Eataly Das Schlaraffenland kommt nach München

Der Italiener Oscar Farinetti hat mit seiner Kette Eataly den Lebensmittelhandel revolutioniert. Nach New York, Tokio und Mailand eröffnet bald die erste Filiale des Delikatessenhändlers in Deutschland.

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Oscar Farinetti Quelle: AP

Bloß keine falsche Bescheidenheit. Wer eine Eataly-Halle in New York, Tokio oder Mailand betritt, erlebt die „Überlegenheit der italienischen Gastronomie“ – findet zumindest Firmengründer Oscar Farinetti. Aus einem Holzkohleofen kommen Brotlaibe und Pizzen; am Frischnudelstand werden Ravioli mit Quark, Schafskäse und Birnen gefüllt; der Mozzarella-Mann formt makellos weiße Kugeln; beim Gemüse liegen sieben verschiedene Tomatensorten; und in den Regalen steht Honig aus den Abruzzen neben Kapern aus Elba.

Bei Eataly gibt es ausschließlich hochwertige italienische Produkte von kleinen bis mittelständischen Betrieben, und in den Restaurants werden oft wenig bekannte regionale Spezialitäten serviert. In Kurzform: „Bei uns kann man essen, was man kauft, und kaufen, was man isst“, sagt der 61-jährige Farinetti.

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Seine Familie stammt aus der Trüffel-Hochburg Alba im Piemont und hatte schon immer mit Lebensmitteln zu tun. Der Name leitet sich von „farina“ (Mehl) ab, die Vorfahren waren Müller. Farinettis Vater besaß neben mehreren Supermärkten auch eine Nudelproduktion. Als Oscar 1978 in den Familienbetrieb einstieg, wurde er mit dem Ausbau der ungeliebten Abteilung für Haushaltsgeräte beauftragt. Zehn Jahre später gehörte ihm mit Unieuro der erfolgreichste Großhandelskonzern Italiens.

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Doch er wollte zurück zum ursprünglichen Geschäft seiner Familie. 2003 verkaufte er Unieuro, 2007 eröffnete der erste Eataly in Turin. Heute gibt es 13 XXL-Delikatessenläden in Italien und acht weltweit, zuletzt kamen Ableger in São Paolo und Seoul dazu. Rund 5000 Angestellte erwirtschafteten 2014 einen Umsatz von 320 Millionen Euro, in diesem Jahr werden 400 Millionen erwartet. 20 Millionen sollen aus München kommen, wo Ende November der erste europäische Eataly außerhalb Italiens eröffnet. In der Schrannenhalle, direkt am Viktualienmarkt im Zentrum. Das habe kaufmännische Gründe, sagt Farinetti. München lasse sich von Mailand schnell und leicht beliefern, die Bevölkerung sei kaufkräftig und habe aufgrund der geografischen Nähe ein Faible für Italien.

Feinkost Käfer als Zugpferd

Die 1853 als Getreidehalle fertig gestellte Schranne hat ihren Mietern bislang kein Glück gebracht. Was nicht demontiert wurde, verbrannte. Jahrzehntelang diente das Areal als Parkplatz. Mitte der Neunzigerjahre beschloss der Stadtrat, die Halle wieder aufzubauen, nach endlosen Diskussionen und Verzögerungen war das Konstrukt aus Glas und Stahl im September 2005 fertig. Die erste Gruppe von Mietern – eine skurrile Mischung aus Verkaufsständen mit bayrischem Handwerk, Lebkuchenherzen, Champagner und Souvenirs – stand drei Jahre später vor einer Zwangsverwaltung.

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2010 übernahm ein Immobilienunternehmer und kontaktierte Eataly. Doch die Italiener waren mit der Eröffnung ihrer New Yorker Filiale beschäftigt. Wieder zogen mehrere Mieter ein, immerhin diesmal alle mit gastronomischem Hintergrund. Als Zugpferd diente ein Outlet von Feinkost Käfer, das fast die halbe Halle einnahm. Doch auch in dieser Besetzung funktionierte die Schrannenhalle nicht. Michael Käfer wäre nach zwei Jahren gerne wieder ausgezogen, die Münchner, hin- und hergerissen zwischen Ärger und Belustigung, sprachen nur noch von der Pannenhalle.

Oscar Farinetti lacht. Solche Situationen kennt er. In Turin habe er Eataly in einer vom Pech verfolgten, verfallenen Fabrik eröffnet, in Rom in einer seit 30 Jahren verlassenen Bahnhofshalle, am Standort in Genua seien vor ihm vier Unternehmen gescheitert: „Uns gefällt es, diese Unglücksorte in etwas anderes zu verwandeln.“

In München ist ein italienisches Schlaraffenland mit fünf Restaurants und einer Nutella-Bar geplant. Dazu eine Kochschule, eine große Auswahl an italienischen Lebensmitteln und eine Abteilung für schicke Küchengeräte. „Die sind allerdings von Siemens und Bosch“, sagt Oscar Farinetti, „denn wenn es um Technik geht, sind die Deutschen sehr viel besser als wir.“

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