Der neue Luxus Statussymbole sind nicht mehr, was sie mal waren

Viele Statussymbole haben sich in den vergangenen Jahren verändert, andere sind ausgestorben. Angesagt ist Understatement.

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Statussymbol: Luxus am Handgelenk Quelle: Getty Images

Der Schriftsteller Max Frisch stellte sich bereits 1966 folgende Frage: „Wenn Sie einen Menschen in der Badehose treffen und nichts von seinen Lebensverhältnissen wissen: Woran erkennen Sie den Reichen?“ So lautete eine Frage in seinem berühmten Buch „Fragebogen“. Darin forderte der legendäre Autor die Menschen dazu auf, sich spielerisch mit den großen Themen des Lebens zu beschäftigen. Die Antworten überließ er den Lesern.

Tatsächlich haben uns materielle, sichtbare Güter lange Zeit dabei geholfen, das Bild unseres Gegenübers zu vervollständigen. Würden wir all unseren Mitmenschen ausschließlich in Badehose oder Bikini begegnen, wir täten uns schwer damit, den Topmanager vom Postboten, von der Hausfrau oder dem Staatsoberhaupt zu unterscheiden.

Deshalb waren die klassischen Insignien der Macht in der westlichen Welt früher vor allem teuer und auffällig. Bis weit in die Neunzigerjahre hinein betrieben Topmanager und Superreiche traditionell die Zurschaustellung ihres Wohlstandes durch die immer gleichen Statussymbole. Den Schnösel erkannte man an der Hermès-Gürtelschnalle, den Yuppie an der Rolex. Marken stifteten Identität, ordneten den Träger einer bestimmten Gruppe zu und zeigten beinahe bis auf den Cent genau, wie viel derjenige für sein Erscheinungsbild zahlen konnte.

Die erfolgreichsten deutschen Luxus-Marken

2016 ist das nicht mehr ganz so einfach. Was noch vor zehn Jahren die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe bedeuten konnte, hat heute keine Aussage mehr – oder führt bestenfalls in die Irre, schlimmstenfalls in die soziale Isolation. Die Hierarchien sind flacher geworden. Die Anzeichen, ob und wie viel Macht ein Individuum besitzt, sind wesentlich schwieriger zu erkennen.

Daher würde ein Concierge im Luxushotel keinen Gast mehr aus der Lobby schmeißen, nur weil er in Jeans und Turnschuhen herumfläzt. Wer weiß, ob sich hinter dem legeren Outfit nicht ein milliardenschwerer Start-up-Unternehmer aus dem Silicon Valley versteckt. Überspitzt gesagt ist heute der CEO vom Praktikanten optisch nicht mehr zu unterscheiden, spätestens seit der Finanzkrise sind die typischen Insignien der Macht verpönt. Auch in vermeintlich alten Industrien. Daimler-Chef Dieter Zetsche verzichtete jüngst bei der Jahreskonferenz auf Krawatte und zelebrierte beim wichtigsten offiziellen Termin des Jahres die neue Lässigkeit auf der Chefetage. Und Allianz-Chef Oliver Bäte trat bei der „Handelsblatt“-Konferenz Pathfinder neulich in roten Turnschuhen auf die Bühne. Aber warum sind wir der Insignien plötzlich so überdrüssig geworden? Und wieso haben die klassischen Statussymbole ihre Aussagekraft verloren?

Inzwischen geht es vor allem darum, innerhalb der eigenen Statusgruppe zu beeindrucken. Seinen Reichtum nach außen zu tragen ist schlichtweg vulgär. Der Vermögensforscher Thomas Druyen sagt dazu: „Selbstdarsteller erlebe ich vorwiegend unter Reichen mit einem Vermögen im einstelligen Millionenbereich.“ Man könnte auch sagen: Je erfolgreicher und finanziell unabhängiger jemand ist, desto unwichtiger werden die klassischen Geltungssymbole. Im Zweifel setzen Menschen, die es sich leisten können, heute eher auf einen dezenten Maßanzug und rahmengenähte Schuhe als auf großflächige Logos und protzige Accessoires.

Hinzu kommt: Die Furcht, durch überzogene (Selbst-)Darstellung sein Image zu ruinieren, ist besonders in Deutschland systematisch größer geworden. Während heute nur noch Fußballbundesliga-Spieler und die Kölner Folkloremillionäre Geiss mit grellen Ferraris und Poloshirts mit handtellergroßen Emblemen posieren, setzen smarte Großverdiener lieber auf Understatement. Das Nicht-zur-Schau-Stellen von dem, was man sich natürlich locker leisten könnte, ist inzwischen vielleicht sogar das größte Statussymbol: die Diskretion als ein eigener Wert, den man sich leisten können muss. Wer überlegen ist, spielt sich nicht mehr in den Vordergrund.

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