Erfolgsrezepte eines Schlagerstars Das Geschäftsmodell Helene Fischer

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"Deutschsprachiger Euro-Pop"

„Ich wusste schon beim Schreiben, dass der Titel ein Hit werden könnte“, sagt Bach. „Atemlos“ verhalf Fischer auch unter den Nichtschlagerfans zum großen Durchbruch. Monatelang hält sich das Lied in den Charts, wird zum Wies’n-Hit 2014 gekürt und hat beste Chancen auch zur erfolgreichsten Single des Jahres zu werden.

Was wohl auch daran liegt, dass „Atemlos“ mit einem klassischen Schlager nicht mehr viel gemein hat. Kristina Bach bezeichnet den Stil als „deutschsprachigen Euro-Pop“. Mit diesen musikalischen Mischformen – Fischer kombiniert Schlager mit Pop, Kollege Andreas Gabalier Volksmusik mit Rock – erreichen einstige Nischenstars heute eine breite Masse. ,Atemlos‘ ist mehr als ein Song, es ist ein Konzept“, sagt Bach. „Helene wollte moderner und frecher werden und ein jüngeres Publikum ansprechen.“

Die Anfänge dieses Modernisierungsprozesses reichen schon zurück ins Jahr 2010. Damals veröffentlicht Fischer das Album The English Ones, auf dem sie Balladen auf Englisch singt. Es folgen Duette mit dem US-amerikanischen Schmusebarden Michael Bolton und der Sängerin Robin Beck.

Die Wandlung vollzieht sich auch außerhalb der Bühne: Ob in der Sendung von Stefan Raab oder neben Hubertus Meyer-Burckhardt und Barbara Schöneberger in der NDR-Talk-Show – Fischer quatscht sich durch die Republik. Eben streng nach Regieplan: Hat sich ein Künstler in der Schlagerbranche einen Namen gemacht, muss er außerhalb der einschlägigen Musiksendungen präsenter werden.

„Ob Songs, Videos oder Styling: In engster Absprache mit Helene haben wir sie innerhalb von zwei Jahren zu dem gemacht, was sie heute ist: die deutsche Pop-Queen“, sagt Frank Briegmann, Europa-Chef von Universal.

Las Vegas statt Volksmusik-Stadl-Muff

Was in Deutschland absolutes Neuland ist, hat in den USA seit Jahrzehnten Tradition. Ob Sängerinnen wie Shania Twain, Jewel oder zuletzt Taylor Swift: Sie alle haben den Schritt geschafft vom erfolgreichen, aber belächelten Country-Sternchen zum grenzenlos umjubelten Popstar.

In der Kölner Lanxess Arena steht nach gut drei Stunden Konzert der Schlussakkord kurz bevor – Zeit für Fischer, sich eine Verschnaufpause zu gönnen und ihr Team vorzustellen: etwa ihren musikalischen Leiter Christoph Papendieck, der Fischers Sound einen modernen Anstrich verpasste und schon für internationale Superstars wie Tom Jones und Jean-Michel Jarre gearbeitet hat.

Genau wie ihr Choreograf Marvin A. Smith, den schon Michael Jackson, Jennifer Lopez und Britney Spears buchten, um auf der Bühne eine gute Figur zu machen. Der schon mit Fischer für die Konzerttour zum „Für einen Tag“-Album 2012 eigens nach Los Angeles reiste, um Tänzer für ihre Show zu casten, weil der deutsche Markt die gewünschte Qualität nicht hergab. Und mit Papendieck wesentlich dazu beitrug, Fischers Konzerte mit spektakulären Effekten, Tänzern und Akrobatik-Einlagen aufzumotzen, sie so vom Volksmusik-Stadl-Muff befreiten und auf Las Vegas trimmten. „Die Konzerte setzen einen neuen Standard in der Branche“, sagt Promoter Adlmann. „So professionell macht das kein anderer deutscher Künstler.“

Verzückte Menschen

Und wohl auch nicht so opulent: Um kurz nach 23 Uhr rollt ein riesiger goldener Vogel aus Metall auf die Bühne. Helene Fischer, mittlerweile in Glitzer-Hot-Pants und bauchfreiem Top, sichert sich mit einem Gurt und schwingt sich auf den Rücken des Fantasie-Vogels.

Langsam setzt sich das künstliche Tier in Bewegung, es erklingen die ersten Töne des vorletzten Songs an diesem Abend: Fischer und Vogel bewegen sich immer weiter Richtung Bühnenrand. Der goldene Vogel steigt in der 76 Meter hohen Arena nach oben, spreizt seine meterlangen Flügel und dreht geschmeidig eine Runde durch die Halle.

„Once more you open that door“, schmettert Helene Fischer dazu. Und ist auf einmal da angekommen, wo sie vor fast zehn Jahren hinwollte: 14.000 Menschen hören ihr verzückt dabei zu, wie sie den Titelsong aus dem Kino-Blockbuster „Titanic“ singt – „My Heart will go on“ von Celine Dion.

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