Flexible Teilzeitmodelle Was Zeitwertkonten für die Frührente bringen

Frührente statt Jobkrise: Wie Zeitwertkonten funktionieren, welche neue Regeln jetzt gelten, was Arbeitnehmer davon haben.

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Zeitwertpapiere ermöglichen Quelle: dpa-dpaweb

Gespannt verfolgen 40 Führungskräfte der Darmstädter Software AG, wie sich die von ihrem Unternehmen eingesetzten Vermögensverwalter Fidelity, Allianz Pimco und Cominvest an der Börse schlagen. Finanzprofis der drei Häuser managen das auf Aktien und Anleihen verteilte Kapital, das die Softwaremanager während ihres Berufslebens auf speziellen Konten – im Firmenjargon „Zeitwertpapiere“ – angesammelt haben. In diese Zeitwertpapiere fließen Boni, Urlaubs- und Weihnachtsgelder. Das so angesparte Guthaben nutzen die Mitarbeiter, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Besonders interessiert sind ältere Führungskräfte. Der Grund: Je mehr Geld in den Zeitwertpapieren steckt, umso früher können sie den Job an den Nagel hängen. Wer ein Jahr eher gehen möchte, muss mindestens 70 Prozent seines letzten Jahresgehalts auf dem Konto haben. Aus diesem zahlt der Arbeitgeber dann bis zum Rentenbeginn monatlich 70 Prozent des letzten Einkommens an den Mitarbeiter aus. „Vor allem Mitarbeiter aus der Altersgruppe zwischen 40 und 55 Jahren nutzen das Angebot“, sagt Personalleiterin Ute Gerhardt. Jüngere zögerten, weil die noch nicht wüssten, ob sie bis zum Ruhestand bei der Software AG blieben.

Rund zehn Prozent aller Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern bieten bereits Zeitwertkonten an, die die gesamte Lebensarbeitszeit abdecken. Häufig wurden die Programme aus der Not geboren: Beim Flugzeugbauer Airbus beispielsweise sind die 2003 eingeführten Lebensarbeitszeit-Konten Teil des Sparprogramms „Sicherheit durch Flexibilität“, mit dem Auftragsflauten ausgebügelt und Entlassungen vermieden werden sollten. Mehr als die Hälfte der 17.000 deutschen Mitarbeiter sammeln Guthaben auf Lebensarbeitszeit-Konten.

Derzeit vor allem staatlich subventionierte Altersteilzeit-Regelungen

Deutlich weiter verbreitet als Lebensarbeitszeit-Konten sind bei Unternehmen die staatlich subventionierten Altersteilzeit-Regelungen – noch. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin will die Subventionen hierfür aber nicht über 2009 hinaus verlängern. Unternehmen, die ältere Mitarbeiter früher aussteigen lassen wollen, müssen deren Vorruhestand dann selbst finanzieren. Viele können oder wollen das nicht. Lebensarbeitszeit-Konten werden damit für Unternehmen attraktiver.

Auf diesen Konten sammeln Arbeitnehmer Überstunden und Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Boni. Solange der Beschäftigte noch arbeitet, muss er auf diese Summen keine Steuern und Sozialabgaben zahlen. Somit lohnt sich diese Form von Zeitwertkonten auch für Führungskräfte, die nicht nach Stechuhr arbeiten, aber viel ans Finanzamt zahlen müssen.

Grafik: Arten von Zeitwertkonten

Für Manager wie auch für alle anderen Arbeitnehmer gibt es allerdings eine Obergrenze: Der Kontostand des Zeitwertkontos darf nicht höher sein als die von heute bis zum Rentenbeginn zu erwartenden Gehaltszahlungen. Damit der Arbeitgeber dieses Limit kalkulieren kann, muss sich der Arbeitnehmer entscheiden, wann er offiziell in Rente gehen will und wie viele Jahre vorher er seinen Job beenden oder auf Teilzeit umsteigen möchte. Die Einkommenslücke zwischen dem Ende des Vollzeitjobs und dem Start der gesetzlichen Rente füllt dann das Guthaben aus dem Zeitwertkonto auf.

Anders als Kurzzeitwertkonten, die binnen weniger Monate gefüllt und wieder geleert werden können, sind die für den Vorruhestand angesparten Guthaben auf Lebensarbeitszeit-Konten geschützt. Sie müssen selbst dann nicht abgebaut werden, wenn das Unternehmen Kurzarbeit einführt.

Lebensarbeitszeit-Konten haben noch einen weiteren Vorteil: Anders als bei Altersteilzeit lässt sich ein harter Schnitt beim Übergang in den Ruhestand vermeiden. Bisherige Altersteilzeitmodelle liefen in der Regel darauf hinaus, dass der Arbeitnehmer vier Jahre ein Teilzeitgehalt bekommt, das Arbeitsamt und Arbeitgeber gemeinsam aufbessern. Dafür arbeitet der Beschäftigte in der Regel zwei Jahre lang voll und dann zwei Jahre lang gar nicht – für viele ein harter Übergang.

Mit Zeitwertkonten lässt sich die Arbeitszeit dagegen schrittweise bis zum Ruhestand reduzieren. „Solche flexiblen Teilzeitmodelle eignen sich besonders für Führungskräfte, die ihre Nachfolger einarbeiten“, sagt Dietmar Wellisch, Steuerprofessor an der Uni Hamburg.

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