therapie, etwa bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten oder bei der Suche nach einem Arzt. Vereinbaren Sie den Termin beim Therapeuten, wenn der Betroffene es selbst nicht schafft. Helfen Sie ihm dabei, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Erinnern Sie ihn daran, dass es sich um eine heilbare Erkrankung handelt. Aber haben Sie Geduld: Die Heilung braucht Zeit.

Nicht abwenden: Halten Sie zu dem Betroffenen – auch wenn Sie den Eindruck haben, dass er Sie zurückweist und an Ihnen nicht mehr interessiert ist. Sonst verschlimmern Sie die Situation möglicherweise. Das Verhalten kann sich nach überstandener Depression wieder ändern!

Nicht überfordern: Ermutigen Sie den Betroffenen zu kleineren Unternehmungen, unterstützen Sie seine Eigeninitiative. Aber verlangen Sie nicht zu viel – selbst Urlaubsreisen in eine fremde Umgebung, die unter normalen Bedingungen als entspannend wahrgenommen werden, können sehr anstrengend sein und die Erkrankung verschlimmern. Empfehlen Sie dem Depressiven nicht, „sich zusammenzureißen“ – das verstärkt womöglich noch die Schuldgefühle.

Suizidgefahr erkennen: Viele Depressive denken in ihrer Verzweifelung daran, sich das Leben zu nehmen. Angehörige oder enge Freunde sollten Betroffene darauf anzusprechen. Mitunter verspürt derjenige dadurch sogar eine Erleichterung. Wichtig: Ist die Gefahr akut, benötigen die Betroffenen so schnell wie möglich einen Arzt – notfalls  auch gegen ihren Willen.

Suchen Sie Hilfe: Die Depression kann auch Sie als Angehörigen oder Freund des Betroffenen belasten, obwohl Sie selbst nicht daran erkrankt sind. Damit sollten Sie rechnen, aber dem Betroffenen daraus keinen Vorwurf machen. Tun Sie sich etwas Gutes, pflegen Sie Ihre Kontakte, bauen Sie ein Netzwerk von Freunden und Bekannten auf, das Sie unterstützt. Suchen Sie gegebenenfalls eine Selbsthilfegruppe für Angehörige auf oder nehmen Sie selbst Beratungsangebote in Anspruch, wenn Sie allein mit der Hilflosigkeit und Trauer nicht mehr klar kommen.

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