Was will ich 2018 erreichen? Beruflich und privat? Viele nutzen die Zeit nach den Feiertagen, so sie nicht arbeiten müssen, um eine Bilanz zu ziehen und sich gute Vorsätze zu setzen. Daran, dass es mit „mehr Sport, weniger Süßes, aufhören zu Rauchen“ vermutlich nicht klappt, hat sich die Mehrheit schon gewöhnt. Einen der guten Vorsätze – es etwas ruhiger angehen lassen – werfen viele schon am 24. Dezember wieder über Bord.
57 Prozent der Deutschen sagen, dass sie die Weihnachtstage am liebsten mit der Familie verbringen. Ob zu Hause oder in der Ferne – Hauptsache entspannt, gerne bei gutem Essen. Wer über die Feiertage oder nach Weihnachten verreist, der will „Erholungsurlaub zum Entspannen und Faulenzen“ machen, wie eine Umfrage der GfK zeigt. Allerdings folgt dann am 27. Dezember die Enttäuschung:
Weihnachten ist trotz aller frommen Wünsche für die meisten Deutschen nicht erholsam. Das Essen misslungen, die Kinder quengelig, die Familie zerstritten, das neue iPhone ruft genauso unerfreuliche E-Mails ab wie das alte. Und in der Ferne zeichnet sich schon das alte Hamsterrad Arbeit ab, das sich ab Januar mit unveränderter Geschwindigkeit dreht. Alle Jahre wieder: Von Erholung keine Spur, weder vor noch nach dem Fest. Schöne Bescherung.
Gute Vorsätze: Das nehmen sich die Deutschen für 2018 vor
Die Wünsche für das neue Jahr ähneln denen vergangener Jahre: Weniger Stress erhoffen sich viele. Vor allem Jüngere denken dabei an ihr Handy und wünschen sich mehr Offline-Zeit.
Quelle: repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit
Stress abzubauen ist das Ziel von 59 Prozent, wie die repräsentative Erhebung im Auftrag der DAK-Gesundheit ergab.
58 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Zeit für Familie und Freunde.
53 Prozent würden gern mehr Sport treiben.
18 Prozent der Befragten haben sich vorgenommen, sich im neuen Jahr weniger mit Handy, Computer und Internet zu beschäftigen.
Vor allem die 33- bis 44-Jährigen sehnen sich nach weniger Stress und einem ruhigeren Familienleben (jeweils 69 Prozent) oder wollen sportlich aktiver werden (59 Prozent).
Auffällig ist, dass vor allem die Jüngeren zwischen 14 und 29 Jahren von mehr Offline-Zeit träumen. 34 Prozent von ihnen gaben an, sie wollten ihr Smartphone weniger nutzen.
Auch Erholung will geplant sein
Wer nicht schon an Heiligabend entnervt zusammenbrechen möchte, sollte Prioritäten setzen, rät Katja Mierke, Psychologieprofessorin an der Hochschule Fresenius. „Häufig sind unsere Vorstellungen stark beeinflusst von dem, was anderen wichtig ist“, sagt sie. Davon gelte es, sich ein Stück weit zu befreien. Perfektionismus führe nur zu perfektem Druck. Das wissen die Deutschen auch. Gemäß einer anderen GfK-Umfrage zu den Hauptstressoren in unserem Alltag schaffen es Job und Geld nur auf die Plätze zwei und drei. 23 Prozent sagen: Der meiste Stress resultiere aus selbstgemachtem Druck und zu hohen Erwartungen an sich selbst.
Damit der Vorweihnachtsstress sich in Grenzen hält, rät Mierke, Strategien aus dem beruflichen Zeitmanagement anzuwenden und aufzuschreiben, was erledigt werden muss, wie lange das jeweils dauere und wer es wann übernehmen kann. Auf Seite zwei kommen dann die Dinge, die schön wären, aber nicht sein müssen. Wichtig sei, dass sich jeder Zeit für Schönes nehme und nicht nur durchgetaktet funktioniere. „Das tut uns einfach gut und hilft, bis zum nächsten Frühling aufzutanken“, sagt sie.
Nach einer bis drei Wochen ist die Erholung flöten
So lange hält die Erholung nur nicht, wie diverse Untersuchungen zeigen. Im Schnitt ist der Stress nach drei Wochen wieder da. Viele sind sogar schon eine Woche nach dem Urlaub wieder so genervt wie vorher. Je größer die Stapel an unerledigten Aufgaben und je mehr Termine nach den Feiertagen, desto schneller geht die Erholung verloren.
Was aber im Umkehrschluss bedeutet: Jeder, der sich demnächst in den Weihnachtsurlaub verabschiedet, hat zumindest anteilig in der Hand, wie er oder sie ins neue Jahr startet. Die bucklige Verwandtschaft unter dem Baum lässt sich vielleicht nicht verhindern, unüberwindbare Berge an Arbeit ab dem 2. Januar schon.
Das fängt schon im Kopf an, sagt Arbeitspsychologin Ilona Bürgel. „Es gibt kein Fertig mehr. Auf jede Mail folgt eine neue, auf jede abgearbeitete Akte landet eine neue auf dem Schreibtisch. Wenn wir abends im Büro die letzte Mail abgearbeitet haben und zu Hause in unseren Posteingang gucken, sind unter Garantie wieder neue Nachrichten da.“ Mit dem Gedanken müsse der moderne Mensch sich anfreunden.
Gut reicht, es muss nicht perfekt sein
Wer sisyphosartig versucht, alles Anfallende abzuarbeiten, um dann irgendwann endlich Feierabend zu haben, wird von dem Felsblock Arbeit irgendwann überrollt. Deshalb sagt auch Bürgel über den modernen Kopfarbeiter: „Wenn es nicht mehr ruhiger wird und es nicht mehr passiert, dass wir mit etwas wirklich fertig sind, dürfen wir uns nicht mehr vornehmen, etwas zu Ende zu bringen. Wir müssen uns vornehmen, sechs, sieben, acht Stunden lang unsere Sache gut zu machen. Dann gehen wir nach Hause. Und am nächsten Tag machen wir unsere Sache wieder gut.“
Nur so lasse sich auch in der Mittagspause oder nach Feierabend abschalten und die Energiereserven auffüllen. „Wenn wir uns dagegen Freitagsabends schon sagen, dass der Montag furchtbar wird, starten wir sicher nicht entspannt in die neue Woche“, sagt sie. Was tatsächlich die wenigsten Deutschen tun, wie eine Umfrage zur Arbeitsmotivation zeigt. Demnach haben 85 Prozent der Deutschen montags richtig schlechte Laune. Und müde sind sie auch.
Damit der Montags-, Neujahrs- oder Post-Urlaubs-Blues nicht ganz so schlimm wird, sollten die ersten Arbeitstage möglichst stressfrei gestaltet werden. „Nehmen Sie sich Zeit, anzukommen und verschaffen Sie sich im Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten einen Überblick. So können Sie Aufgaben besser priorisieren und stellen sicher, dass Sie am nächsten Tag mit einem guten Gefühl loslegen können“, rät Franziska Stiegler, Projektleiterin des Projekts Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA) beim Dachverband der Betriebskrankenkassen.
Auch sie rät vor allem zu einem Blickwechsel: Da Arbeit bei den meisten nicht mehr nur von neun bis fünf das Gehirn beschäftigt, gelte es, die Arbeit so zu gestalten, dass sie etwas Positives zurückgibt. „Ob es die Kolleginnen und Kollegen sind, auf die man sich freut, oder das Aufgabenfeld. Machen Sie sich bewusst, was Sie an Ihrer Arbeit schätzen“, so Stiegler.
Wenn wirklich alles furchtbar ist, müssen Sie kündigen
Denn, und das sagt auch Bürgel, es könne ja nicht alles furchtbar und belastend und stressig sein. Irgendwas müsse gut sein. Wenn dem nicht der Fall ist, wenn nicht mal der Kaffee schmeckt und die Raumtemperatur angenehm ist beziehungsweise das den ganzen sonstigen Wahnsinn nicht mehr ausgleichen könne, dann sei es Zeit zu kündigen. Wenn es so schlimm noch nicht sei, dann könne vielleicht Jobcrafting helfen, also den eigenen Job gestalten. „Suchen Sie nach den kleinen Dingen, die sich ändern lassen. Wenn Sie sich morgens um sieben fürchterlich über Ihre Mails ärgern und die Ihnen den Start in den Tag versauen, dann lesen Sie nicht als erstes E-Mails. Und wenn Ihre Kollegin ein Excel-Genie ist und Sie dafür vielleicht Powerpoint aus dem Effeff beherrschen, können Sie vielleicht die Aufgaben tauschen und sind dadurch beide weniger genervt.“
Außerdem gilt analog zu den Feiertagen: Zeit für Schönes und für Erholung muss sein. Auch im Job. Also heißt es Pausen machen, statt durcharbeiten. Das erhöht sogar nachweislich die Produktivität.
Klar ist in der Mittagspause keine Zeit, zwei Stunden Sport zu machen. Aber eine Runde durch den Park zu gehen, sollte möglich sein. Und ein gemeinsames Essen mit netten Kollegen – und sei es nur in der Betriebskantine – wirkt sich ganz anders auf Kopf und Körper aus, als ein am Schreibtisch runtergeschlungenes Brötchen. „Wenn Sie frei haben, nehmen Sie sich auch die Zeit für Erholung und verbringen Sie sie nicht vor dem Fernseher oder am Computer. Bewegen Sie sich in der Natur, essen Sie gut, machen Sie einen Bogen um Termine“, bestätigt Bürgel. Hauptsache abschalten.
Die große Erholung, die das ganze Jahr über anhält, gibt es für den Wissensarbeiter nämlich genauso wenig, wie den final abgearbeiteten Arbeitsstapel. Wer nicht krank werden will, muss sich deshalb kleine Erholungsinseln im Alltag schaffen – jeden Tag. Nicht nur an Weihnachten.