Küche ist Vertrauenssache. Der Gast verlässt sich darauf, dass ihm gutes, sehr gutes Essen serviert wird. Beim Geschmack mag er sich ein eigenes Urteil bilden, da ist er souverän. Doch welcher Herkunft die Zutaten sind, das bleibt ihm meist verborgen.
Wer sich hingegen auf den Weg ins Forsthaus Strelitz in Mecklenburg-Vorpommern macht, der weiß in aller Regel, dass er eine weitere Strecke zurücklegen muss als alle Zutaten, die Wenzel Pankratz abends zubereitet. Das Restaurant ist Teil eines Bauernhofs, umgeben von Wald und Äckern. Pankratz bedient sich von dem, was auf dem Hof wächst und produziert wird: Möhren, Brokkoli, Honig, Fleisch von den eigenen Gänsen Lämmern oder Rindern.
Die Speisekarte ist mit einem Menü von vier bis sechs Gängen klein. Dennoch hält sie Überraschungen bereit. „Ich habe von meinem Platz in der Küche einen Überblick über die Gäste, die ankommen“, sagt Pankratz, der vor zwei Jahren die Leitung des Restaurants von seinem Vater übernommen hat.
Seine Menschenkenntnis nutzt Pankratz, um den Gästen, die dafür offen scheinen, Rognons blanc, die auch „weiße Nierchen“ genannten Hoden von Lämmern, zu offerieren. Ein zartes Gericht. Die Restauranttester des „Gault Millau“ sprechen in ihrem nun erschienenen Guide von „herausfordernden Produkten“. Und attestieren Pankratz nicht weniger, als den „Prototyp einer neuen Heimatküche“ zu entwickeln.
Regionalität ist das Buzzword der Kulinarik in einem Land, das in den Augen der Restauranttester des „Guide Michelin“ weltweit auf Platz zwei hinter Frankreich rangiert. Gewiss, die deutschen Spitzenköche arbeiten schon seit Jahren daran, ihre Produkte möglichst aus der Nachbarschaft zu beziehen. Einige, wie Thomas Bühner vom La Vie in Osnabrück, pflegen einen eigenen Gemüsegarten für ihre Hochküche, die in Bühners Fall mit drei Sternen vom „Guide Michelin“ ausgezeichnet ist. Doch bislang ist die geradezu dogmatische Auslegung des Regionalitätsideals die Ausnahme. Eine, die indes von allen Restaurantführern in ihren aktuellen Ausgaben honoriert wird.
„Sie müssen mit einem Bein in der Landwirtschaft stehen“, sagt Felix Schneider, der eine Schiebermütze zur Kochjacke trägt. Schneider ist Küchenchef im Restaurant sosein in Heroldsberg bei Nürnberg. Wer ihn am Telefon sprechen möchte, muss sich mitunter gedulden, weil der Koch noch draußen ist, um zu „sammeln“, wie sein Mitarbeiter verrät. „Pilze spielen in meiner Küche eine große Rolle“, sagt Schneider, der dieses Jahr erstmals in den Gourmetführern vertreten ist mit dem jungen Betrieb. „Als Entdeckung des Jahres“ feiert ihn der „Gault Millau“, in Berlin konnte sich Schneider vergangene Woche seine erste Kochjacke mit eingesticktem Michelin-Stern bei der Präsentation des „Guide Michelin“ abholen.
Die Sterne-Restaurants in Deutschland
Ein-Stern-Häuser: 65
Zwei-Sterne-Häuser: 6
Drei-Sterne-Häuser: 2
Quelle: Guide Michelin Deutschland 2017
Ein-Stern-Häuser: 39
Zwei-Sterne-Häuser: 9
Drei-Sterne-Häuser: 1
Ein-Stern-Häuser: 12
Zwei-Sterne-Häuser: 6
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 2
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 0
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 6
Zwei-Sterne-Häuser: 3
Drei-Sterne-Häuser: 1
Ein-Stern-Häuser: 17
Zwei-Sterne-Häuser: 3
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 9
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 11
Zwei-Sterne-Häuser: 1
Drei-Sterne-Häuser: 2
Ein-Stern-Häuser: 40
Zwei-Sterne-Häuser: 4
Drei-Sterne-Häuser: 1
Ein-Stern-Häuser: 20
Zwei-Sterne-Häuser: 3
Drei-Sterne-Häuser: 1
Ein-Stern-Häuser: 2
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 2
Ein-Stern-Häuser: 6
Zwei-Sterne-Häuser: 1
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 0
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 11
Zwei-Sterne-Häuser: 3
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 2
Zwei-Sterne-Häuser: 0
Drei-Sterne-Häuser: 0
Ein-Stern-Häuser: 242
Zwei-Sterne-Häuser: 39
Drei-Sterne-Häuser: 10
Vor der Selbstständigkeit arbeitete Schneider viele Jahre in der klassischen Spitzengastronomie, er kennt die Kniffe der Hochküche. „Für uns ist das ein Projekt, von dem wir noch nicht wissen, ob es funktionieren wird“, sagt Schneider. Regionalität – das soll kein Schlagwort sein, kein Reklametrick, sondern gelebtes Motto. Tiere, wie etwa Wollschweine, werden ganz gekauft und restlos verarbeitet. Wild wird selbst gejagt, Gemüse im Sommer eingemacht, damit im Winter keines importiert werden muss.
Das bedeutet Verzicht. Der lautstärkste Vertreter eines konsequent regionalen Einkaufs, Billy Wagner vom Nobelhart & Schmutzig in Berlin, nennt den verschärften Ansatz knackig „brutal lokal“, und das bedeutet bei ihm eben auch: kein Pfeffer.