Laut Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov geben 55 Prozent der Bundesbürger an, gerne Schlager zu hören. Noch vor drei Jahren wäre das undenkbar gewesen. Daran hat Helene Fischer einen beträchtlichen Anteil: Mit ihrem Mix aus Schlager und Pop, Schmalz und Disko, Sexyness und Biederkeit nahm sie dem angestaubten Genre den Mief.
Auch in den Charts sind Schlager auf dem Vormarsch. Zwar sind Titel aus der Pop- und Rockmusik immer noch am häufigsten vertreten. Aber gemessen an den Umsätzen aus CD-Verkauf und Downloads, erreicht Schlager inzwischen einen Marktanteil von fast sechs Prozent – so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Zusammen mit Deutsch-Pop, zu dem Fischers Musik mittlerweile auch häufig gezählt wird, steigt der Anteil sogar auf mehr als elf Prozent.
Auch live ist das Geschäft mit dem Schunkeln lukrativer denn je: Allein Helene Fischer wird in diesem Jahr mit ihrer Farbenspiel-Tournee mehr als 17 Millionen Euro umsetzen. Das macht den Liebling der Nation auch zur Top-Verdienerin.
Warum aber wurde ausgerechnet aus der 1984 geborenen Jelena Petrowna Fischer, die an der Frankfurter Stage & Musical School eine dreijährige Ausbildung zur Musicaldarstellerin absolvierte, ein Star? Ist dieser Erfolg planbar? Entscheiden Talent und harte Arbeit oder doch der schiere Zufall darüber, wer im Musikgeschäft groß rauskommt und wer auf der Strecke bleibt? Was hat die mittlerweile 30-Jährige selbst zu ihrer Karriere beigetragen? Und wer zieht die Fäden im Hintergrund?
Die Marke Fischer
Fragen, die die WirtschaftsWoche gern mit Fischer, ihrem Produzenten und vor allem ihrem Manager, Uwe Kanthak, diskutiert hätte. Doch die hüllen sich in Schweigen. Anrufe und Mails bleiben über Monate unbeantwortet, mehr als ein kurzes Hintergrundgespräch mit Kanthak ist nicht drin. Sein Schützling, sagt er, spreche weder über Zahlen noch über ihren Erfolg.
Nach monatelanger Wühlarbeit aber wird so oder so deutlich: Bei Fischers Karriere wurde kaum etwas dem Zufall überlassen. Wie bei der Einführung eines neuen Produkts wurde die Marke Fischer Schritt für Schritt aufgebaut. „Helene Fischer war ein Rohdiamant“, sagt Vermarktungsprofi Florian Krumrey. „Und er wurde perfekt geschliffen.“
Quotenknüller
Alles beginnt 2005 mit dem TV-Flagschiff der Branche, den Festen der Volksmusik, für die ARD seit mehr als 20 Jahren ein Quotenknüller. Die Show füllt regelmäßig die größten Hallen Deutschlands, hinter dem scheinbar so biederen Format steckt ein millionenschweres Unternehmen. Von Vicky Leandros über Mireille Mathieu bis zu Wolfgang Petry: Jeder, der in der Branche Rang und Namen hat, war schon einmal zu Gast.
Die Zuschauer staunen also nicht schlecht, als Hand in Hand mit dem unwesentlich älteren, aber im Volksmusikgeschäft schon erfahrenen Gastgeber Florian Silbereisen eine unbekannte Sängerin die mit Rosen geschmückte Treppe hinabschreitet.
Links und rechts stehen Tänzer des Deutschen Fernsehballetts Spalier, drehen sich zu den volkstümlichen Klängen immer und immer wieder um die eigene Achse. „Denn meine Leidenschaft brennt heißer noch als Gulaschsaft“, trällert die Sängerin, gekleidet in apricotfarbener Abendrobe.