Erfolgreich scheitern Warum wir auch mal versagen müssen

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So gehen Sie am besten mit Niederlagen um

Besser gemacht hat es in den 90er-Jahren Mitbewerber Daimler, der in die Schlagzeilen geriet, weil die Mercedes-A-Klasse beim sogenannten Elch-Test auf die Seite kippte. Zwar stürzte sich die Presse auf diesen Skandal, Daimler reagierte darauf – im Gegensatz zu VW – mit einer offensiven Werbekampagne mit dem Slogan: "Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt." Der Konzern bekannte sich nicht nur zum Scheitern, sondern hielt die Öffentlichkeit auch auf dem Laufenden darüber, wie er den Fehler beheben konnte. Obwohl das Unternehmen zunächst gescheitert war, wurde daraus im Nachhinein keine Niederlage, sondern ein Sieg.

Für Stöhr gehören das Scheitern und der Erfolg unmittelbar zusammen. "Im Erfolgreich-Sein steckt auch die Gefahr des Scheiterns. Gleichzeitig kann das Scheitern aber auch die Quelle des Erfolgs sein", meint der Philosoph. Denn: Nur wer bereit ist, zu scheitern, wird sich weiterentwickeln und so lernen, erfolgreich zu sein – so wie es bereits der irische Schriftsteller Samuel Beckett formulierte: "Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuche es wieder. Scheitere besser."

Natürlich steht am Anfang des Versagens erst einmal die Enttäuschung, vielleicht auch die Wut – aber vor allem die Scham gegenüber dem Umfeld. "Die Menschen brauchen in dieser Situation erst einmal Zeit, die negativen Emotionen zu verarbeiten", sagt Abele-Brehm.

Die prominentesten Studienabbrecher
Mark Zuckerberg Quelle: REUTERS
Bill GatesWie Mark Zuckerberg baute auch schon Computergenie Bill Gates während seines Studiums an der Harvard University sein Unternehmen Microsoft auf. Dort entwickelte er 1974 Programme für den damals neuen Heimcomputer Altair 8800. Ein Jahr später brach er das Studium ab, um sich Microsoft komplett zu verschreiben. Eine kluge Entscheidung: Heute zählt er zu den reichsten Menschen der Welt und hat trotzdem einige Abschlüsse in der Tasche. Außer der 2007 verliehenen Ehrendoktorwürde der Harvard University trägt er auch Ehrendoktortitel der Königlich Technischen Hochschule Stockholm (2002) und der Cambridge University (2013). Quelle: AP
Erich SixtWas Erich Sixt von seinem BWL-Studium hielt, sagte der Unternehmer 2008 dem "Handelsblatt": „Die ganze Betriebswirtschaft basiert doch auf einem einzigen Axiom: Dass der Mensch rational handelt. Aber er tut es nicht. Und deshalb können Sie das alles vergessen.“ Mit so einer Einstellung konnte das natürlich nichts werden. Nach vier Semestern brach Erich Sixt ab und übernahm 1969 die lokale Autovermietung seines Vaters. Das Familienunternehmen baute er zu einem weltweiten Konzern aus. Quelle: dpa
Günther JauchJura war sein Studienfach, Journalismus seine Leidenschaft: Günther Jauch bewarb sich parallel zu seinem Jurastudium an der Freien Universität Berlin an der Deutschen Journalistenschule in München. Nachdem sie ihn angenommen hatte, brach Jauch sein Studium 1975 ab. Schließlich startete er nach seiner zweijährigen Journalistenausbildung als Sportmoderator beim Bayrischen Rundfunk. Sein paralleles Studium der Politik und Neuer Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München bleib dabei auf der Strecke. Als seine journalistische Arbeit ihn immer mehr einnahm, brach er nach zwei Jahren auch dieses Studium ab. Quelle: dpa
René ObermannStudium oder Selbstständigkeit? Für den ehemaligen Telekom-Chef René Obermann war diese Entscheidung relativ schnell klar: Nach seiner Industriekaufmannsausbildung bei BMW gründete er das Handelsunternehmen ABC Rufsysteme, das heute als „The Phone House“ firmiert. Als sich das Start-Up gut entwickelte, brach er sein 1986 aufgenommenes VWL-Studium in Münster nach zwei Semestern ab. Auch ohne Studium stieg er bis zum Chef der Telekom auf, dessen Posten er bis 2013 inne hatte. Aktuell ist er der Vorstandsvorsitzende des niederländischen Kabelunternehmens Ziggo. Quelle: dpa
Steve JobsSchon in seiner Kindheit war der 2011 verstorbene Apple-Gründer ein Überflieger: Aufgewachsen im Silicon Valley konnte Steve Jobs schon bei seiner Einschulung lesen und schreiben, langweilte sich in der Schule und übersprang eine Klasse. Sein 1972 aufgenommenes Studium am Reed College in Portland sah er als unnötigen Klotz am Bein und brach es nach einem Semester ab. Allerdings blieb Jobs noch am Campus und besuchte Vorlesungen. Ab 1974 arbeitete er bei Atarai und gründete zwei Jahre später Apple. Steve Jobs trug in den vergangenen Jahren gerne die Titanarmbanduhr der Firma eines berühmten deutschen Studienabbrechers: Ferdinand Alexander Porsche. Quelle: REUTERS
Ferdinand Alexander PorscheDer 2012 verstorbene Designer des Porsche 911 und Gründer der Porsche Design GmbH erschuf kreative Glanzstücke ganz ohne Studium. Zwar versuchte Porsche sich an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, hielt es aber gerade mal zwei Semester durch. Hier ein Archivfoto von 1999. Quelle: dpa/dpaweb

Doch anstatt unbeirrt fortzufahren und die Niederlage zu verdrängen, sollten die Betroffenen laut Abele-Brehm ihr Scheitern nach der emotionalen Verarbeitung auf ehrliche Weise analysieren – allein, aber auch mit Freunden oder Familienmitgliedern. "Man sollte sich darüber im Klaren werden, wie es dazu kommen konnte, inwieweit man selbst dafür verantwortlich ist und wie man es beim nächsten Mal besser macht."

In manchen Fällen gelingt es sogar, dass endgültige Scheitern noch kurzfristig abzuwenden. Denn Menschen versagen nicht von heute auf morgen. Wenn sie eine Niederlage erleben, ist dieser laut Stöhr ein schleichender Prozess vorausgegangen, der verschiedene Phasen durchläuft.

In den meisten Fällen, weiß Stöhr, deutet sich der potenzielle Misserfolg bereits unterschwellig an – der Betroffene ist vielleicht etwas unsicher, aber er nimmt die Gefahr noch nicht bewusst als ein mögliches Scheitern wahr. Dann, in der nächsten Phase, registriert er das potenzielle Scheitern. Die dritte ist die Entscheidungsphase, in der die Weichen für das zukünftige Handeln zu stellen sind. Die zwei Grundoptionen sind: "Halte ich weiter an meinem Ziel fest – weil ich beispielsweise schon Zeit und Geld investiert habe? Oder gebe ich das Ziel auf und stelle neue Weichen, verliere dabei allerdings die bereits eingesetzten Ressourcen?"

Als Stöhr nach der Wende in der DDR selbst vor dieser Entscheidung stand, entschied er sich für die zweite Option: Er verließ die Uni, absolvierte eine Management-Ausbildung, machte sich als Trainer selbstständig und gründete seine "Philosophische Praxis" – mit der er heute noch erfolgreich ist.

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