Zegna hat fünf Shops in Deutschland. Der auf dem Berliner Kurfürstendamm ist gerade frisch renoviert. 20 bis 40 Kunden kommen pro Tag hier rein. Einige wüssten genau, was sie wollten. Andere bräuchten intensive Beratung.
Knapp zwei Stunden schlüpfe ich jetzt schon in Jacken, verschwitze zu meinem Verdruss dabei das 240 Euro teure Probehemd, das der Schneider mir gereicht hatte. Aber es hat sein Gutes: So vergesse ich nicht zu erwähnen, dass mein Modell später unter den Achseln etwas weniger anschmiegsam sein sollte. Aber wahrscheinlich hat sich der Schneider das längst auch schon gedacht.
Dann die Stoffe: Der Schneider legt mir den blaugrauen „Trofeo“ mit leichtem Grätenmuster ans Herz – den „Promotion-Anzug“ der Saison. Aber Blaugrau ist nicht meine Farbe. Was die Mitarbeiter wohl sagen, wenn ein Kunde sich beratungsresistent zeigt und sich mit Waschbärbauch einen taillierten pinken Cordanzug mit Bommeln wünscht, will ich wissen. Die Zegna-Devise: Wir tun, was uns möglich ist. Wer wären wir, dass wir dem Kunden vorschreiben, was ihm gefällt?
Keinem der beiden ist auch nur eine überhebliche Silbe zu entlocken. Die innere Haltung scheint wasserdicht zu sein. „Gut“, sage ich gleich weniger eingeschüchtert, „ich finde nämlich, mir stehen wegen meiner braunen Augen eher bräunliche Stoffe.“
Fast ist es mir peinlich, dass sich zwei Angestellte nun schon seit so langer Zeit allein um mich kümmern. Aber da fällt mir zum Glück ein: Die Schneider in Italien brauchen rund vier Wochen, bis ein Anzug fertig ist. Und Achtung, so bunt ist Europa: Die Italiener machen im Sommer Urlaub. Die Zegna-Schneiderei fährt dann auf Sparflamme. Die Fertigung dauert dann Wochen länger. Ich wecke also den Italiener in mir und lasse mir Zeit beim Aussuchen. Espresso und San Pellegrino gehen aufs Haus.
Die Wahl fällt endlich auf einen braun-grauen Stoff. Ich finde ihn sehr edel. Der Schneider informiert mich durch die Blume, dass ich mich gerade in einen der preiswertesten Stoffe aus der „Super Cento“-Reihe verliebt habe. Ja nun, preiswert heißt hier ja nicht Schrott. Nach der Auswahl aus der Linie „Casual Luxury“ und des Stoffs kommt das Anpassen.
Darauf sollten Sie beim Anzug achten
Hände weg von Synthetik: Polyester, Polyacryl und Co. bringen den Träger nur ins Schwitzen. „Gentleman“-Autor Bernhard Roetzel rät zu 100 Prozent Naturfasern, im Idealfall Schurwolle. Diese ist im Gegensatz zu einfacher Wolle frisch geschoren und zeichnet sich daher durch besonders feine Fasern aus. Stoffe aus Schurwolle sind elastisch, glatt und fallen besser. In vielen Fällen können Anzugkäufer die Stoffqualität auch dadurch ausmachen, indem sie einmal zupacken und schauen, wie stark der Stoff knittert. Das ist aber nicht immer ein Qualitätshinweis: Leinen knittert beispielsweise immer.
Billiganzüge haben meist ein synthetisches Futter aus Kunstfasern. Bessere Anzüge sind mit Viskose gefüttert. Das ist zwar auch synthetisch, wird aber aus Holz hergestellt und weist somit gleiche Eigenschaften auf, wie Baumwolle. Im besten Fall ist das Futter jedoch aus Seide.
Je billiger der Anzug, desto weniger Stiche weisen die Nähte auf. Wichtig ist vor allem, dass sie ordentlich und gerade verlaufen. Wer dafür keinen Blick hat, kann einfach den ausgewählten Anzug mit einem teuren High-Ende-Modell vergleichen. Wichtig ist hierbei auch die Hose auf links zu drehen und die inneren Nähte zu begutachten.
Billiganzüge verzichten gerne auf einen ordentlich verarbeiteten Saum. Dadurch fransen die Stoffränder schnell aus.
An Knöpfen lässt sich die Qualität eines Anzugs kaum ausmachen. Diese sind in so gut wie allen Preisklassen aus Kunststoff. Lediglich am oberen Ende haben Anzüge Knöpfe aus Büffelhorn, Steinnuss oder Perlmutt. „Das sind aber eher traditionelle Qualitätsmerkmale“, sagt Stilexperte Bernhard Roetzel.
Ich bin erstaunt, wie flott das geht. Der Schneider hält nur ein einziges Mal das Zentimetermaß an meinen Körper, um meinen Kragen zu messen. Ansonsten steckt er Sakko und Hose mit Nadeln ab.
Während er steckt und zupft, ruft der andere fröhlich: „Möchten Sie einen Ferrari?“ „Wie meinen Sie das: einen Ferrari?“ „Na, einen Ferrari!“ Für eine Sekunde kann der Mann seine Verwunderung über meine Ahnungslosigkeit dann doch nicht verbergen. Er verschwindet im Lager und kommt mit einer Flasche Ferrari Spumante samt Sektglas zurück. „Ach soooo.“ Wollen die mich entschlussfreudiger machen?
Und so trinke ich oben Italo-Perlwein, unten zuppelt der Schneider an meinen Hosenbeinen. Ach, ich mag die italienische Lebensweise.
Der Ferrari beschleunigt tatsächlich.
Welche Knöpfe? „Die braun-schwarzen.“ Fertig.
Welches Innenfutter? „Sieht man das später irgendwo?“ Nein. Ich nehme Petrol.
Einen Monat später komme ich zur zweiten Anprobe. Ich werde erwartet; der fast fertige Anzug liegt bereits auf dem Tresen. Noch fehlen die Knöpfe. Ich stelle mich ein letztes Mal vor den Spiegel. Das bin ich in meinem neuen Anzug. Er passt perfekt. Ich bin zufrieden. Diesmal auch ohne Ferrari.
-------------------------
Den Anzug hat Zegna für unseren Test kostenlos zur Verfügung gestellt.