Drei-Tage-Bart beliebter denn je Das große Bart-Comeback

So viel sprießende Männlichkeit war schon lange nicht mehr. Bärte, wohin man blickt. Vor allem der Drei-Tage-Bart zeigt sich als unverwüstliches Signal männlichen Draufgängertums. Nur in der Wirtschaft will er nicht recht durchdringen.

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Ein gepflegter Bart ist eine haarige Angelegenheit
Die schlechte Nachricht vorneweg: Nicht jedem Mann steht Bart. Vor allem steht nicht jedem ein Vollbart. Welcher Bart-Typ jemand ist, hängt von den jeweiligen Gesichtszügen und der Form des Gesichtes ab. Quelle: dapd
Aber: Ein Vollbart kann aus einem optischen Milchbubi einen Mann machen. Das findet zumindest Haar-Experte Bruce Reith aus Düsseldorf. Wer sehr feine, weibliche Gesichtszüge kaschieren und männlicher aussehen möchte, sollte über einen Vollbart nachdenken. Allerdings braucht der Bart entsprechende Pflege. Quelle: AP
Wie auch die Haare auf dem Kopf sollte der Bart regelmäßig gewaschen werden. Am Besten eignen sich milde Shampoos, die die Haut nicht austrocknen. Von normaler Seife sollten Bartträger dagegen die Finger lassen. Quelle: Fotolia
Um den Bart zu trimmen, damit es nicht wild wuchert und sprießt, empfehlen sich elektrische Bartschneider, Kamm und Schere oder Rasiermesser. Letztere sollte man allerdings lieber dem gelernten Friseur beziehungsweise Barbier überlassen. Quelle: REUTERS
Wer mehr möchte, als nur einen ordentlich gestutzten Bart, sollte auf spezielles Wachs für Bärte oder Pomade zurückgreifen, um den Bart in entsprechende Formen zu bringen. Von Haargel oder -Spray ist abzuraten. Quelle: REUTERS
Sollte einmal ein Haar eingewachsen sein, empfiehlt sich der Gang zur Kosmetikerin. Bei Versuchen, das Haar selbst mit einer Pinzette zu entfernen, kann sich die Haut entzünden und es können Narben entstehen. Sollte die Haut bereits entzündet sein, kann ein Hautarzt Abhilfe schaffen. Verhindern lässt sich das Einwachsen durch die Trockenrasur. Quelle: Fotolia
Und auch nicht jeder hat die Veranlagung zum Rauschebart: Wo nichts wächst, wächst nichts. Es gibt zwar eine ganze Palette Haarwuchsmittelchen für das Gesicht, ein dauerhaftes Ergebnis bringt allerdings keines davon zustande. Quelle: dpa

Es ist gar nicht so lange her, da wurde prophezeit, dem feminisierten Mann gehöre die Zukunft. Im Zeichen von Unisex, so hieß es, würden sich die Differenzen abschleifen. Weder Kleider- noch Körpermode trenne inskünftig die Geschlechter. Die cleane, antiseptisch daherkommende Schönheit wurde zum ästhetischen Ideal der Zukunft erklärt. Das „Barthaar als geschlechtsunterscheidendes Merkmal“, so mutmaßte noch 2005 eine Studie zur „Kulturgeschichte des Bartes“, könnte „zugunsten eines jüngeren Aussehens abnehmen oder möglicherweise verschwinden“.

Welch ein Irrtum. Das Barthaar „als geschlechtsunterscheidendes Merkmal“ ist – seit Jahren – präsenter denn je. Nicht nur in Mode, Sport und Werbung, sondern auch in der Politik. Sogar ansatzweise in der Wirtschaft. So viel sprießende Männlichkeit war schon lange nicht mehr. Die Schwächung der überkommenen Rolle des Mannes durch Feminismus und Gleichberechtigung, die Entdeckung weiblicher Tugenden in der postindustriellen Berufswelt, hat keineswegs zu einer androgynen Angleichung des Körperbilds geführt. Ganz im Gegenteil: Wie zum Trotz kultiviert der in die Defensive gedrängte Mann seine archaisch-virilen Eigenschaften – und zeigt symbolisch noch einmal Stärke.

Am liebsten in Gestalt des Drei-Tage-Barts, der – ursprünglich der Paria unter den Bärten – die Beliebtheitslisten knapp vor dem Vollbart anführt und ein Beweis dafür ist, dass es auch in der Mode Dauer im Wandel gibt. Diese Saison wird der Kratze-Bart als Modeerscheinung in der westlichen Kulturwelt glatte 30 Jahre alt. Es war die 1984 gestartete Krimiserie „Miami Vice“, die den Drei-Tage-Bart als Körper-Accessoire einführte. Der aufreizend lässige, leicht melancholisch dreinschauende Ermittler Don Johnson trug zu pastellfarbenen Jacketts, T-Shirts mit tiefem V-Ausschnitt, weißen Slippern (ohne Socken!) und silbrig schimmerndem Revolver einen Stoppelschatten ums energische Kinn.

Entscheider und ihre Bärte
Henriquatre-Bart und Christoph Maria Herbst Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Seemannsbart und Hans-Werner Sinn Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Vollbart und Umberto Eco Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Thomas Müller Quelle: Bild dpa/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche
Walrossbart und Dieter Zetsche Quelle: Bild Reuters/Illustration Kristina Düllmann/Montage WirtschaftsWoche

Damals: eine echte Modeinnovation – und der Beginn einer Ära sichtbar wachsender Maskulinität, die im deutschen Fernsehen Figuren wie den Anwalt „Liebling Kreuzberg“ auf den Plan rief, der Berliner Gemütlichkeit mit brummiger Männlichkeit kombinierte. Zu seinen Markenzeichen gehörten neben Zigarre und Schlapphut die Schwäche für schöne Frauen und der Drei-Tage-Bart.

„Eigentlich ein Un-Bart“, wie Bernhard Roetzel sagt, Autor des Standardwerks „Der Gentleman“, er sei „nichts Halbes und nichts Ganzes“, ein „Kompromiss“ für „Männer, die sich nicht entscheiden können“. Modeästhet Roetzel räumt ein, dass der Drei-Tage-Bart bei manchen gut aussehenden Männern „geht“. Vor allem, wenn starker Bartwuchs mit kurz geschnittenem Haar korrespondiert, wie beim Bayern-Trainer Pep Guardiola oder beim Modedesigner Tom Ford, ­dessen akkurat gestutzter Drei-Tage-Bart „das Tüpfelchen auf dem i“ sei. „Aber welcher ­Büromensch sieht schon aus wie Tom Ford?“

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