Neulich spielte ich mit meinem zweieinhalbjährigen Nachbarn im Garten Fußball. Als ich mich im Tornetz verhedderte, eilte er mir zu Hilfe und rief: „Warte, ich hol den Spreizer!“ Dahinter verbirgt sich ein hydraulisches Schneidegerät, mit dem die Feuerwehr festgeklemmte Personen aus eingequetschten Fahrzeugen befreit. In diesem Moment schossen drei Dinge durch meinen Kopf.
- Erstens: Was zum Teufel ist ein Spreizer?
- Zweitens: Wird er mich damit wirklich befreien können?
- Und drittens: Was hat der Kleine nur für Eltern?
Nun gut, sie sind bei der Berufsfeuerwehr. Aber haben sie ihm wirklich tagelang Bilder von Spreizern, Rettungsscheren und Löschzügen gezeigt, bis er sie schließlich gelernt hatte? Wohl kaum.
Lernen mit Bildern
Dabei feiert das Silicon Valley derzeit diese Form des Lernens. Selbstständig sollen sich sogenannte Deep-Learning-Netzwerke beibringen, wie ein Auto auszusehen hat, solange man ihnen nur genügend Bilder von Autos zeigt. Das Prinzip scheint plausibel: Sie sollen die Daten immer und immer wieder durchkauen, bis Gemeinsamkeiten und Korrelationen auftauchen.
Wenn auf einem Bild dann vier Reifen und ein Lenkrad erscheinen, ist es mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Auto. Übung macht den Meister. Kennen wir das nicht aus unserem eigenen Leben? Ganze Schulsysteme und Mitarbeiterfortbildungen scheinen auf diesem Lernprinzip aufzubauen. Als wäre das ständige Einpauken von Informationen der beste Weg des Lernens – eben so, wie es die neuesten Algorithmen von Google und Facebook schon machen, wenn sie Gesichter oder Katzenvideos erkennen.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Wenn sich die IT-Industrie da mal nicht täuscht! Denn Lernen ist schön und gut – doch verstehen ist besser. Wenn wir etwas gelernt haben, dann können wir es auch verlernen. Doch einmal verstanden, können wir es nicht ent-verstehen. Und wir verstehen eben nicht, indem wir ständig das Gleiche wiederholen – sondern indem wir einmal den zugrunde liegenden Sinn begriffen haben.
Mein kleiner Nachbar hat sicherlich nur ein-, zweimal den Begriff Spreizer gehört. Doch das hat gereicht, um ihn nicht mehr zu vergessen (und auch ich weiß jetzt Bescheid). Wir machen das ständig und verstehen auf den ersten Blick, was die Wörter Selfie, Flexitarier oder Teuro bedeuten könnten.
Wer verstehen will, braucht Ruhe
Wer die Welt nicht nur auswendig lernen, sondern sie auch verstehen will, sollte sich nicht auf das Niveau von Computeralgorithmen begeben. Denn diese rechnen permanent vor sich hin, ohne Sinn und Verstand.
Unsere Lern-Tipps
Viele haben Probleme, Lernziele umzusetzen. Überlegen Sie sich genau, was Sie lernen wollen, und teilen Sie sich den Stoff in Häppchen auf - besser viele kleine Schritte als wenige große. "Ich will spanisch lernen" ist kaum zielführend. "Ich will jeden Samstag vor dem Frühstück zehn neue Vokabeln lernen" schon eher. So erleben Sie schneller Erfolge und bleiben länger motiviert.
E-Mails, Termine, Besprechungen - der Berufsalltag lenkt unser Oberstübchen ständig ab. Deshalb sollten Sie sich Gelerntes regelmäßig aufschreiben, aufsagen oder anderen erklären.
Klingt seltsam, hilft aber tatsächlich. Ein gesunder Schlaf ist extrem wichtig für ein besseres Gedächtnis. Studien, etwa der Universität von Kalifornien, zeigen: Wer sich mittags 20 Minuten hinlegt, steigert sein Denkvermögen gegenüber Nichtschläfern. Offenbar leert das Nickerchen das Kurzzeitgedächtnis und schafft Platz für neue Informationen.
Wir hingegen machen Pause, wenn wir etwas Neues gesehen haben – und aktivieren dabei jene Hirnregionen, die den Sinn neuer Informationen erfassen. So wissen wir aus zahlreichen Studien, dass diese Momente der Ruhe für Verständnis unbedingt notwendig sind. Dann reicht es bisweilen, einmal genau hinzuschauen, ohne langes Pauken. Statt sich ständig mit aktuellen News und Meldungen zuzuschütten, darf man also durchaus ab und zu Abstand von der Nachrichtenflut nehmen, um diese zu verstehen. Wenn das mal kein schöner Vorsatz ist.