Erfolg Wie Vorbilder Karrieren beeinflussen

Wie stark Vorbilder die Karriere beeinflussen und wo erfolgreiche Menschen ihre Vorbilder gesucht und gefunden haben.

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Arnold Schwarzenegger Quelle: dpa/dpaweb

Als Regisseur Florian Graf Henckel von Donnersmarck mit seinem Filmprojekt begann, setzte er bewusst auf die motivierende Kraft von Vorbildern. An seine Bürotür heftete er die Bilder von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Karl Lagerfeld, Bill Clinton und Arnold Schwarzenegger. Allesamt Menschen, die – so seine Interpretation – auf ihrem Gebiet weiter gehen wollten als ihre Vorgänger. „Sie sind daran oft verzweifelt, haben es aber dennoch geschafft“, sagt von Donnersmarck.

Bei ihm kam es genauso. Insgesamt drei Jahre arbeitete von Donnersmarck in einem winzigen Berliner Büro an seinem Drehbuch. „Die Thematik war trostlos, ebenso die Recherche, ich schrieb Fassung um Fassung“, erinnert er sich. Doch als er das Manuskript an die Berlinale schickte, lehnte die den Film ab. Frustrierend war das. Aber aufgeben?

Seine Vorbilder fest im Blick, machte der Regisseur weiter. Anders. Ging neue Wege – und gewann schließlich 2007 mit „Das Leben der Anderen“ den Oscar.

Schon diese Geschichte wäre filmreif. Das Thema selbst gar Stoff für eine Serie. Denn sei es der erfolgreiche Unternehmer, dessen Strategie den Weg für die eigene Karriere weist, oder schlicht die Tatkraft der Großmutter – Vorbilder fordern und fördern Menschen bei der beruflichen Entwicklung, helfen eine Lebenslinie zu finden oder das zu tun, was wir am besten können.

Aktuell erlebt der Wunsch nach Vorbildern eine Renaissance. 88 Prozent der Deutschen sind laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Accenture davon überzeugt, dass Vorbilder in unserer komplexen Welt zur „privaten und beruflichen Orientierung“ dringend gebraucht werden. Mehr denn je.

Poster von Jugendlichen sind keine Vorbilder

„In Krisenzeiten schlägt das Pendel um“, sagt der Kölner Psychologe Stephan Grünewald, der mit seinem Rheingold Institut die Befindlichkeit der Bundesbürger analysiert. Die Spaßgesellschaft der Neunzigerjahre glaubte noch, „ohne Bevormundung“ auszukommen. „Vorbilder haben immer eine gewisse Strenge“, sagt Psychologe Grünewald. Doch damit sei es inzwischen vorbei. Idole sind in.

Idole, deren Poster sich beispielsweise Jugendliche an die Wand hängen, haben mit echten Vorbildern jedoch so wenig gemein wie Charles Bukowski mit Poesie. Denn bei ihnen „findet keine wirkliche Identifikation statt“, sagt der Organisationspsychologe Michael Kastner von der Universität Dortmund.

Solche Zelebritäten bleiben für das persönliche Handeln in der Regel völlig wirkungslos. Man himmelt sie kurz an, bewundert sie für ihre Popularität, weiß aber zugleich, dass dies Ausnahmeerscheinungen bleiben. Unerreichbar. Und oft auch viel zu artifiziell.

Ideale Vorbilder dagegen tragen weder einen Heiligenschein, noch brauchen sie Kunstlicht. Auch Regisseur von Donnersmarck führte sich regelmäßig die Schwächen seiner Musterbeispiele vor Augen: „Sie hatten mit den gleichen Zweifeln, der gleichen Faulheit und Eitelkeit zu kämpfen wie wir alle“, weiß er.

Wer seine Lehrmeister derart realistisch imaginiert, dem helfen sie umso besser, seine Ziele im Blick zu behalten sowie in schwierigen Situationen ihrem Beispiel zu folgen.

In einem stark vereinfachten Kontext demonstrierten das jüngst die Sozialpsychologin Michelle van Dellen von der Universität von Georgia und ihr Kollege Rick Hoyle von der Duke-Universität. Sie konnten zeigen: Wer Menschen dabei beobachtet, die sich bei der Wahl zwischen Süßigkeit oder Gemüse gut im Griff haben, beherrscht seine eigenen Zuckergelüste hinterher ebenfalls besser.

Andere Experimente dokumentierten, dass allein schon der Gedanke an disziplinierte Bekannte dazu führt, länger durchzuhalten.

Auch die Neurowissenschaften bestätigen den positiven Einfluss von Vorbildern. So konnten Forscher im Hirnscanner erkennen, dass schon beim bloßen Gedanken an ein erfolgreiches Vorbild das Belohnungszentrum aktiviert wird – und der Betroffene prompt viel motivierter ist, dessen Taten nachzueifern.

Nur wenn unsere Gefühle „auf Trab kommen, ändert sich das Verhalten“, betont der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth. Die kognitive Einsicht allein bewirke dagegen nichts.

Wal-Mart Quelle: AP

Dass es sogar möglich ist, mithilfe von Vorbildern sich selbst zu übertreffen, entdeckte wiederum der russische Psychotherapeut Vladimir Raikov. Er versetzte seine Probanden in Tiefenhypnose und suggerierte ihnen, ein herausragender Kopf der Geschichte zu sein. Tatsächlich entwickelten seine Klienten in diesem Zustand Fertigkeiten, die weit über ihren eigenen lagen.

Auf diesem sogenannten Raikov-Effekt basiert heute eine verbreitete Motivationsmethode zur Förderung der eigenen Stärken – sich in ein Vorbild hineinversetzen und sich fragen: Was hätte XY an meiner Stelle getan?

Ikea-Gründer Ingvar Kamprad zum Beispiel machte sich das Erfolgsrezept „Retail is detail“ (Einzelhandel ist Detailarbeit) von seinem amerikanischen Vorbild, dem großen Kaufmann und WalMart-Begründer Sam Walton, zu eigen.

Wie der Chef der weltweiten Supermarktkette besuchte Kamprad unermüdlich jedes einzelne seiner Geschäfte und befragte Kunden nach Verbesserungsvorschlägen. Kamprad schaffte es so, den einzigen weltweit erfolgreichen Möbeleinzelhandel aufzubauen.

Für Entwicklungspsychologen wie den Kanadier Albert Bandura sind Vorbilder heute stark verallgemeinert nichts anderes als „Lernen am Modell“. Dabei ginge es allerdings nicht nur darum, Identifikationsfiguren nachzuahmen. Vielmehr würden Verhaltensweisen beobachtet, „neu organisiert oder zu neuen Kombinationen zusammengefügt“, so Bandura.

Der Entdecker des Siemens-Chefs

Die Organisationspsychologie wiederum leitete daraus ein bewährtes Instrument zur Personalentwicklung ab, das heute jeder kennt: das Mentoring.

Meist handelt es sich dabei um eine Patenschaft zwischen einer jungen, vielversprechenden Führungskraft (Mentee) und einem erfahrenen Manager, dem Mentor. Letzterer übernimmt dabei die Aufgaben eines Ratgebers, der etwa Werte, Arbeitsweisen und Führungsstile an seinen Protegé vermittelt. Und nicht selten schlüpft er dabei aber auch in die Rolle eines Coachs.

So wie beim griechisch-mythologischen Vorbild, dem das Prinzip seinen Namen verdankt: Mentor heißt in Homers „Odyssee“ jener wohlwollende und weise Freund, der den Sohn des Odysseus berät.

Als ein solcher Förderer und „Entdecker“ des heutigen Siemens-Chefs Peter Löscher gilt zum Beispiel Jürgen Dormann, einer der radikalsten Exekutoren unter den deutschen Top-Managern.

Als der Berufsanfänger Löscher 1988 von der Unternehmensberatung Kienbaum zum Chemie-Konzern Hoechst wechselte, ließ Dormann dort keinen Stein auf dem anderen. Sein Mentee Löscher beschrieb es „als bislang spannendste berufliche Aufgabe“, den Umbau vom Chemie- zum Life-Science-Konzern unter Dormanns Führung „hautnah mitgestalten und miterleben“ zu können.

Als Löscher schließlich 2007 überraschend zum Siemens-Chef berufen wurde, war es wiederum sein Mentor, der Aufsichtsratschef Gerhard Cromme den entscheidenden Tipp gab.

Vorbild Familie

Nelson Mandela Quelle: REUTERS

Impulsgeber, Wertevermittler oder Quell der Inspiration – diese Umschreibungen verwenden erfolgreiche Manager häufig, wenn sie von ihren Vorbildern sprechen. Im direkten Jobumfeld sind sie allerdings selten. Häufig sind es Eltern, Verwandte, Freunde und Lehrer, die unsere Lebensmotti prägen. Als der „Stern“ 2003 nach den Idolen der Deutschen fragte, landete „Mama“ mit 35 Prozent der Stimmen auf Platz eins, auf Platz drei „Papa“ mit 32,5 Prozent – lediglich verdrängt durch Mutter Teresa mit 34,9 Prozent. Danach erst folgten Staatsmänner wie Nelson Mandela (31,7 Prozent) oder Michail Gorbatschow (31,1 Prozent).

Es müssen ja auch nicht immer die großen Namen aus der Geschichte sein. Die meisten Erwachsenen suchen sich ihre Vorbilder – mehr oder weniger bewusst – in erster Linie im persönlichen Umfeld, sind Wissenschaftler überzeugt.

Karen Heumann zum Beispiel, Vorstandsmitglied der Werbeagentur Jung von Matt, zitiert noch heute gern den Lieblingsspruch ihrer Großmutter, wenn es darum geht, mehr zu leisten als verlangt: „Von nichts kommt nichts.“

Allerdings bedarf es oft einigen Nachdenkens, um sich dieser prägenden Menschen bewusst zu werden. Die pauschale Abwehr „Ich habe keine Vorbilder“ oder „Ich bin doch keine Kopie“ lassen Psychologen jedenfalls nicht gelten.

Als die Publizistin Dana Horáková zahlreiche deutsche Führungskräfte nach ihren Vorbildern befragte, zeigte sich dort ein auffälliges Nebeneinander von nahestehenden Menschen und Berühmtheiten. Genannt wurden Martin Luther King und Konrad Adenauer ebenso wie die eigene Mutter oder der Klassenlehrer.

Eine Befragung unter mehr als 300 Führungskräften, die wiederum der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Mayrhofer von der Universität Wien durchführte, kam zu ähnlichen Ergebnissen.

Der ehemalige SAP-Chef Hasso Plattner etwa bezeichnet beide – seinen Großvater und den legendären Eisenbahnbauer Cornelius Vanderbilt – als „Wegweiser“ bei der Entfaltung seiner Persönlichkeit.

Der technikbegeisterte Großvater war es, der Plattner zu der Entscheidung verhalf, Ingenieurwesen zu studieren. Ein Amerika-Aufenthalt machte Plattner wiederum die gesellschaftliche Bedeutung der Privat-Universitäten wie Harvard, Stanford oder der Vanderbilt-Universität bewusst. Wie deren Geldgeber engagiert sich Plattner heute als Mäzen für die Wissenschaft.

Die Vielzahl von zwei oder mehreren Vorbildern ist jedoch keinesfalls ein Zeichen von Unentschlossenheit oder Willkür, sondern eher Indiz für eine Entwicklung. Oder kurz: von Reife.

„Erwachsene wählen Vorbilder nur in bestimmten Facetten“, weiß Psychologe Kastner. Und sie wechseln sie mit neuen Herausforderungen und Umbruchsituationen auch wieder aus: Wer sich etwa gerade selbstständig macht oder versucht, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, oder neu im Vorstandssessel Platz nimmt, „beginnt sofort mit der Suche nach Orientierung“, sagt Kastner.

Die Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer zum Beispiel sagt von sich, sie habe in ihrem Berufsleben immer versucht, von allen Vorgesetzten jene Verhaltensweisen zu übernehmen, die sie beeindruckten.

Und „100 Prozent edel und gut“ müssten die Vorbilder auch nicht immer sein, ergänzt Christine Bortenlänger, Geschäftsführerin der Börse München, über ihre Musterbeispiele. Es reichen zuweilen schon wenige prägende Erfahrungen, um sich daran zu orientieren.

Als Christine Bortenlänger beispielsweise mit 20 Jahren schwanger wurde, schlug ihr damaliger Chef nicht die Hände über dem Kopf zusammen, sondern suchte mit ihr sofort nach Wegen, wie sie ihre Banklehre dennoch abschließen konnte. Das findet sie bis heute vorbildlich. Zudem erinnert sie sich gern an ihre Grundschullehrerin, die sie ebenfalls ihr Vorbild nennt: „Eine tolle, engagierte Frau mit drei Kindern, die zeigte, dass sich Kinder und Beruf vereinbaren lassen.“

Was das Vorbild verrät

Im Gegensatz zu Kindern, die ihre Vorbilder in der Regel zufällig und unbewusst finden, haben Erwachsene jedoch fast immer ein „bestimmtes Suchbild im Kopf“, sagt der Hirnforscher Roth. „Es gibt einen Gleichklang zwischen Persönlichkeit und Vorbildern.“ Oder spitzer formuliert: Sag mir, wer deine Vorbilder sind, und ich sage dir, wer du bist.

Tatsächlich gaben auch in der Accenture-Umfrage 80 Prozent der Führungskräfte zu, sich im Berufsleben ihre Vorbilder gezielt gesucht zu haben. Und auch hier fand nahezu die Hälfte der Manager (42 Prozent) ihre Idole im privaten Umfeld.

Kollegen oder Vorgesetzte nannte nur jeder Vierte. Der Grund: 58 Prozent der Befragten sprachen ihnen jegliche Sozialkompetenzen ab, was diese als potenzielle Vorbilder umgehend disqualifizierte.

Dabei sollte es anders sein. Führungskräfte sind „Vorbilder qua Amt“, auch wenn das manchen vielleicht nicht immer bewusst ist – wie etwa dem ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel. Ausgerechnet mit diesem hehren Anspruch musste sich Zumwinkel in der hauseigenen Mitarbeiterzeitung zitieren lassen – kurz bevor er wegen Steuerbetrugs zurücktrat.

Womöglich fehlte ihm bei dieser Verfehlung auch nur ein starkes emotionales Vorbild. Denn ohne dem, sagt Psychologe Grünewald, „verstricken wir uns leicht im Wirrwarr der Optionen.“

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