Gamification Firmen setzen auf den Spieltrieb der Kunden

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Vom Callcenter ins Piratenschiff

Für diese Bürostreiche werden Ihre Kollegen Sie hassen
Jemand tippt auf einer Tastatur Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Spielzeugmonster auf einem Telefon Quelle: dpa
Jemand kopiert seinen Kopf Quelle: dpa
Jemand putzt Quelle: dpa
Jemand mit einer Portion Pommes Frites Quelle: Fotolia
Jemand sitzt mit Kopfhörern hinter einem Laptop Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Mülleimer mit einem Briefsymbol Quelle: dpa

Gemeinsam mit ihren Kollegen begibt sie sich nun auf Schatzsuche mit einem virtuellen Piratenschiff – und in den Wettbewerb mit anderen Teams. Gehen Anrufe ein, bekommt Jennifer nun Punkte gutgeschrieben, wenn sie Daten akkurat eingibt. Eine Software analysiert außerdem Stimme und Stresspegel – tritt Jennifer souverän auf, gibt es extra Punkte. Je schneller ihr Punktekonto wächst, desto besser für sie und ihr Team: So kann das Piratenschiff schneller in Richtung Schatzinsel segeln, auf der echte Geschenke auf die Mitarbeiter warten.

Dass Menschen sich auch ohne Entlohnung engagieren, wenn sie nur spielerisch herangeführt werden, durfte die Finnische Nationalbibliothek feststellen: Sie hatte vier Millionen von Zeitungs- und Zeitschriftenseiten durch automatisierte Texterkennung digitalisiert. Weil dabei haufenweise Buchstabendreher entstanden, die sich wiederum nur manuell beheben lassen, war das Institut auf jede Menge Helfer aus Fleisch und Blut angewiesen, die das elektronische Archiv nach den Fehlern durchforsten sollten.

Maulwürfe retten für einen guten Zweck

Weil die Bibliothek aber kein Geld hatte, um die Freiwilligen zu bezahlen, setzte sie auf deren Spieltrieb und verwandelte so die eigentlich monotone Arbeit in einen großen Spaß – mithilfe des Computerspiels Digitalkoot. Schon der Name ist Programm, leitet er sich doch vom finnischen Ausdruck Talkoot ab, der den Brauch bezeichnet, in Gruppen gemeinnützige Arbeit zu verrichten. In Digitalkoot müssen Mitspieler Maulwürfe retten, indem sie ihnen Brücken bauen. Die Brücken wachsen, wenn Spieler vorgegebene Wörter orthografisch korrekt eintippen – die präsentierten Begriffe stammen aus besagtem elektronischen Bibliotheksarchiv. Bis heute haben knapp 110 000 Freiwillige in rund 7400 Arbeitsstunden etwa acht Millionen Fehler ausgemerzt. Und wurden dafür belohnt – mit Punkten.

Mit welchen Spielen Unternehmen ihre Mitarbeiter und Kunden stimulieren

Diesen Spieltrieb nutzen auch die Londoner Verkehrsbetriebe für sich aus: Um möglichst viele Menschen zum Einsteigen in U-Bahn, Bus und Nahverkehrszug zu bewegen, wurde das gesamte öffentliche Verkehrsnetz in ein virtuelles Spielbrett verwandelt. Das funktioniert mithilfe der Oyster Card – einem papierlosen Ticketsystem, das sämtliche Fahrten innerhalb des Verkehrsverbunds in der City registriert.

Pendeln wird zum Wettbewerb

Um diese Fahrten für die Millionen Pendler nicht zur lästigen Pflicht, sondern zu einem täglichen Vergnügen zu machen, wurde Chromaroma entwickelt: Über die Spielesoftware können die Pendler Missionen erfüllen, Rätsel lösen – und werden für jede gelöste Aufgabe mit Punkten belohnt. Mal hat man die Nase vorn, wenn man die schnellste Verbindung zwischen zwei Stationen schafft, mal, wenn man in der Rushhour eine Station früher als üblich aussteigt und zur Entlastung des Netzes aufs Leihrad umsteigt oder zu Fuß geht.

Die tägliche Fahrt zum Büro oder in den Supermarkt wird so zum Wettbewerb um die beste Route. Gespielt wird entweder allein oder in Teams – selbst über internationale Wettbewerbe zwischen Städten denken die Spieleentwickler nach. Zum anderen über Benutzeroberflächen, die die Spieler etwa ins London des 19. Jahrhunderts oder in futuristische Unterwasserwelten abtauchen lassen.

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