Das heißt, ich muss mir Dinge nur bildlich vorstellen können, um mein Gedächtnis zu schulen und muss keine Kreuzworträtsel machen oder Instrumente lernen?
Die bildliche Vorstellungskraft ist die Grundvoraussetzung, diese Kreativität. Dann kommt die Technik noch hinzu: Man verbindet die Kreativität mit einer Struktur, damit ich die Bilder ablegen und wiederfinden kann.
Zum Beispiel?
Sagen Sie mir sieben Dinge, die man im Supermarkt kaufen kann und ich zeige Ihnen, was bei mir passiert, damit ich sie mir merke.
Butter...
Butter, okay. Wenn ich mir Butter merken möchte, dann brauche ich einen mentalen Briefkasten im Kopf, wo ich das ablegen kann. Dafür nehme ich meinen Körper zur Hilfe und teile den in zehn markante Briefkästen ein. Unten ist Briefkasten Nummer eins: die Zehen. Dann geht’s nach oben: Zwei sind dann die Knie, drei die Oberschenkel, vier das Gesäß, fünf die Taille und das mache ich bis zu den Haaren hoch. Und jetzt verknüpfe ich die Information, in dem Fall Butter, auf übertriebene, groteske, schmerzhafte, lustige, abnorme Art und Weise. Je übertriebener, erotischer oder schmerzhafter diese Bilder sind, desto „merk-würdiger“ ist es fürs Gehirn. Jetzt schmiere ich also gedanklich meine Zehen und die Zwischenräume komplett mit Butter ein. Und wenn ich das nächste Mal auf meine Zehen gucke, denke ich an Butter. Was soll ich noch einkaufen?
Waschmittel...
Ich nehme meine Kniescheibe, den zweiten Briefkasten, öffne meine Kniescheibe mit einer Brechstange - das ist ein schmerzhaftes Bild – und weil mein Knie jetzt aussieht wie eine Waschtrommel, schütte ich ein wenig Waschmittel hinein, und das schäumt dann aus dem Knie heraus. Waschpulver auf der Nummer zwei. Was noch?
Dann nehmen wir noch Paprika...
Paprika auf meinen Oberschenkeln, dritter Briefkasten. Da schneide ich auf meinen Oberschenkeln mit einem scharfen Messer Paprika. Und ich schneide so fest, dass ich sogar in meinen Oberschenkel reinschneide.
Dann kaufen wir doch auch noch Toast...
Der vierte Briefkasten ist das Gesäß. Zwischen meinen Pobacken röste ich eine Scheibe Toast. Und wenn die fertig ist, schießt sie hinten raus. Noch eins?
Eier...
Eier: In meinen Bauchnabel lege ich ein Ei hinein. Das balanciere ich in meinem Bauchnabel und drehe es ein, zwei Mal rum. Noch zwei.
Nehmen wir noch eine Glühbirne...
Eine Glühbirne auf meiner Brust, das ist der Briefkasten Nummer sechs. Da sehe ich zwei schöne Glühbirnen von meiner Nachbarin. Die glühen mir richtig entgegen. Also ein erotisches Bild. Eins noch.
Eine Flasche Sekt.
Auf meinen Schultern balanciere ich eine Flasche Sekt und deren Korken schießt nach oben. Gucken wir mal, was wir uns jetzt gemerkt haben. Unten zwischen meinen Zehen ist Butter, in meinen Knien ist das Waschmittel, auf meinen Oberschenkeln schneide ich Paprika, zwischen die Pobacken klemme ich den Toast, in meinen Bauchnabel stecke ich ein Ei, in die Brust schraube ich zwei Glühbirnen und oben auf der Schulter habe ich den Sekt. Und ob Sie mir jetzt sieben oder 70 oder 700 Einkaufsgegenstände genannt hätten, ich hätte Ihnen alle 700 Einkaufsgegenstände wiedergeben können.
Und jetzt kommt der entscheidende Punkt. Sie müssen den Transfer herstellen. Diese sieben Einkaufsgegenstände sind nur beispielhaft. Auf die Gleiche Art und Weisefunktioniert das mit Wirtschaftsbegriffen wie Cashflow, Kundenattraktivität, Kundenzufriedenheit, Wirtschaftswachstum und so weiter.
Markus Hofmann ist Gedächtnistrainer und Buchautor. Er ist unter anderem Direktor des Steinbeis-Transfer-Instituts sowie Vorstand der German Speakers Association. Bekannt wurde er in der ZDF-Show "Wetten, dass..?", in der er 2005 als Gedächtnistrainer einer Kandidatin auftrat.