Die Krippe grassiert Weihnachten im Faktencheck

Jedes Jahr zieht die Weihnachtsgeschichte viele Menschen in ihren Bann. Doch was davon ist Legende, was Wirklichkeit? Forscher geben überraschende Antworten: Die Geschichte ist demnach hochpolitisch.

Geburt JesuAn welchem Tag Jesus geboren wurde, ist unbekannt. Auch über das genaue Jahr ist man sich nicht einig. „Das ist aber auch ein Thema, das die biblischen Autoren gar nicht interessiert hat“, sagt der evangelische Theologe Konrad Hammann. Im 4. Jahrhundert legten die Christen den Geburtstag von Jesus sehr provozierend auf den Feiertag des römischen Sonnengottes Sol Invictus. „Das ist eine hochpolitische Entscheidung, weil damit die Opposition gegen die römische Welt und deren religiöse Vorstellungswelt zum Ausdruck gebracht wurde“, erläutert der katholische Theologe Rainer Kampling. Quelle: dpa
Steuerschätzung„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde“, lautet der berühmte erste Satz der Weihnachtsgeschichte bei Lukas. Der mächtigste Mann der damaligen Welt, der römische Kaiser Augustus, wird damit zur Fußnote degradiert. Augustus stellte sich in Inschriften als „Retter der Welt“ dar – „vergleichbar mit heutigen Werbespots“, erläutert der katholische Theologe Martin Ebner. „Dieser Werbespot wird jetzt für Jesus in Anspruch genommen.“ Von Augustus wird dagegen nur gesagt, dass er die Leute als Steuerzahler registrieren ließ - und Steuern waren damals genauso unbeliebt wie heute. Quelle: dpa
BethlehemViele Theologen glauben, dass Jesus in Nazareth und nicht in Bethlehem geboren wurde. Bethlehem wurde demnach von den Evangelisten Lukas und Matthäus als Geburtsort gewählt, weil dort schon der große israelische König David geboren worden war. „Die Evangelisten greifen solche positiv besetzten Bilder auf und übertragen sie auf ihren Helden, auf Jesus“, erläutert Prof. Ebner. Quelle: AP
Die KrippeIm Lukas-Evangelium heißt es, Maria und Josef hätten in der Herberge keinen Platz mehr gefunden, und deshalb habe Maria ihr Baby in eine Futterkrippe gelegt. Daraus folgert man, dass sie Jesus in einem Stall zur Welt brachte. Kampling: „Zu der Zeit gab es noch Löwen und Bären in Israel, man konnte also nicht gut draußen schlafen.“ Für die Krippe gibt es keinen Bezug zu älteren Texten – vielleicht ein Hinweis auf einen historischen Kern. Quelle: dpa
Die HirtenIn Weihnachtsgottesdiensten wird oft betont, dass als erstes die Unterprivilegierten – die Hirten – auf Jesus aufmerksam wurden. „Hirten waren damals aber gar nicht arm, sie besaßen viele Tiere“, sagt Hammann. Der ursprüngliche Sinn war womöglich raffinierter: Zunächst bewachen die Hirten ihre wertvollen Schafe vor Räubern und wilden Tieren. Doch als sie von den Engeln die Botschaft bekommen, dass Jesus geboren ist, lassen sie sie unbewacht zurück. „Für den zeitgenössischen Zuhörer war das ein vertrautes Bild“, erläutert Ebner. „Es bedeutete: Jetzt ist das Goldene Zeitalter des Friedens angebrochen.“ Auch das war wieder ein Seitenhieb auf Kaiser Augustus, der eben das von sich selbst behauptete. Quelle: dpa
Ochs und EselSie kommen in den biblischen Berichten über die Geburt von Jesus überhaupt nicht vor, sondern nur in der zeitgenössischen Parallel-Literatur zur Bibel, den Apokryphen. Sie spielen damit auf eine Textstelle im Alten Testament an. Quelle: dpa
Der Stern von BethlehemViele Wissenschaftler, die keine Theologen sind, glauben, dass es den Stern wirklich gegeben hat. Sie vermuten, dass es sich um eine Konjunktion handelte – ein enges Nebeneinanderstehen der Planeten Saturn und Jupiter. Theologen sehen den Stern dagegen eher als literarisches Bild. Er spielt auf eine Geschichte im Alten Testament an, in der für Israel ein neuer Stern – ein künftiger König – geweissagt wird. Fromme Juden stellten diese Verbindung vermutlich sofort her. Quelle: dpa
FazitDie Weihnachtsgeschichte beruht großenteils nicht auf historischen Fakten. Aber ist sie deshalb unwahr? „Eine Legende kann wie ein Märchen tiefe Wahrheit enthalten – viel mehr als nüchterne historische Tatsachen“, betont Prof. Hammann. Und eine Geschichte muss schon ungeheuer gut sein, um über zwei Jahrtausende hinweg nichts von ihrer Faszination einzubüßen. Die Hauptaussage der Evangelien ist zudem sehr ernst gemeint: „Sie lautet: Der eigentliche Herrscher der Welt ist dieser Jesus“, erläutert Martin Ebner. „Die Macht ist jetzt in den richtigen Händen. Daran haben die ersten Christen so fest geglaubt, dass viele von ihnen dafür in den Tod gegangen sind.“ Quelle: dpa
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