Was tun Künstler nicht alles, um auf neue Ideen zu kommen. Sebastian Herkner zum Beispiel flog im Oktober 2015 von seiner Heimat Offenbach nach Kolumbien. Wochenlang reiste er durchs Land, sprach mit Handwerkern und besuchte kleine Betriebe.
Der Hesse, einer der international gefragtesten Produktdesigner, sollte für die deutsche Designmarke Ames eine neue Kollektion entwerfen.
Die Reise lohnte sich – denn dabei entstand unter anderem die Möbelreihe Caribe, für die sich Herkner von kolumbianischer Webtechnik inspirieren ließ. Doch die exquisiten Stühle, Tische und Sitzbänke sollen keine Wohnzimmer verschönern – sondern Gärten und Terrassen.
Früher war die Hierarchie bei der Einrichtung klar. Möbel mit hochwertigen Materialien und ausgeklügelten Formen gehörten in den Innenraum. Der Eames-Lounge-Chair thronte vor dem Bücherregal, den Esstisch umzingelten Arne-Jacobsen-Stühle, vor dem Fernseher stand ein Minotti-Sofa. Dagegen ging es im Garten spartanischer zu.
So wurde ein schlichter Stuhl aus weißem Kunststoff zum weltweiten Massenphänomen – der Monobloc stand in deutschen Schrebergärten, südeuropäischen Cafés oder afrikanischen Straßenrestaurants. Sicher, das Möbel ist günstig und robust, doch mit gestalterischen Qualitäten konnte es nie punkten. Musste es aber auch nicht. „Gartenmöbel wurden früher eher funktional gesehen“, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie.
Doch in den vergangenen Jahren hat sich außerhalb der eigenen vier Wände viel getan – und das hat auch architektonische Gründe. Mittlerweile haben 60 Prozent aller deutschen Wohnungen eigene Balkons, ein Höchstwert nach Jahren kontinuierlicher Nachrüstung – Tendenz steigend.
Laut einer Studie des Instituts für Handelsforschung in Köln (IFH) gaben die Deutschen im Jahr 2015 1,3 Milliarden Euro für Garten- und Balkonmöbel aus – ein neuer Rekord. Eingerechnet sind da noch keine Accessoires wie freilufttaugliche Leuchten, Teppiche, Mobilküchen oder Grills: Marktsegmente, die ebenso starke Umsatzzuwächse erlebten wie Gärtnereien.
Im europaweiten Vergleich machen Frankreich und Italien zwar am meisten Umsatz mit Gartenmöbeln. Doch sie haben einen natürlichen Vorteil: Das Wetter in jenen Ländern ist besser, der Sommer länger. Trotzdem bleibt IFH-Consultant Christian Lerch auch für Deutschland optimistisch: „Wir rechnen weiterhin mit steigenden Umsätzen.“ Den Raum im Freien schön einzurichten ist auch hierzulande keine Nische mehr, sondern längst ein Massenphänomen.
Draußen ist das neue Drinnen
Kein Wunder, dass damit auch das Bedürfnis nach Distinktion steigt. Wer möchte schon auf denselben Möbeln Platz nehmen wie der Nachbar? Hinzu kommt: Wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist, sehen meistens nur die Bewohner. Was hingegen im Garten oder auf der Terrasse steht, ist oft für Nachbarn und Passanten sichtbar. Der Außenraum wird zur Visitenkarte für den persönlichen Einrichtungsgeschmack.
Besonders deutlich wird die Abkehr vom Monobloc mit Möbelstücken zelebriert, die bislang eher selten draußen standen. Die Hersteller von Sofas und Sesseln haben viel Zeit und Energie in die Entwicklung wasserabweisender Stoffe und Polster gesteckt, die sich genauso angenehm anfühlen wie ihre Pendants für den Innenraum. Diese Entwicklung forcieren nicht nur traditionelle Gartenmöbelanbieter wie Fermob, sondern ebenso etablierte Designmöbelmarken wie B&B Italia, Cassina oder Minotti.