Deutschland ist dennoch keine Stilwüste. Der Funktionssinn, der bei der Masse zu Modesünden führt, sorgt am oberen Ende für einen besonderen Stil. Dieser hat Marken wie Porsche Design, Jil Sander, Strenesse und Hugo Boss hervorgebracht, aber auch Adidas oder Puma. Während Adidas-Kleidung weltweit als Standardausrüstung für Sport ist, haben Hugo-Boss-Anzüge diesen Ruf fürs Büro. Beide Marken erfüllen einen praktischen Zweck. Typisch deutsch eben.
Die Anfänge von Hugo Boss waren beispielsweise alles andere als modisch. Die 1924 vom Unternehmer Hugo Ferdinand Boss eröffnete Kleiderfabrik im schwäbischen Metzingen stellte vor allem Arbeitskleidung her. Erst nach dem Tod ihres Gründers 1948 sattelte die Firma allmählich auf Herrenanzüge um.
Heutzutage bietet Boss zwar auch Damenmode, Sport- und Freizeitkleidung an, aber Herrenanzüge machen nach wie vor das Herzstück des Hauses aus. Ihr Erfolgsrezept: Sie gehen immer, findet Experte Gerd Müller-Thomkins. „Boss-Anzüge sind modisch noch nie wirklich aus der Reihe getanzt“, sagt der Modeexperte. „Sie sind passgerecht, ausreichend körperbetont und mittelmodisch mit einem leichten Hang zur Klassik.“
Anders bei Jil Sander. Die maskulinen Hosenanzüge der norddeutschen Designerin waren Anfang Achtzigerjahre höchstmodisch. „Jil Sander hat es verstanden, die moderne Businessfrau abzubilden“, sagt Müller-Thomkins. Ihre Anzüge waren zwar für Damen gedacht, aber wie für Herren gemacht.
Das war ebenso neu wie Jil Sanders nüchterner Stil. Dieser stellte einen Gegenpol zur bis dato etablierten verspielten Damenmode dar. Mit ihren puristischen Einzelteilen, die sich je nach Lust, Temperatur und Anlass frei miteinander kombinieren ließen, gilt Jil Sander als Begründerin des Zwiebel-Looks.
Kein deutscher Designer konnte sich seitdem einen vergleichbaren Namen machen. Überhaupt fehlen in Deutschland solch weltweit stilgebende, große Modehäuser wie sie sich in Italien und Frankreich tummeln. So ist unter den wertvollsten Luxusmarken, die die Beratungsgesellschaft Interbrand für 2013 zusammengetragen hat, kein deutscher Name zu finden (siehe unten).
Während Frankreich Louis Vuitton hat (Platz 1) und Italien Gucci (Platz 2), kann kein deutsches Modeunternehmen diesen Marken in Anspruch, Renommee und Größe das Wasser reichen.
Das sind die wertvollsten Luxusmarken
Deutsche High-End-Mode hat international einen schweren Stand. Unter den wertvollsten Luxusmarken tummeln sich vor allem französische und italienische Modehäuser und Juweliere. Eine Rangliste hat 2013 die Beratung Interbrand veröffentlicht.
Markenwert: 4,58 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 5,19 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 5,44 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 5,57 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 6,9 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 7,62 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 10,15 Milliarden US-Dollar
Markenwert: 24,89 Milliarden US-Dollar
Jil Sander hat ihr Unternehmen etwa 1999 verkauft, das heute als italienische Aktiengesellschaft S.p.A. (società per azioni) mit Sitz in Mailand firmiert. Karl Lagerfeld gilt als kreativer Kopf von Chanel eher als Vertreter französischer Mode, Hugo Boss und Joop bedienen ein niedrigeres Segment und Wolfgang Joops neue Marke Wunderkind ist zwar fein, aber ebenso klein.
Gleiches gilt für Porsche Design, das im internationalen Luxusvergleich noch viel Luft nach oben hat. Während beispielsweise Prada 2013 rund 3,59 Milliarden Euro einfuhr und Hermès 3,75 Milliarden Euro erwirtschaftete, schaffte Porsche Design im gleichen Jahr gerade mal 128 Millionen.
Porsche-Design-Chef Jürgen Geßler glaubt nicht, je an die Größe der milliardenschweren französischen und italienischen Luxuskonkurrenz aufschließen zu können. Das gebe der einst von F.A. Porsche diktierte puristische, zeitlose Stil schlichtweg nicht her: „Wir können bestimmte Trends nicht mitgehen und müssen auf die Masse verzichten“, sagt Geßler. „Porsche Design wird immer eine kleine, feine Nischenmarke sein.“