Diversity Generation 50+ startet die dritte Karriere

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Negative Stereotype abbauen

Günther Sternberg Quelle: Dieter Mayr für WirtschaftsWoche

Auch den EDV-Dienstleister Datev in Nürnberg werden innerhalb der nächsten Jahre Hunderte Mitarbeiter verlassen, sagt Andreas Krause, der den Personal-Service leitet. Begleitet vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, legte der Mittelständler deshalb das Pilotprojekt „Wissenstransfer beim Ausscheiden erfahrener Mitarbeiter und in altersgemischten Teams“ auf.

An dem nahm auch Günther Sternberg teil. Kaum hatte der 49-Jährige seine Stelle als Abteilungsleiter angetreten, musste er sich auf Personalsuche machen. Fünf seiner 30 Mitarbeiter in der Abteilung Servertechnologien würden in den nächsten zwei Jahren ausscheiden, eröffnete ihm sein Chef. Nämlich zwei Führungskräfte sowie drei Fachberater für die Großrechner-Programmierung – nach bis zu 20 Jahren auf der jeweiligen Stelle und „alle mit höchsten Qualifikationen“, sagt Sternberg.

Wie man Mitarbeiter ans Unternehmen bindet
Die Vertreter der Generation Y, also die bis zu 32 Jahre alt sind, verfügen über eine hohe Technologieaffinität und möchten möglichst schnell die Infos auf ihren Smartphones haben. Die Babyboomer-Generation, die 47- bis 65-Jährigen, wollen dagegen öfters mal entschleunigen. Dieser Konflikt kann auch am Arbeitsplatz stattfinden. Der Personaldienstleister Robert Half hat in einer Studie 2400 Manager weltweit gefragt, welche Karrierevorstellungen sie haben. Und daraus Schlüsse gezogen, wie Unternehmen die unterschiedlichen Potenziale nutzen können - nicht nur um Mitarbeiter zu binden. Immerhin sind sich laut der Studie alle Befragten einig: Das effiziente Arbeiten in generationenübergreifenden Teams ist schwierig.
Zusatzleistungen für die Mitarbeiter: Wie flexibel sind Gehalt und Zusatzleistungen? Mitarbeiter zu binden bedeutet auch: darauf achten, was unterschiedliche Altersgruppen für wichtig halten. Wer Kinder hat, wird wahrscheinlich auch mal von zu Hause arbeiten wollen. Anders als Berufsstarter, die in den ersten Karrierejahren vor allem Gas geben. Deshalb sollten clevere Arbeitgeber gemeinsam mit ihren Angestellten ein System entwickeln, das sich an den jeweils unterschiedlichen Lebensumständen anpasst. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen: In der Studie vom Personaldienstleister Robert Half gaben 52 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, dass ihnen diese bessere Vergünstigungen und Zusatzleistungen besonders wichtig sind.
Flexible Arbeitszeiten: Unterschiedliche Biorhythmen laufen zu unterschiedlichen Uhrzeiten zur Höchstform auf. Der Arbeitgeber sollte darauf reagieren - und seinen Angestellten aus dem starren Schema "Nine To Five" herauslösen. Kommt das Unternehmen seinen Arbeitern entgegen, kann das zudem die Produktivität steigern.
Stärken der Mitarbeiter nutzen: Junge Mitarbeiter sind technikaffin. Ältere haben da öfters Nachholbedarf. Dafür sind Jüngere selten erfahren genug, um eine Übersicht bei den Prioritäten und Planung der Arbeit zu haben. Austausch der unterschiedlichen Vorteile in Form von Schulung und informellen Zusammenkommen könnten eine Lösung sein.
Teamgeist stärken: Der Austausch sollte nicht auf den Bürobereich beschränken. Den Teamgeist kann man auch durch gemeinsames Grillen stärken oder durch gemeinsame Freizeitunternehmungen, wie zum Beispiel Ausflüge und Wandern. Quelle: ZB
Die Expertise von älteren Mitarbeitern nutzen: 51 Prozent der Befragten planen auch nach Renteneintritt zu arbeiten. Arbeitgeber sollten dieses Potenzial nutzen: In Teilzeit arbeitende Rentner können jüngere Kollegen coachen. Die Arbeitsergebnisse werden dadurch besser, der Respekt zwischen den Generationen steigt.

Als Führungskraft begleitete Sternberg Tandems aus Vorgängern und Nachfolgern, füllte mit ihnen Fragebögen zu Aufgaben, Ansprechpartnern und Abläufen aus, entwickelte mit ihnen Zeitpläne für die schrittweise Übergabe. „Nur wenn der Vorgänger seinen Nachfolger akzeptiert, gibt er sein Wissen gerne an ihn weiter“, sagt Sternberg. Das Ziel: eine Kultur zu schaffen, in der jüngere Mitarbeiter Respekt vor der Lebensleistung der älteren zeigen.

Doch wo Ältere in der Vergangenheit als Auslaufmodelle aufs Abstellgleis gedrängt wurden, vollzieht sich der erforderliche Kulturwandel nicht von heute auf morgen. Starrheit, Resignation, verringerte Lernbereitschaft: Das sind „negative Stereotype, die besonders jüngere Kollegen und Vorgesetzte älteren Mitarbeitern verlässlich zuschreiben“, sagt der Organisationspsychologe Jürgen Wegge von der Technischen Universität Dresden.

Beim Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen versucht man, solche Vorurteile abzubauen. „Altersbilder, die wir im Kopf haben, werden thematisiert“, sagt Gudrun Kolbe, die das Programm „Generations@Work“ betreut. Glaubenssätze wie „Innovationen gelingen nur mit Jüngeren“ würden mit Forschungsergebnissen kontrastiert und als Mythen entlarvt. Entgegen landläufiger Meinung nehmen auch Kreativität und Lernfähigkeit mit dem Alter nicht generell ab.

Zumindest nicht, wenn sie in der zweiten Hälfte des Berufslebens trainiert werden. Mit dem Programm „Bologna 40 plus“ unterstützt etwa die Deutsche Telekom Mitarbeiter jenseits der 40, die ein berufsbegleitendes Studium absolvieren.

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