Gegen den Weihnachtsstress So entkommt Ihr Kopf dem Hamsterrad

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Gut reicht, es muss nicht perfekt sein

Wer sisyphosartig versucht, alles Anfallende abzuarbeiten, um dann irgendwann endlich Feierabend zu haben, wird von dem Felsblock Arbeit irgendwann überrollt. Deshalb sagt auch Bürgel über den modernen Kopfarbeiter: „Wenn es nicht mehr ruhiger wird und es nicht mehr passiert, dass wir mit etwas wirklich fertig sind, dürfen wir uns nicht mehr vornehmen, etwas zu Ende zu bringen. Wir müssen uns vornehmen, sechs, sieben, acht Stunden lang unsere Sache gut zu machen. Dann gehen wir nach Hause. Und am nächsten Tag machen wir unsere Sache wieder gut.“

Nur so lasse sich auch in der Mittagspause oder nach Feierabend abschalten und die Energiereserven auffüllen. „Wenn wir uns dagegen Freitagsabends schon sagen, dass der Montag furchtbar wird, starten wir sicher nicht entspannt in die neue Woche“, sagt sie. Was tatsächlich die wenigsten Deutschen tun, wie eine Umfrage zur Arbeitsmotivation zeigt. Demnach haben 85 Prozent der Deutschen montags richtig schlechte Laune. Und müde sind sie auch.

Damit der Montags-, Neujahrs- oder Post-Urlaubs-Blues nicht ganz so schlimm wird, sollten die ersten Arbeitstage möglichst stressfrei gestaltet werden. „Nehmen Sie sich Zeit, anzukommen und verschaffen Sie sich im Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten einen Überblick. So können Sie Aufgaben besser priorisieren und stellen sicher, dass Sie am nächsten Tag mit einem guten Gefühl loslegen können“, rät Franziska Stiegler, Projektleiterin des Projekts Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA) beim Dachverband der Betriebskrankenkassen.

Auch sie rät vor allem zu einem Blickwechsel: Da Arbeit bei den meisten nicht mehr nur von neun bis fünf das Gehirn beschäftigt, gelte es, die Arbeit so zu gestalten, dass sie etwas Positives zurückgibt. „Ob es die Kolleginnen und Kollegen sind, auf die man sich freut, oder das Aufgabenfeld. Machen Sie sich bewusst, was Sie an Ihrer Arbeit schätzen“, so Stiegler.

Wenn wirklich alles furchtbar ist, müssen Sie kündigen

Denn, und das sagt auch Bürgel, es könne ja nicht alles furchtbar und belastend und stressig sein. Irgendwas müsse gut sein. Wenn dem nicht der Fall ist, wenn nicht mal der Kaffee schmeckt und die Raumtemperatur angenehm ist beziehungsweise das den ganzen sonstigen Wahnsinn nicht mehr ausgleichen könne, dann sei es Zeit zu kündigen. Wenn es so schlimm noch nicht sei, dann könne vielleicht Jobcrafting helfen, also den eigenen Job gestalten. „Suchen Sie nach den kleinen Dingen, die sich ändern lassen. Wenn Sie sich morgens um sieben fürchterlich über Ihre Mails ärgern und die Ihnen den Start in den Tag versauen, dann lesen Sie nicht als erstes E-Mails. Und wenn Ihre Kollegin ein Excel-Genie ist und Sie dafür vielleicht Powerpoint aus dem Effeff beherrschen, können Sie vielleicht die Aufgaben tauschen und sind dadurch beide weniger genervt.“

Außerdem gilt analog zu den Feiertagen: Zeit für Schönes und für Erholung muss sein. Auch im Job. Also heißt es Pausen machen, statt durcharbeiten. Das erhöht sogar nachweislich die Produktivität.

Klar ist in der Mittagspause keine Zeit, zwei Stunden Sport zu machen. Aber eine Runde durch den Park zu gehen, sollte möglich sein. Und ein gemeinsames Essen mit netten Kollegen – und sei es nur in der Betriebskantine – wirkt sich ganz anders auf Kopf und Körper aus, als ein am Schreibtisch runtergeschlungenes Brötchen. „Wenn Sie frei haben, nehmen Sie sich auch die Zeit für Erholung und verbringen Sie sie nicht vor dem Fernseher oder am Computer. Bewegen Sie sich in der Natur, essen Sie gut, machen Sie einen Bogen um Termine“, bestätigt Bürgel. Hauptsache abschalten.

Die große Erholung, die das ganze Jahr über anhält, gibt es für den Wissensarbeiter nämlich genauso wenig, wie den final abgearbeiteten Arbeitsstapel. Wer nicht krank werden will, muss sich deshalb kleine Erholungsinseln im Alltag schaffen – jeden Tag. Nicht nur an Weihnachten.

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