Gastronomie Hier bekommen Sie Sterneküche zu kleinen Preisen

Gourmettempel werden immer teurer? Stimmt nur teilweise. In diese neun Restaurants sollten Sie jetzt gehen, bevor es unbezahlbar wird.

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Asien in Andernach: Sarah Henke erkochte auf Sylt ihren ersten Stern, heute serviert sie im Yoso asiatische Küche. Quelle: Ingo Hilger

Ein Tisch aus dunklem Kirschholz, an dem 20 Gäste sitzen – nebeneinander. Anstatt einem Gegenüber in die Augen zu schauen, beobachten sie die Köche durch die offene Küche.

Das perfekte Restaurant für einen netten Abend zu zweit klingt anders, doch Kevin Fehlings Wirkungsstätte ist auf Monate hin ausgebucht. Der jüngste Dreisternekoch Deutschlands hat bewusst mit vielem gebrochen, was einen klassischen Gourmettempel früher ausmachte. Im Hamburger The Table gibt es weder weiße Tischdecken noch livrierte Kellner. Stattdessen eine Atmosphäre wie im Theater, mit den Köchen in der Hauptrolle.

Das hat seinen Preis: Rund 600 Euro kostet das Siebengängemenü für zwei Personen inklusive Weinbegleitung. Dafür bekommt der Gast allerlei Edles auf den Teller: Biogänseleber, Gillardeau-Auster und Champagnerschaum.

Zutaten sammeln und pflücken
Die käsig stinkende Frucht des Gingkobaumes enthält einen Kern, der an Pistazien erinnert, der - einmal geknackt - eine milde Frucht enthält. Gesammelt hat sie Koch Dyson Watson-Thomas in Berlin. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Die Gäste im Nobelhart & Schmutzig bekommen auch schon mal kleine Möhren mit Creme serviert. Aus dem Umland von Landwirten, mit denen Küchenchef Micha Schäfer zusammenarbeitet, um eine besondere Qualität zu bekommen. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Wo beginnt Kochen, wo hört es auf? Dylan Watson macht sich in Berlin auf die Suche nach Produzenten, denen er vertraut. Ein Apfel in verschiedenen Bearbeitungen wird so zu einem Gang. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Der Berliner Koch Sebastian Frank vom Restaurant Horvath, mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet, setzt nicht nur auf die aufwändige Verarbeitung von frischen Gemüsen wie Kürbis, sondern lässt über Wochen, Sellerie eintrocknen, bis er so hart ist, dass er geraspelt werden kann. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Geflügel, gerade auch Wildgeflügel wie Fasan, sollte vor dem Verzehr in der Regel stets durchgebraten sein. Mit Leichtsinn hat die Verwendung für Köche, die ihre Jäger kennen, dennoch nichts zu tun. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Der in Neustrelitz nördlich von Berlin lebende Wenzel Pankratz verwendet nahezu ausschließlich Zutaten vom eigenen Hof. Die Weintrauben wachsen über dem Hauseingang. Das Stück in der Mitte folgt der Idee des "Nose-To-Tail", die die Verwendung sämtlicher Teile des Tieres propagiert. Die auch "weißen Nierchen" genannten Lammhoden offeriert Pankratz lediglich Gästen, die er besser kennt. Quelle: PR
Ist ein Schluck Wasser, der geliert wurde, ein Gericht? Diese Frage stellte beim Cooktank der Koch Andreas Rieger vom einsunternull in Berlin. Der aus dem Schwarzwald stammende Koch nahm Wasser von dort, übergoß es mit Likör aus selbst gesammelten Holunderbeeren und streute Pulver der Kerne darüber. In Japan ist diese Zubereitung als Watercake bekannt. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche

Schmeckt köstlich, ist für den regelmäßigen Besuch aber ungeeignet. Wie gut, dass es Alternativen gibt. Denn nicht nur Fehling bricht mit den alten Gesetzen der Sterneküche. Derzeit erobert eine neue Garde junger Köche die Gourmetgastronomie. Deren Einfallsreichtum zeigt sich nicht nur auf den Tellern, sondern auch auf der Rechnung. Viergängemenüs für 60 Euro ermöglichen selbst Durchschnittsverdienern Besuche in Gourmetlokalen.

Wie diese Preise möglich sind? Indem die Nachwuchsstars auf beste Lagen in deutschen Metropolen verzichten. Oder anstelle von Hummer, Kaviar und weißen Trüffeln lokale, scheinbar schlichte Produkte servieren. Vorbilder haben sie genug: „Deutsche Spitzenköche kochen heute auf Augenhöhe mit Kollegen aus Frankreich, Italien und Spanien“, sagt Patricia Bröhm, Chefredakteurin des Restaurantführers „Gault&Millau“. Die folgenden zehn Beispiele zeigen: Topgastronomie muss nicht teuer sein.

Exklusive WirtschaftsWoche Club-veranstaltung am 18.07.2017, Düsseldorf

Yoso, Andernach

Große Küche, kleine Preise, Plastikstühle: Das Yoso lässt sich von der asiatischen Kochkultur inspirieren. Küchenchefin Sarah Henke, 35, ist in Südkorea geboren und in Deutschland aufgewachsen. Sie stand bei diversen Sterneköchen am Herd, 2014 erkochte sie auf Sylt selber einen Stern.

Gelbe Mischung: Als Dessert serviert Henke eine Variation von Mango und Passionsfrucht mit Sorbet, Mousse, Gel und Chutney. Quelle: Ingo Hilger

Seit zwei Jahren arbeitet sie in eigener Regie und serviert unter anderem einen 36 Stunden lang „sous vide“, also im Vakuum gegarten und gebratenen Schweinebauch mit Kimchi (süßsauer marinierter Chinakohl) oder eine leicht scharfe Zitronengrassuppe mit Shitake-Pilzen und gebratenen Garnelen. Das teuerste Gericht auf der Karte kostet 26,50 Euro, ein Viergängemenü gibt es ab 49 Euro. yoso-food.de

Große Küche zu kleinen Preisen

360, Limburg an der Lahn

Die Lage in der dritten Etage eines Einkaufszentrums mag unromantisch klingen, dafür gibt es aber einen unverbauten Rundumblick auf der großen Terrasse. Küchenchef Alexander Hohlwein, 30, setzt auf „weltoffene Aroma-Küche“. Auf der Karte stehen Jakobsmuscheln mit Wasabi, Lamm mit orientalischen Gewürzen und Ziegenjogurt oder ein Pot au Feu (Eintopf) aus Fischen.

„Produkte von ausgesuchter Qualität, unverkennbare Finesse auf dem Teller, auf den Punkt gebrachter Geschmack, ein konstant hohes Niveau bei der Zubereitung“ , urteilte der aktuelle „Guide Michelin“ und vergab einen ersten Stern – ein knappes halbes Jahr nach der Restauranteröffnung.

Der Küchenchef des 360, Alexander Hohlwein, setzt auf

Vier Gänge kosten trotzdem nur 65 Euro, selbst bei sieben Gängen liegt man noch unter 100 Euro. restaurant360grad.de

Lucky Leek, Berlin

Berlin gilt als Welthauptstadt der Vegetarier und ist außerdem die einzige Metropole in Deutschland, in der man es sich offenbar leisten kann, große Küche zu kleinen Preisen zu servieren. Das mag einfacher sein, wenn keine teuren Fisch- und Fleischsorten finanziert werden müssen. Schwieriger ist es, sich mit vegetarischer oder gar veganer Kost in die Herzen von Gourmets und auf die Seiten des „Guide Michelin“ zu kochen.

Josita Hartanto, 36, hat beides geschafft – mit Aprikosen-Paprikasüppchen, Mandel-Ricotta-Ravioli und Graupen-Spargelrisotto mit Kürbiskernpesto. Drei Gänge kosten 35 Euro, dazu kann man sich noch eine Weinbegleitung für 26 Euro gönnen. lucky-leek.com

Josita Hartanto hat sich mit veganer Kost in die Herzen von Gourmets und auf die Seiten des

Kraftwerk, Oberursel

Casual Fine Dining nennt der Österreicher Adalbert Seebacher, 35, den Stil seines Restaurants, das sich in einem denkmalgeschützten, ehemaligen Kraftwerk befindet – zusammen mit einem Oldtimer-Showroom, einer Vinothek und einer Kochwerkstatt.

Seebacher lernte unter anderem bei den Starköchen Eckart Witzigmann, Lea Linster und André Jaeger. Wer ihn testen möchte, bestellt das Amuse-Bouche-Menü mit acht bis zwölf Minigängen (ab 65 Euro). Wer lieber weniger kreativ isst, darf sich auf ein Original Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurken-Salat (25 Euro) freuen. kraftwerkrestaurant.de

Wo es in Deutschland am besten schmeckt
Platz 10: Fischereihafen-Restaurant, Hamburg Quelle: Trip Advisor
Platz 9: Restaurant Medici, Frankfurt Quelle: Trip Advisor
Platz 8: Henssler Henssler, Hamburg Quelle: Trip Advisor
Platz 7: Cookies Cream, Berlin Quelle: Trip Advisor
Platz 6: Broeding, München Quelle: Trip Advisor
Platz 5: [m]eatery bar + restaurant, Hamburg Quelle: Trip Advisor
Platz 4: FACIL, Berlin Quelle: Trip Advisor

Weinbasis, Hannover

Dennis Thies, 31, wird im aktuellen „Gault&Millau“ als junges Talent gepriesen und für „markante Würze, subtil eingesetzte asiatische Aromen und kreative Desserts“ gelobt. Zusammen mit Sommelier Sebastian Wilkens eröffnete er im Januar 2016 sein eigenes Lokal, in dem er ein asiatisches und ein saisonorientiertes Menü anbietet.

Wer sich nicht entscheiden kann zwischen gebratenem Wolfsbarsch mit Kartoffel-Limonen-Stampf und Gulasch-Sud oder einem süß-sauer zubereiteten Filet vom Havelländer Apfelschwein, bestellt das Sechsgängemenü für 77 Euro. Für fast das gleiche Geld bekommt man auch ein Dreigängemenü mit passender Weinbegleitung. wein-basis.de

Brasserie-Flair in Bayern: Das Münchner Bavarie. Quelle: Presse

Bavarie, München

Ausgerechnet in der Münchner BMW-Welt gibt es ein bezahlbares Gourmetrestaurant, das sogar vom „Guide Michelin“ empfohlen wird. Chefkoch Philip Jaeger, 27, deckt mit Sushi, Bouillabaisse, Zucchini-Ravioli und Kalbs-Fleischpflanzerl Bayern und den Rest der Welt ab.

Das hohe Niveau verdanken die Gäste nicht nur seinem Talent. Das Bavarie wird vom bekannten Münchner Feinkostunternehmen Käfer betrieben und untersteht dem Zweisternekoch Bobby Bräuer, der eine Etage höher das Restaurant Esszimmer führt. Deshalb kommt Jaeger an Zutaten, die es sonst nur in der Sternegastronomie gibt.

Um sie zu testen, bucht man am besten einen Tisch für Mittwoch- oder Freitagabend und bestellt das viergängige „Chef’s Choice“-Menu für 44 Euro inklusive Aperitif, Wasser und Kaffee. feinkost-kaefer.de/bavarie

Jung, modern, innovativ

Eckert, Grenznach-Wyhlen

Nicolai Wiedmer ist erst 23 Jahre alt, machte das Eckert in dem 14.000-Einwohner-Städtchen im Landkreis Lörrach aber in den vergangenen zwei Jahren zu einer der spannendsten Adressen Baden-Württembergs. Vorher durfte er Sterneköchin Tanja Grandits im Restaurant Stucki in Basel assistieren.

Seinen Kochstil beschreibt er selbst als „jung, modern, innovativ“. Darunter versteht er auch ungewöhnliche Kombinationen und Zubereitungen, etwa ein Rinderfilet mit Miso-Schaum, Basilikum-Gnocchi mit gehackten Cashew-Nüssen oder ein geräuchertes Eigelb mit Entenbrühe. Für sein Viergängemenü verlangt er 75 Euro, das große Degustationsmenu kostet 98 Euro. hotel-eckert.de

Angenehm schlicht: Das Ambiente des Jellyfish in Hamburg. Quelle: Presse

Jellyfish, Hamburg

Fisch essen in Hamburg? Da denken die meisten Menschen spontan an Scholle mit Speck oder Matjes mit Bratkartoffeln. Dass es auch anders geht, zeigt Laurin Kux, 27, im 2010 eröffneten Restaurant Jellyfish.

Fische und Meeresfrüchte stammen ausnahmslos aus nachhaltiger Fischerei, von kleinen Booten und aus Wildfang. Das Ambiente des Lokals ist angenehm schlicht, das Menü mit acht Gerichten inklusive Dessert und einem einzigen Fleischgang überschaubar. Für 74 Euro kann man die Hälfte der Gerichte probieren. jellyfish-restaurant.de

Huberwirt, Pleiskirchen

Alexander Huber, 38, stellt die elfte Generation der Huberwirte. Aber er ist der erste, der nicht nur klassische bayrische Kost serviert. In der mehr als 400 Jahre alten Dorfwirtschaft treffen sich Sterneküche und Stammtisch.

Gäste haben die Qual der Wahl: Lieber die „Genussmomente“ oder die „Wirtshauskuchl“? Lieber Zander mit süß-saurer Bohnensuppe und Hühnerhaut-Chips oder Milzwurst mit Erdäpfel-Gurkensalat? Das Viergängegenussmenü kostet 62 Euro, das Viergängewirtshausmenü 55 Euro. huber-wirt.de

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