Digital Brand Champions 2014 Die erfolgreichsten Marken im Internet

Bewertungen schreiben, Inhalte verbreiten, Produkte entwickeln: Wer seine Kunden für sich einspannt, ist im Internet erfolgreich. An diesen Unternehmen sollten sich andere ein Beispiel nehmen.

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Die besten Viralkampagnen
Screenshot von hunter and bear's birthday party Quelle: Screenshot
screenshot youtube Quelle: Screenshot
Drama-Button27,9 Millionen Menschen haben den Clip mit dem Drama-Button schon geklickt. Für die Etablierung eines Fernsehsenders in Belgien wurde in einer belgischen Stadt auf einem öffentlichen Platz ein roter Knopf mit der Aufschrift "Push to add drama" installiert. Das Video zeigt, was passiert, nachdem sich die Belgier ein bisschen mehr Drama gewünscht haben. Die Botschaft des Fernsehsenders: "Wir haben ihre tägliche Dosis Drama." Die Zuschauer waren begeistert. Quelle: Screenshot
Old Spice Wer das Duschgel von Old Spice - einer Marke von Procter & Gamble benutzt, wird dadurch zwar nicht aussehen, wie Kampagnen-Model Isaiah Mustafa - aber er kann wenigstens so riechen. Selbstironie gefällt, de Internet-Gemeinde liebt die vielfältige, kreative Old Spice-Werbung. Unter anderem gibt es von der Marke auch personalisierte Clips für bestimmte Personen, die in den Videos direkt angesprochen werden. Und wer möchte nicht so riechen, als hätte er Diamanten, ein Boot und einen Waschbrettbauch? Quelle: Screenshot
Darth Vader Die Macht ist mit den VW-Fahrern: Der Clip mit dem Mini-Darth Vader, der das Auto seines Vaters per Handzeichen anhält, wurde von mehr als 34 Millionen Youtube-Nutzern gesehen. Dazu kommen noch alle Zuschauer des Super-Bowl. 25.000 begeisterte Youtube-Kommentare veranlassten die Volkswagen-Marketing Abteilung, den Clip "the Force" künftig auch im deutschen Fernsehen auszustrahlen. Quelle: Screenshot
Diet Coke und Mentos Ein kleines Experiment brachte Coca Cola und Mentos jede Menge Gratis-Werbung ein. Die Cola-Kaubonbon-indizierte Explosion haben Millionen Menschen auf der Welt gesehen, nachgemacht und die Videos verbreitet. Für beide Unternehmen sind die witzigen Clips ein voller Erfolg. Quelle: Screenshot
Evian Babies Dem Kindchen-Schema sei Dank sahen mehr als 30 Millionen Menschen, wie Evian-Wasser Säuglinge zum Rollschuh laufen bringt. Und das auch noch sehr erfolgreich: Die Babys in dem Evian-Clip fahren auf Skates Slalom um Flaschen und zeigen sich für ihr Alter sehr sportlich. Quelle: Screenshot

Quietschende Reifen, dröhnende Motoren – fünf rote BMW schießen in den dreispurigen Kreisverkehr. Vollbremsung. Stille. Passanten bleiben verdutzt stehen, fotografieren das Spektakel. An den Lenkrädern sitzen professionelle Stuntfahrer, die eineinhalb Minuten ihr Können zeigen. Mit einem Tritt aufs Gaspedal beginnt die perfekt abgestimmte Choreografie: Die Wagen schleudern umher, rutschen parallel zueinander um die Kurve, rasen aufeinander zu, driften im vollen Tempo aneinander vorbei.

„Nur mit solchen, überraschenden Aktionen können wir uns von der Masse abheben“, sagt Marketingchef Steven Althaus. Außerdem passe der Inhalt perfekt zu den Werten der Marke – Fahrfreude und Dynamik. „Die Zielgruppe identifiziert sich gerne mit professionellen Piloten.“

Die Zahlen geben dem 46-jährigen Marketingmanager recht: Weit mehr als 13 Millionen Mal haben Internet-Nutzer das eigens fürs Netz produzierte Video Driftmob auf YouTube seit dem Start Ende Juli angesehen, auf Facebook hatte es nach vier Wochen mehr als 60.000 Gefällt-mir-Angaben eingesammelt. Und knapp 1500 BMW-Fans haben den Spot und das zugehörige Making-of-Material mit Freunden und Bekannten geteilt.

"Aktive Markenfans sind unbezahlbar"

Sechs Monate hat der Autobauer an dem Video getüftelt – der Aufwand hat sich gelohnt. „Internet-Videos erreichen vielleicht nicht die Massen wie klassische Fernsehspots, die direkt vor der Tagesschau laufen“, sagt Marketingprofessor Thorsten Hennig-Thurau von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Aber es ist ein gravierender Unterschied, ob ich als Konsument passiv und mit ganz anderen Absichten vor dem Fernseher sitze oder selbst initiiert und ganz und gar freiwillig das Video anklicke, um es bewusst zu sehen.“

Laut einer Studie ist BMW die erfolgreichste Marke im Internet Quelle: REUTERS

Natürlich: Nicht jedes YouTube-Video wird zum Hit. Laut einer Studie der Social-Media-Beratung SocialFlow rufen 99 Prozent aller Einträge in den sozialen Netzwerken überhaupt keine Reaktion hervor. Umso wertvoller sind Fotos und kurze Filmchen, die den Nerv der Netzgemeinde treffen und sich wie ein digitales Lauffeuer verbreiten.

„Aktive Markenfans sind unbezahlbar“, sagt Alexander Kiock, Geschäftsführer der Berliner Strategieagentur diffferent. „Denn die Nutzer wirken nicht nur als Multiplikatoren, sie geben ihre Empfehlung auch noch freiwillig ab. Das ist viel authentischer und schafft mehr Kundennähe, als würde ein Unternehmen sich plump selbst anpreisen.“

Fans werden zu Marketingvertretern

Viele der BMW-Fans teilen nicht nur die Inhalte des Autobauers, sondern präsentieren auf den sozialen Kanälen von BMW auch selbst produziertes Material: zum Beispiel Fotos von ihren Kindern, die auf dem Fahrersitz hocken, mit ihren kurzen Beinchen aber längst nicht bis zum Gaspedal kommen. Oder einen mit Blumen geschmückten Hochzeits-BMW. Ebenso können die Internet-Nutzer über das sogenannte Co-Creation Lab Ideen zur Verbesserung der Wagen einbringen – 4758 Freizeitentwickler sind schon angemeldet.

Die 20 besten Marken im Internet

Gründe genug für diffferent, BMW bei der diesjährigen Auswertung der Studie Digital Brand Champion zum Sieger zu küren. Insgesamt hat die Agentur 125 Marken aus 22 Branchen anhand von vier Kategorien und 16 dazugehörigen Kriterien untersucht.

Das Ergebnis: Im Gesamtranking verwies der Münchner Autobauer Vorjahressieger Audi auf Rang zwei – die Ingolstädter tun sich vor allem durch ihre informativen und unterhaltsamen Inhalte hervor. Sportartikelhersteller Adidas landete auf dem dritten Platz, überzeugte die Studienautoren besonders mit seinen innovativen Marketinginstrumenten: Adidas bietet den Konsumenten etwa die Möglichkeit, Sportschuhe oder Trainingsjacken in den persönlichen Lieblingsfarben zu gestalten, und nutzt neue soziale Kanäle wie das Fotonetzwerk Instagram oder die Blogging-Plattform Tumblr.

„Die Markenführung im Netz hat sich insgesamt stark professionalisiert, der Wildwuchs ist auf breiter Front verschwunden“, sagt Markenberater Kiock. Und auch die Marketingbudgets wandern zunehmend Richtung Internet: Laut Marktforschungsinstitut Nielsen lagen die Bruttowerbeausgaben für den Online-Bereich im ersten Halbjahr 2014 bei 1,6 Milliarden Euro, rund sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Besonderen Anteil daran hat die mobile Werbung – kein Wunder, nutzt heute doch fast jeder zweite Deutsche ein Smartphone. Der Rechner für die Hosentasche verleiht den Botschaften der Markenartikler Omnipräsenz.

Werbung ist zum Flipperspiel geworden

„Die Unternehmen dürfen ihre Kunden aber nicht zum Abnehmer ihrer Werbebotschaft degradieren“, sagt Marketingprofessor Hennig-Thurau. „Die Konsumenten sind durch die digitalen Kanäle längst Partner der Unternehmen geworden – bei der Verbreitung der Markenwerte, aber nicht selten auch bei deren inhaltlicher Entwicklung.“

Habe Marketing früher einer Bowlingbahn geglichen, auf der die Konsumenten als Kegel galten, die nur auf den Einschlag der Markenbotschaft warteten, seien sie heute eher Teil eines Flipperspiels: „Durch ihre digitalen Werkzeuge können die Kunden Werbebotschaften stoppen, beschleunigen oder auch in eine völlig neue Richtung lenken“, sagt Hennig-Thurau.

So informieren sich Kunden vor der Kaufentscheidung

Eine Machtverschiebung, die kein Unternehmen mehr ignorieren sollte. Auch, weil das Internet längst unverzichtbare Informationsquelle geworden ist. Der Blog allfacebook.com registrierte im Januar 2014 deutschlandweit mehr als 27 Millionen aktive Nutzer auf Facebook. Laut dem German Digitalization Consumer Report der Universität Münster und der Beratung Roland Berger sind die digitalen Kanäle mittlerweile die wichtigste Quelle für Verbraucher, um ihre Kaufentscheidung im Vorfeld abzusichern. Fast ein Viertel der Konsumenten recherchieren die besten Angebote, Preisvergleiche oder Erfahrungsberichte im Netz und in den sozialen Netzwerken (siehe Kurztexte). Selbst die Empfehlungen von Freunden und der Familie in der realen Welt ist nur für etwa 20 Prozent für die Kaufentscheidung ausschlaggebend.

Erfolg mit Social-Media-Team

„Unternehmen müssen sich diesem radikalen Wandel stellen“, sagt diffferent-Markenexperte Kiock. „Das Internet ist nicht nur digitales Schaufenster, in dem man seine Produkte hübsch drapiert – es ist Verkaufsraum, Infostand und Servicehotline in einem. Nur wer auf allen Gebieten eine gute Figur macht, schafft beim Kunden ein positives Markenerlebnis.“

Das hat auch die Deutsche Bahn begriffen. Der Konzern, der im Internet oftmals als Prügelknabe herhalten muss, weil Züge oder Klimaanlagen ausfallen, ist seit 2011 auf Facebook und Twitter aktiv. Hauptmotiv für den digitalen Start vor drei Jahren: meckernden Kunden kompetent Antwort geben. Das Social-Media-Team erklärt etwa, warum es zur beanstandeten Verspätung kommt, in welchem Bereich bestimmte Tickets gültig und welche Verbindungen die beste Alternative für ausgefallene Züge sind. Die Antworten lassen in der Regel nur ein paar Minuten auf sich warten.

Bahn-Website ist beliebt

Dass sich mit gelungenen Antworten aber nicht nur zufriedene Kunden, sondern auch Klicks generieren lassen, zeigte der Konzern im vergangenen Jahr, als sich eine junge Frau ihren Bahn-Frust von der Seele schrieb – in Form eines Liebesbriefs. „Meine liebste Deutsche Bahn, seit vielen Jahren führen wir nun eine abenteuerliche Beziehung“, beginnt der Eintrag auf der Facebook-Seite der Bahn. „Dass du mich jetzt bei klirrender Kälte fast 45 Minuten warten lässt, ohne Bescheid zu sagen, und dann gar nicht auftauchst, das geht nun wirklich zu weit.“ Und weiter: „Ich brauche jemanden an meiner Seite, der zuverlässig ist, nicht nur mein Geld will und auch bereit ist, auf meine Bedürfnisse einzugehen. Und ich habe so jemanden kennengelernt. Er nennt sich Opel.“

Darauf hin gab die Bahn den reumütigen Verehrer: „Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit viele Fehler gemacht habe und nicht immer pünktlich bei unseren Treffen war. Vielleicht gibst du mir aber noch einmal die Möglichkeit, dir zu zeigen, wie viel du mir bedeutest.“ Auch Opel schaltete sich in die Konversation ein. Tausende Likes und Hunderte Kommentare folgten.

Lohn der Mühe: Unter den deutschen Digital Brand Champions bietet die Bahn die ansprechendsten Inhalte für die Konsumenten. Auch die Web-Site ist beliebt und laut Studie sehr benutzerfreundlich, alle wichtigen Infos seien leicht zu finden. „Wir analysieren das Nutzerverhalten genau und orientieren uns daran“, sagt Birgit Bohle, Vertriebschefin für den Personenverkehr der Deutschen Bahn.

Kunden als Versuchskaninchen

So hatte die Bahn etwa festgestellt, dass viele potenzielle Kunden beim Kauf eines Online-Tickets aussteigen, sobald es ans Bezahlen geht. Um diesen Schritt zu vereinfachen, akzeptiert die Bahn nun auch Direktüberweisungen und PayPal.

Manchmal nutzt die Bahn ihre Kunden auch als Versuchskaninchen. Ihr Europaticket etwa bewirbt die Bahn auf ihrer Homepage mit verschiedenen Motiven. Während der eine Kunde den Eiffelturm zu Gesicht bekommt, erscheint auf dem Bildschirm des nächsten der Big Ben. So weiß das Unternehmen recht schnell, welche Fotos ziehen und welche nicht.

Worauf die User stehen, hat auch der Handyhersteller HTC herausgefunden. Der taiwanische Konzern steckt mittlerweile 40 Prozent seines Marketingbudgets ins Netz. Das passt zu seinen Kunden, die mehrheitlich zwischen 18 und 39 Jahre alt sind und sich regelmäßig auf digitalen Plattformen tummeln – von YouTube über Twitter bis zum Fotonetzwerk Pinterest. Und genau dort von HTC angesprochen werden – mit Inhalten, die bewusst auf den jeweiligen Kanal ausgerichtet sind.

Regelmäßige Fotoaktionen

„Wir haben gemerkt, dass unsere Fangemeinde auf Google+ deutlich technikaffiner ist als unsere Fans auf Facebook“, sagt Nadine Deisenroth, Marketingchefin von HTC Deutschland.

Karten für die RTL-Talentshow „Rising Star“ etwa verlost HTC deshalb gezielt auf Facebook und Twitter, aber nicht auf dem sozialen Netzwerk der Suchmaschine.

Zu seinen regelmäßigen Fotoaktionen ruft HTC allerdings auf allen Kanälen auf: Dabei sollen Nutzer zu vorgegebenen Themen Fotos posten, die sie mit ihrem Smartphone geschossen haben – derzeit sind originelle Selfies gefragt. Der Einsender des Fotos mit den meisten Stimmen gewinnt ein neues Smartphone.

Und direkt auf seiner Homepage lässt der Smartphone-Hersteller die eigenen Geräte bewerten. „Dass wir unsere Produkte toll finden, ist klar“, sagt Managerin Deisenroth. „Dem Interessenten hilft es aber viel mehr, wenn unabhängige Käufer ihre Meinung sagen.“

"Umparken im Kopf" - Wenn Firmen neugierig machen wollen
„Umparken im Kopf“Die Welt ist voller Missverständnisse – das greift die Werbekampagne „Umparken im Kopf“ auf ihren zahlreichen Plakaten in deutschen Innenstädten auf: „Aus Sicht der Physiker kann die Hummel unmöglich fliegen – Der Hummel ist das egal“ heißt es auf dem einen Plakat, auf dem anderen  „68 Prozent der Männer halten rothaarige Frauen für  feuriger – 90 Prozent davon haben noch nie eine kennen gelernt.“ Die dazugehörige Internetseite zeigt Videos von Prominenten, die sich über Vorurteile aufregen. Das werbende Unternehmen dahinter kommt nicht zum Vorschein. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Teaser“—Kampagne, die Neugier wecken will. In solchen Fällen folgt meist eine Auflösungs-Kampagne, die klar stellt wer oder was dahinter steckt. Hierbei soll es der angeschlagene Autobauer Opel sein, der dies jedoch nicht bestätigt. Werbeexperte Ronald Focken sieht darin einen Versuch, Opel von seinem staubigen Image zu befreien: „Opel hat seit seiner Neuaufstellung gute Kampagnen gemacht, aber konnte mit den herkömmlichen Werbemechanismen nicht von den alten Vorurteilen loskommen“, sagt der Geschäftsführer der Münchner Werbeagentur Serviceplan, die nicht in der Opel-Kampagne involviert ist. Solche Neugier weckenden Kampagnen lohnen sich immer dann, wenn es darum geht, eine alte Marke neu zu entdecken, oder neue Marken vorzustellen. Dies zeigen folgende Beispiele. Quelle: Screenshot
Ich bin ON Quelle: imago/Enters
Don't be a Maybe Quelle: imago / steinach
Daewoo und DuSchon 1995 bediente sich der südkoreanische Autohersteller Daewoo einer Teaser-Kampagne, um sich den deutschen Kunden vorzustellen. Die damals unbekannte Automarke bewarb sich, indem rote Lippen vor weißem Hintergrund eingängig „Daewoo! Daewoo und Du! Daewoo und Du, eine Freundschaft beginnt!“ sangen. Die Stimme dahinter kam von Popstar Jennifer Rush. Daraufhin wurde der Text eingeblendet: „Wenn Sie wissen wollen, wer oder was sich hinter Daewoo verbirgt, rufen Sie bis zum 27.02.1995 an und gewinnen Sie eine Reise nach Fernost.“ Auch hier sollte die Neugier wieder für eine ganze Marke geweckt werden, erklärt Ronald Focken von der Werbeagentur Serviceplan. „Wegen ihrer hohen Kosten gibt es Teaser-Kampagnen meist nie für einzelne Produkte, sondern immer für ganze Markenauftritte.“ Grundsätzlich gehen solche Kampagnen zurück – vor allem sind sie nicht mehr in dem großen Ausmaß zu finden, wie bei E.On 2002. Opel ist aktuell etwa mit weniger Plakaten vertreten und setzt stattdessen stärker aufs Internet.  „Marketingchefs haben heutzutage gar nicht mehr das Budget, in eine Kampagne mit so vielen Plakaten und Printanzeigen zu investieren, die letztlich nur Neugier schaffen soll.“ Quelle: Screenshot

Und selbst von schlechten Bewertungen profitiert HTC: kontaktiert Nörgler, um ihnen bei der Lösung ihres Problems zu helfen. Und versucht so, sie vom Kritiker zum Fan zu machen.

Auch die Ideen der Kunden wissen viele Unternehmen zu schätzen. Der Elektronikkonzern Sony etwa bietet für seine Spielkonsole Playstation einen Blog an, in dem Nutzer ihre Verbesserungsvorschläge publizieren und bewerten lassen können. So bekommt Sony ein Gefühl dafür, was seine Kunden wollen und was eher eine Einzelmeinung ist.

Hören auf die Kunden

Knapp 2000 Playstation-Spieler unterstützten etwa die Idee vom Nutzer Tomy Sakazaki. Er machte sich im Sony-Blog dafür stark, auf der tragbaren Playstation-Version Vita mehr als 100 Apps speichern zu können. Denn das war bislang die absolute Obergrenze – und für viele Nutzer deutlich zu wenig. Sony erhörte seine Kunden und erhöhte die Zahl der speicherbaren Anwendungen im vergangenen März auf 500.

Auf seiner Homepage stellt der Konzern außerdem Diskussionsforen zu verschiedenen Produkten, wie E-Readern, Fernsehern oder Laptops, bereit. So hatte ein Kunde etwa das Problem, dass der Aufsteckblitz für seine Kamera ständig überhitzte. Drei andere Hobbyfotografen schalteten sich ein, berichteten über ihre Erfahrungen, diskutierten, wie das Problem zu lösen sei. Als Übeltäter identifizierte die Runde schließlich den Akku des Aufsteckblitzes und empfahl einen anderen.

Weiß die Internet-Gemeinde mal keinen Rat, leiten die Diskussionsteilnehmer die Anfrage an den Kundendienst weiter – wenn sich zu diesem Zeitpunkt nicht längst ein Sony-Mitarbeiter in die Unterhaltung eingeklinkt haben sollte.

Kreditkarten mit Duft

Damit Kunden ihre Fragen bequem auch von unterwegs loswerden und Fans ihre Ratschläge mobil kundtun können, passt sich das Layout der Seite automatisch an die Bildschirmgröße des jeweils genutzten Geräts an. Außerdem können sich Smartphone-Besitzer auf der mobilen Web-Site die Sony-Händler in ihrer Umgebung anzeigen lassen.

Die Commerzbank wiederum setzt auf die Individualität ihrer Kunden: Die können auf dem neu gestalteten Internet-Auftritt des Geldhauses aus 45 Motiven für ihre Kreditkarte wählen – vom tropischen Strand über süße Hundewelpen bis hin zur Erde aus Weltraumperspektive. „Schon mit solch kleinen Gimmicks können Unternehmen den Verbrauchern große Freude machen“, sagt diffferent-Geschäftsführer Kiock. „Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, in der das Abheben von der Masse eine enorme Bedeutung hat.“

Selbst das Angebot der Commerzbank, zwischen vier verschiedenen Duftkarten – Kirsche, Orange, Zimt oder Rose – zu wählen, hält Kiock für mehr als eine nette Spielerei: „Multisensorisches Marketing wird das nächste große Ding.“

Das belegt etwa eine Studie des Marktforschungsinstituts Millward Brown: Demnach steigt die Treue zu einer Marke von durchschnittlich 28 Prozent auf 43 Prozent, sobald statt einem zwei oder drei Sinne angesprochen werden. Behält der Konsument gar vier oder fünf Sinneseindrücke positiv in Erinnerung, liegt die Markenloyalität bei fast 60 Prozent.

Alle Sinne ansprechen

Deshalb gibt es von L’Oréal Paris nicht nur was fürs Auge, sondern neuerdings auch was auf die Ohren. Seit Anfang des Jahres ist der Kosmetikkonzern im sozialen Netzwerk Soundcloud vertreten. Über die Web-Site lassen sich Musikdateien verbreiten und austauschen.

„Als Marktführer in der Kosmetikbranche ist es unser Anspruch, neue Internet-Trends zu identifizieren und zu nutzen“, sagt Nicole Gillenberg, Digitalchefin von L’Oréal Paris.

Schon seit den Achtzigerjahren spielt Musik im Marketing des Konzerns eine große Rolle – etwa in den Spots der Produktlinie Studio Line. Um auch heute junge Zielgruppen anzusprechen, hat der französische Konzern das DJ-Duo Trickski aus Berlin beauftragt, die Werbemelodien von damals zeitgemäß zu interpretieren. Das Ergebnis: Sechs unterschiedliche Elektrosounds. Die Musiker selbst haben auf der Plattform Soundcloud schon mehr als 300 000 Fans, die der Kosmetikkonzern durch die Kooperation auf sich aufmerksam macht.

Seit Mai ist L’Oréal außerdem auf der Blogging-Plattform Tumblr vertreten. Auf der digitalen Pinnwand sammelt das Unternehmen Stylingtipps der Kollegen aus anderen Ländern, bindet YouTube-Videos ein und präsentiert Fotos und Animationen der neuesten Produkte.

„Die Unternehmen müssen entscheiden, welche Kanäle zu ihrer Marke passen“, sagt Kiock. „Was soll eine Bank schon Interessantes auf der Fotopinnwand Pinterest zeigen?“

Diese Strategie der Selektion verfolgt auch BMW. Zwar nutzt der Konzern Tumblr. Aber andere neue Digitalkanäle wie Soundcloud, Spotify oder die Video-App Vine lässt der Autobauer außen vor.

„Internet-Communitys lassen sich recht schnell aufbauen – sie zu pflegen ist viel schwieriger“, sagt Althaus von BMW. „Wer sich auf unseren Kanälen langweilt, ist so schnell weg, wie er gekommen ist.“

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